Celo & Abdi – Nadelstecherei [Interview]

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Zwei Klassiker des Neo-Street-Rap zählt der Katalog von Celo 385 und Abdi Süd bereits: Mit dem »Mietwagentape« positionierte man sich Anfang 2011 auf Anhieb als Trendsetter und Anführer der Betonlyrik-Renaissance aus FFM, anderthalb ­Jahre später lieferte man mit »Hinterhofjargon« ein stringentes, weitestgehend vom ­Hamburger m3 produziertes Debütalbum ab, mit dem das Straßen-Esperanto von der Konstablerwache erfolgreich deutschlandweit im Jugendvokabular verankert werden konnte. Nun schreiben wir das Jahr 2014, und das ungleiche Duo schickt sich an, mit dem neuen Longplayer »Akupunktur« nun den Hattrick zu schaffen.
 
Für die Arbeit an Studioalbum Nummer zwei hat man sich in den Frankfurter Norden zurückgezogen. Das Glitzern der Skyline wirkt hier, in einem Industriegebiet unweit der A5, wie ein Ausschnitt aus einer glamouröseren Parallelwelt: Wellblech­fassaden von Lebensmittel-Discountern, in Neonfarben leuchtende Baumarkt-­Wegweiser, XXL-Mobelhäuser und Auto­vermietungen – nichts erinnert an den anthrazitfarbenen Skyscraper-Charme der deutschen Bankenhauptstadt. Das Haus, in dessen Keller sich das Duo mit seinem alten Weggefährten Aslan Sound die Studio­räumlichkeiten teilt, beherbergt außerdem mehrere kleine Büros. »Bis vor kurzem war oben im Dachgeschoss auch noch ein Thai-Massage-Studio. Mit Happy End und so. Keine Ahnung, was aus denen geworden ist«, erklärt Abdi, als wir uns nach unserem Treffen auf der Straße verabschieden.
 
Erstaunlich aufgeräumt kommt das Innere des Studios daher, wo Manager Syn mir zunächst die bis dato vorhandenen Songskizzen vorspielt: Fein säuberlich stehen die Pfandflaschen in einer Ecke aufgereiht, auf dem Klo findet sich über dem Spülkasten ein freundlicher Hinweis: »Bitta nur Scheißa und Papiera in Toiletta, danka!« Kreatives Chaos herrscht hingegen noch bezüglich der ­Anordnung der Songs. 21 Tracks, ­wohlgemerkt ohne Skits, sind Ende März fest fürs Album eingeplant. Neben Songs mit SSIO, MoTrip, Veysel, Olexesh, Credibil und Hanybal hofft man rund zwei Monate vor VÖ u.a. auch auf einen Gastbeitrag von Azad.
 
Die Tatsache, dass Frankfurts größte Rap-Legende neben Moses Pelham eine ­Zusammenarbeit in Erwägung zieht, zeigt, wie ernst man Ché & A mittlerweile auch unter Kollegen nimmt. Mehr als die zwei Kleinticker mit Kanakenkauderwelsch, als die man sie in Youtube-Kommentaren fast vier Jahre nach ihrem ersten Song »Wettskandal« abstempeln will, waren Celo (seines ­Zeichens Bornheimer mit bosnischen Wurzeln) und Abdi (der aus einer marokkanischen Flüchtlingsfamilie stammende Goldsteiner) so oder so schon immer. Nachdem man dem hiesigen Straßenrap Anfang 2011 durch das »MWT« mit einer Mischung aus Callcenter-Eloquenz und multilingualem Ticker-Jargon eine neue Ebene hinzugefügt hatte, schickte man sich unverzüglich an, die eigene Marke breiter aufzustellen. Doch früh wurde klar, dass schief dreinschauende Wortschmiede mit Migrationshintergrund von Vertretern der Mainstream-Presse gerne auch mal falsch verstanden werden. Während man auf Songs mit der MAC-10 durch den Reichstag rannte, deutete die Tageszeitung Die Welt Celos ausgestreckten Arm als Hitlergruß und wertete die Abkürzung »HJ« ihres Albumtitels »Hinterhofjargon« als Nazi-Koketterie.
 
