Die 20 meistunterschätzten Deutschrapalben // Feature

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Tone – Zukunftsmusik (2006)

(Columbia / Sony)

Wer heutzutage über Tone redet, tut das meist im Zusammenhang mit seiner ehemaligen Crew Konkret Finn und deren 1994er-Track »Ich diss dich«, der in den HipHop-Geschichtsbüchern als erster deutschsprachiger Battlerap-Track geführt wird. Und ohne Frage: Dieser Song war immens wichtig, hat eine ganze Rap-Generation von Azad bis Kool Savas inspiriert und ihnen aufgezeigt, was in Sachen Style, Flow, Technik und lyrischer Kriegsführung in der hiesigen Landessprache möglich ist. Aber warum, um Himmels willen, spricht niemand über sein grandioses Solodebüt von 2005?! Eine Platte, auf der er die verbalrandalige Mittneunzigerversiertheit besagten Tracks nicht nur elf (!) Jahre später in ein neues Jahrtausend katapultiert, sondern gleich noch auf ein neues Level gehievt hat. Man ahne nur mal Punchlines wie: »Mit dir zu reden ist vergebene Müh/Ich hab eh das Gefühl, vor mir steht n lebendes Käsefondue/Denn immer wenn ich deine Reime beschnupper/Nehm ich das Gleiche wahr, nämlich strengen Geruch und n leises Geblubber« – Jessas! Als auf Rap programmierter »Reimroboter« zerfetzte die Frankfurter Panzerfaust lässig-hessisch die »Ekelerregenden Raps« von rappenden Pampelmusen im lyrischen Trommelfeuer – und zwar auf akkurat arrangierten Beatbombenteppichen des Ulteamate-Dreigestirns, bestehend aus A-Bomb, Feedback und Combad. Aber: Das One-Take-Wonder Tone beschränkte sich nicht bloß darauf, der vermeintlichen Konkurrenz seine »sprachlichen Fertigkeiten/Die Magenschmerzen bereiten« vor den verdatterten Latz zu ballern, sondern bezog seine größte Stärke daraus, sich auch Schwächen einzugestehen – wie im kehlenzuschnürenden »Du brauchst mich«, auf dem er seine einstige Alkoholabhängigkeit aus Sicht der Droge über ein (be)drückendes Piano würgt wie nach durchzechter Nacht. Und genau das macht diese Platte so außergewöhnlich: Dass Tone der schwierige Spagat gelang, einerseits raptechnisch ehrlich unangreifbar und andererseits inhaltlich angreifbar ehrlich zu sein. 2005 war das wirklich Zukunftsmusik.

Text: Daniel Schieferdecker

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