Die 20 meistunterschätzten Deutschrapalben // Feature

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SDiddy – 21 Gramm (2008)

(German Dream Evangelium / Intergroove)

Was kommt dabei heraus, wenn ein heruntergekommener Zeitarbeiter aus Köln nächtelang verdrogt vorm Fernseher liegt? Eines der besten Deutschrapalben aller Zeiten. Kein schräger Flachwitz, sondern die mutmaßliche Entstehungsgeschichte von »21 Gramm«, dem leider einzigen Album von SDiddy. Die unbeflissene Rüpelhaftigkeit, mit der Diddy anno 2008 Deutschlands A- bis Z-Prominenz bepöbelte, ist bis heute unerreicht. Die Zeilen selbst sind dabei gar nicht sonderlich originell, gewinnen durch Diddys wahnwitzigen Vortrag aber ungemein an Schlagkraft. Es ist die Summe seiner Eigenheiten, die SD zu dem Unikat macht, das er letztlich ist. Ein Mensch mit Ecken und Kanten, alles andere als unfehlbar, aber genau dadurch einzigartig in seiner exzentrischen Authentizität. »21 Gramm« war wirr und in seiner Erzählweise geradezu bipolar. In einer Zeit, in der Coolness und ein greifbarer Charakter unabdingbare Attribute waren, schien Diddys vielschichtiger Irrwitz fehl am Platz. Punchlines mussten eine klare Pointe haben, Gefühle mussten bekömmlich artikuliert werden. Kein Wunder also, dass sein wirrer Duktus trotz revolutio­nären Reimschemas und abwechslungsreicher Flow-Abfahrten auf eher verhaltene Reaktionen stieß. Die unstrukturierten Assoziationsketten, in denen all die beklemmenden Gedanken und Probleme zum Vorschein kommen, mit denen SD zu kämpfen hatte, sprachen für sich. Auf Effekthascherei und geschwollene Metaphern wurde verzichtet, stattdessen sprang die intensive Erzählung wahllos von einem düsteren Erlebnis zum nächsten und offenbarte auch eigene Fehler gnadenlos. SDiddy war nie besonders cool oder poetisch, doch stilistisch absolut einzigartig und hemmungslos ehrlich. Zu sehr offenbar – und zu eingenommen von privaten Baustellen.

Text: Skinny

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