Die 20 meistunterschätzten Deutschrapalben // Feature

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Kinderzimmer Productions – Im Auftrag ewiger Jugend und Glückseligkeit (1996)

(Kinderzimmer Productions / EFA)

Kinderzimmer Productions ist möglicherweise die unterschätzteste Rap-Crew Deutschlands. Abgeschottet vom Rest der Szene hat das Duo aus dem Ulmer Kinderzimmer von DJ Quasimodo heraus eine so eigene Sound- und Sprachästhetik gefunden, die für die meisten Raphörer immer eine Spur zu anders war. Zu klug, zu kantig, zu konträr – aber gleichzeitig eben doch so HipHop, wie man es nur sein konnte. Schon ihr selbstbetiteltes, und kurz nach Veröffentlichung aufgrund von Sample-Clearing-Problemen wieder vom Markt genommenes Debüt war eine kleine Offenbarung – und eine oberlehrerlose Lehrstunde darüber, dass man sich auch als privilegiertes Mittelstandskind aus der Provinz HipHop zu eigen machen konnte, ohne in unglaubwürdige Stereotype verfallen zu müssen. »Im Auftrag …« hievte den uniquen Ansatz von Textor und Quasimodo dann aufs nächste Level: Aus den bewährten Bausteinen alter Funk-, Jazz- und Rapalben vollführten die beiden einen versierten Boxen­turmbau zu Babel, dessen Meisterlichkeit jedoch nur von den Wenigsten verstanden wurde. Vocal-­Sample-Klinker von Slick Rick, House Of Pain und A Tribe Called Quest wurden zusammengehalten von Bassläufen aus dem Repertoire Roberta Flacks sowie Latin-Jazz-Melodien aus dem Œuvre von Akustikgitarrengenie Baden Powell de Aquino – gerne auch mal gespickt mit Bezügen zur schwäbischen Heimat wie der Verweis auf den Butterfahrtklassiker »Sand in deinen Augen« von Schlagerlegende Roy Black. Textor indes stapelte darauf seine juvenil-verschachtelten Gedankenspiele, viele davon stille Schreie gegen umgreifenden Konformismus und stoisches Mitläufertum. Die zwischenzeilige Rebellion von Sätzen wie »Manchmal würde ich wollen, dass jemand wissen will, was mir was bedeutet – denn es bedeutet was« haben mir damals aus der sinnsuchenden Seele gesprochen wie kaum etwas sonst.

Text: Daniel Schieferdecker

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