Die 20 meistunterschätzten Deutschrapalben // Feature

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Doppelkopf – Von Abseits (1999)

(Hong Kong Records/ EMI)

»Nichts neu« lautet der Titel des ­Openers – und mit einer dreisteren Lüge hätten Doppelkopf ihr erstes und einziges Album wohl kaum einläuten können. Denn auf »Von Abseits« war alles neu, alles anders. Kein Ladi­dadi-Party-HipHop-Geblödel, kein krampfhafter Kampf um die besten Kettenreime und kein kühles Rezitieren der kulturinhärenten Vier-Elemente-Formel. Stattdessen, O-Ton: »Alte Schule, neue Schule – wir schwänzen Schule/Wir haben unsere eigene, für immer bleibende« – und genau diesem Leitsatz folgten die drei Fernbleiber Falk, Teaz und Bubbles auf dem 46-minütigen Höhenflug ins weirde All(tagsleben der drei Protagonisten zwischen Mördermonstermuscheln, Tapiren und »halluzinogenen Traumtanz-Comic-Rap-Galaxien«). In Bongwasser brodelnde Beats, nebelschwadrige Bässe, hier eine an Nervensträngen zehrende Violine, da ein Chor »Von Abseits« nach Jenseits – Teaz und Bubbles zimmerten das gespenstische Grundgerüst dieses Albums in die Sümpfe der Traurigkeit auf der anderen Seite unseres Sternensystems. Und Wortführer Falk sprühte dazu mit seinen abstrakt-metaphysischen »Raps vom Mond« grenzenverwischende Tags an die Beat-Bretter, malte tiefschattige, aber hochauflösende »Bilder in dein Ohr wie zuvor nie gesehen«. Mit »Von Abseits« verließ das avantgardis­tische Trio nicht nur die ausgetretenen Pfade um den eigenen Block, ihm gelang tatsächlich eine fantastisch-intergalaktische Exkursion zum Mond und darüber hinaus »bis ans Ende der Unendlichkeit«, anstatt nur den üblichen Pilgerweg gen Amerika zu beschreiten – und lieferte damit nicht nur eine innovative Blaupause für all die Marsimotos da draußen, sondern eine Wanderkarte für künstlerische Wege, die – tief im Gedankendickicht versteckt – abseits der einschlägigen Straßen entlangführen, die das Genre ja gerne mal im Kreis laufen lassen. Ein kleiner Schritt für Doppelkopf, doch ein großer Schritt für Deutschrap.

Text: Daniel Schieferdecker

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