Die 20 meistunterschätzten Deutschrapalben // Feature

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Tua – Grau (2009)

(Deluxe Records / Intergroove)

»Komm geh ein Stück mit mir, ich kann dir ein paar Sachen zeigen/Lass’ versuchen, wach zu bleiben/Bis die Nacht vorbei ist« – Tua lädt auf dem verregneten Opener zu einer Reise ein. Klingt doch harmlos. Ich geh mit. Das Jahr 2009 neigt sich dem Ende entgegen. »Grau« ist seit Monaten draußen, doch erst im Herbst des Jahres entdecke ich es für mich. Monatelang werden die 15 Tracks Begleiter meines Alltags. Tua reißt mich in seine farblose Welt – und kreiert den perfekten Soundtrack für den Herbst. Darin enthalten: Geschichten menschlicher Tragödien (»Bilder«) und lebens­entscheidender Dilemmas (»Ohne Titel«), Storys von gescheiterten Beziehungen und der substanzreichen Flucht ins Nachtleben. Nichts für Feel-Good-Liebhaber. Tua zeigt sich oft wütend, mal traurig, höchst sensibel und verletzlich – und unheimlich zynisch. Man verliert sich schnell komplett in der gespens­tischen Sogkraft des Albums, die einen mit brutaler Gewalt in das Stimmungsgebilde aus Melancholie, Schwermut und Angst hinunterzieht. Tua zeigt sein ganzes Produktionsgenie, füllt Textpausen durch Instrumentalteile oder ganze Stücke und sprengt auf dem Album mal eben sämtliche Grenzen dessen, wie ein Rapalbum in Deutschland zu klingen hat. Er singt, rappt und erzählt, und die Produktionen springen dabei musikalisch beliebig durch Genres, gehen mühelos von harten Electroni­ca-Elementen zum verspielten Pianosolo. Alles geht perfekt ineinander über und hält den festen Griff am Hörer. Nie wieder hat ein Deutschrapalbum so liebevoll detailliert eine so traurige Welt aufgebaut. Ob man diese wirklich durchleben will? Jeder muss für sich entscheiden, ob er ein Stück mit Tua durch die Nacht geht. Ich würd’s sofort wieder tun.

Text: Niklas Potthoff

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