Die 20 meistunterschätzten Deutschrapalben // Feature

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Justus – Zeichen & Muster (2002)

(Royal Bunker / Groove Attack)

2001 erschien der MOR-Klassiker »NLP« und boostete nicht nur einmal mehr SAV, sondern auch Rapper wie Justus aus der damaligen Enklave Westberlin hinaus ins gleißende Rampenlicht der geifernden HipHop-Öffentlichkeit. Als im Oktober 2002 dann das erste Post-»NLP«-Album »Zeichen & Muster« erschien, passierte … irgendwie nichts. Zumindest nicht bei Justus, denn kurz darauf veröffentlichte der King of Rap mit »Der beste Tag meines Lebens« sein sehnlich erwartetes Solodebüt und stellte damit im wahrsten Sinne des Wortes alles andere in den Schatten. Dabei hätte der schlaue Funkfux Justus durchaus mehr Shine verdient gehabt, denn auf dem Nachfolger seines gefeierten Untergrund-Tapes »Neue Wahrheit« lieferte er ein spannend-verqueres Kaleidoskop aus Sozialkritik, Verschwörungstheorien und verbalisierten Fickfingern an die Konkurrenz – ein künstlerischer Weg, den Anfang der Nullerjahre in dieser Form außer Justus nur noch Prinz Pi einschlug, der damals noch Prinz Porno hieß und passenderweise das Cover dieses Albums verantwortete. Ja, ein bisschen mehr Wumms hätten die im Royal Bunker gemischten Tracks rückblickend durchaus vertragen, andererseits ließ dieser Umstand Justus genug Raum, um sein dystopisches Weltbild in den schillerndsten Grautönen auf charmant klapprige Eigenproduktionen und weird wacklige Beatgerüste von Leuten wie Ronald Mack Donald, Illo und Taktlo$$ zu kloppen. Und so lieferte er als »Dieser schöne Millionär« mit MOR-Compadre Fumanschu satirisch-funkige Kapitalismuskritik, verbannte Gott auf »Zweite Chance« binnen zwei Zeilen versiert ins »Land der Feen und Elfen« und sorgte in süßlich schlängelnden Stücken wie »Der große Diktator« für umgreifende Paranoia. Seine niederen Motive beim Kreieren des Albums brachte Justus auf »In die Schwärze« selbst auf den Punkt: »Für mich ist HipHop ein Intelligenztest/der die Grenzen verwischen lässt.« Und die Trennlinie zwischen Fakt und Fiktion wurde selten so eindeutig unscharf gezogen wie hier.

Text: Daniel Schieferdecker

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