So bekam spätestens Anfang letzten Jahres eine entscheidende Komponente eine völlig andere Gewichtung. »Fuck YOLO, ­Hakuna Matata«, verkündete Abdi auf MC Fittis »#YOLO 2.0«, während man wenige Monate später zusammen mit DCVDNS die Kunden am Zoo mit Schrott-Piece abrippte. Mit ihrem originellen Humor hatte das Duo nie hinterm Berg gehalten, stets hatte man in Interviews einen lockeren Spruch auf den Lippen. ­Inzwischen setzt man ihn jedoch viel gezielter ein, dreht neben der eigenen Game-Show »Abgezockt« auch kleine Ratgeber-Videos (»Frag Azzlack«) oder vertont Videospiel­sequenzen neu (»Grand Theft Audio«).
 
Alles jedoch Peanuts im Vergleich zur Arbeit als Labelchefs, wo man im Bezug auf den Darmstädter Olexesh gleich beim ersten ­Signing den richtigen Riecher bewies. So zählte dessen Ende 2012 erschienenes Debüt-Mixtape »Authentic Athletic« nicht nur binnen weniger Monate mehrere hundert­tausend Downloads, das Album »Nu Eta Da« schoss Mitte März auch auf Anhieb in die Top Ten. Die Nachfrage bezüglich der Rollen­verteilung bei 385ìdeal veranlasst das Duo allerdings zu einer Trademark-Erklärung: Celo legt die Stirn in Falten, fokussiert seinen Blick und gibt ernstklingend zu Protokoll, ­Manager Syn wäre der »krasse Meister« hinter dem Projekt. Abdi ist sich nicht zu schade, ­postwendend mit verstellter Stimme zu ergänzen: »Der Celo macht so diese Balsam-Künstlerbetreuung«, während er dazu im Stile eines Masseurs mit den Händen durch die Luft fährt. Abschließend bringt er die eigene Aufgabe innerhalb des Gefüges bescheiden und mit Augenzwinkern auf den Punkt: »Ich bin einfach da, Digger. Ich bin das ­Maskottchen.«
 
Zumindest das Fundament für eine ­erfolgreiche Zukunft hat man mit den ­Verkaufserfolgen von »HJ« und »NED« gelegt. »Mit dem ersten Album und den GEMA-Geldern haben wir uns Studio und Label ­aufgebaut. Das hat gute Wurzeln ­geschlagen«, konstatiert Celo. Der Druck, diesen Erfolg mit »Akupunktur« nun zu ­wiederholen, sei jedoch ungleich höher, ­geben beide offen zu. »Jeder Track, jedes Wort, jede Silbe muss eine Nadel sein«, erklärt Abdi. Der Albumtitel sei in Anlehnung an den Flirt-Stil eines Freundes entstanden: »Der Typ war ein krasser Frauenaufreißer, weil er genau das sagte, was die Frauen hören wollten. Darauf basierend habe ich mir ­überlegt, dass seine Art zu baggern eine Form der Akupunktur ist.« Auf die eigene ­Musik übertragen wäre der ­Zuhörer die Frau, die es zu beeindrucken gälte. »Leider ist dieser Freund vergangenes Jahr ­verstorben, also halten wir ihn mit dem Titel in Ehren«, fügt Abdi hinzu, ohne mit der Wimper zu zucken. »Ich war mit ihm und einem anderen Freund in Marokko. Wir waren feiern und ­hatten getrunken. Ich hatte an dem Tag ­keinen Bock mehr, also sagte ich zu den ­beiden anderen: ‚Lasst mich raus, ich geh’ nach Hause.‘ Paar Stunden später waren beide tot. Es war einfach noch nicht meine Zeit zu gehen.« Spätestens in diesem Moment hat man auch als Außen­stehender verstanden, wieso »Akupunktur« weit mehr ist als nur das dritte Release in Celo & Abdis bisher makellosem Katalog.
 
Wieso empfindet ihr den Druck jetzt als größer als zuvor?
Abdi: Es geht ja immer darum, das voran­gegangene Werk zu überbieten. Bis dato war »Hinterhofjargon« das Beste, was wir gemacht haben – obwohl viele Leute auch behaupten, das »Mietwagentape« wäre unser bestes Release gewesen, was ich durchaus nachvoll­ziehen kann. Ich bin auch der Meinung, dass die ersten Werke eines Künstlers oft die besten sind. Je mehr Texte du schreibst, desto größer wird der Druck, etwas zu sagen, was man noch nicht zur Sprache gebracht hat. Aber das ist auch das Interessante am Künstler­dasein: sich immer wieder neu zu definieren und die Messlatte hochzusetzen.
 
