Die 20 meistunterschätzten Deutschrapalben // Feature

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Dike D – Pottpüree (1998)

(Deck 8 / Rough Trade)

»Weißt du, ABS, OnAnOn, Creutzfeld & Jakob/Weißt du, der Ruhrpott ist unendlich.« Nein, weißt du nicht. Denn drei Jahre vor dem vielleicht größten Hit in seiner Diskografie legte Dike D ein Album vor, das wie kaum ein anderes in der nationalen HipHop-Geschichte sträflich übersehen wurde, obwohl es einem Umfeld entsprang, das in den Folgejahren zur Rap-Speerspitze zählen sollte. Doch in den Dämmerstunden vor dem ersten deutschen HipHop-Hype war Dikes Approach verwirrend. Denn er tat etwas, das in der Szene Ende der Neunziger ganz schön unpopulär war: Er sang. Mehr als dass er rappte. Mit Starthilfe seiner Ruhrpottkumpels Flipstar, Ono, Lakmann und Too Strong erschuf er so ein »Pottpüree«, das organisch, eigentümlich und verdammt charmant war. Psychedelische Akustikgitarren-Samples, Alltagsweisheiten zwischen Heroinjunkies am S-Bahnhof, Bolzplatzromantik und Huckleberry Finn sowie eine unwiderstehliche Delivery, die unpeinlich und melodisch Silben über den Pattern zog, bevor irgendjemand wusste, wer Drake ist. Gerade wenn seine Producer Lee Buddah und DJ Funky Chris in der Albummitte mit Tempi, Stimmungen und Arrangements aus Sample- und Synthesizer-Sounds variieren, wird aufgezeigt, welches musikalische Potenzial hier auf die Bunkerwelt gebracht wurde. Gerade ein schnuffiger Ohrwurm wie das heute noch bekannte »S-Bahn fahn’« überdauert mit seiner abgehangenen Orgelgeschichte über einen redseligen Alkoholiker sämtliche Raptrends und -epochen. Eine kleine Randnotiz ist übrigens, dass Dikes letzter größerer Auftritt auf dem Sampler »Schwarzes Gold« stattfand: dem ersten Release von Selfmade Records.

Text: Fionn Birr

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