»Generation Tschö« war direkt ein sehr gesellschaftskritischer Song. Wie schafft ihr es, bei solchen Songs den richtigen Ton zu treffen?
Abdi: Weil wir kein ADS haben – die Leute ringen doch um Aufmerksamkeit. Wir überlegen uns zweimal, was wir sagen. Ich könnte ja auch irgendeinen Scheiß labern, um Aufmerksamkeit zu generieren.
Celo: Wir haben uns zum Beispiel ­heute ­darüber unterhalten, dass jeder auf ­einmal über Shisha-Bars rappt. Wir haben noch nie darüber gerappt und verkörpern ­diesen Lifestyle auch nicht, in Shisha-Bars ­rumzuhängen und…
Abdi: …Augenbrauen zupfen.
Celo: Wir kommen aus einer anderen ­Schule. Wir färben uns nicht die Haare, um in die Disko zu kommen.
Abdi: Ich erinnere mich daran, dass ich ­früher komische Texte gerappt habe, um ­Aufmerksamkeit zu bekommen. Als ich sie dann hatte, hat sich mein ADS-Spiegel ­beruhigt – damit wuchs auch die ­Verantwortung. Und wenn ich ab und zu noch aus der Reihe tanze, zieht mir Celo den Stecker. Umgekehrt sag ich ihm: »Bleib mal in deiner Rolle, halt mal die Air Max 97 flach.«
 

 
Fühlt ihr euch gegenüber eurer ­Hörerschaft in der Verantwortung?
Celo: Na klar, das hat sich extrem ­verändert. Beim »Mietwagentape« habe ich einfach gemacht – ohne zu überlegen, ob eine dieser Zeilen das Leben eines Kindes verändern könnte.
Abdi: Wir haben das mittlerweile gut im Griff, weil wir schon ganz früh durch ­Resonanzen von Kids sensibilisiert wurden. Wenn jemand zu dir kommt und sagt, »Ich hab’ ­’Mietwagentape‘ gehört und deswegen zum ersten Mal Kokain konsumiert«, denkt man sich schon, »okay, krass, erzähl mir mehr davon«. Aber wir sind uns dieser moralischen Verantwortung sehr bewusst.
Celo: Im Endeffekt sind wir Sozial­pädagogen.
 
Zumindest für einen Teil eurer ­Hörerschaft.
Celo: Für dich jetzt vielleicht nicht, du weißt ja schon, wie man sich die Schuhe zubindet. Es gibt aber auch viele 14-, 15-Jährige, die unsere Musik hören. Ich mache meine Musik zwar nicht vorwiegend für die, aber ich muss das bedenken, wenn ich schreibe – und diese Verantwortung tragen.
 
Was war euch besonders wichtig bei diesem Album?
Celo: Dem Hörer den Stich zu verpassen. 16 Zeilen auf einen Beat zu schreiben ist ja nicht das schwerste.
Abdi: Gewisse Themen wie die »Siedlungspolitik« sind natürlich eine Herausforderung, weil ich davon einfach nicht so viel Plan habe. Dementsprechend kämpfe ich damit. Genau dasselbe bei »Neurolinguistische ­Programmierung« – wenn du mir jetzt sagen würdest, schreib’ über Fußball oder Kokain, dann könnte ich direkt loslegen. Bei den beiden angesprochenen Tracks ist das ein Ringen. Der Vorteil daran ist aber, dass ich etwas dazulerne und meinen Horizont erweitere.
 
Du bildest dich also autodidaktisch.
Abdi: Genau. Ich weiß zwar nicht, was das heißt, aber ich weiß, was du meinst.
 
Dass man sich etwas selbst beibringt oder aneignet.
Celo: Ja gut, das war bei uns im Rap seit ­jeher so. Wir haben ja bei keinem Groß­meister gelernt und uns tausend Skills ­angeeignet. Wir haben uns das selbst ­bei­gebracht. Dann hat uns Haft ­entdeckt, und wir sind unseren Film ­weitergefahren.
Abdi: Autodidaktisch.
Celo: Andere Gangsta-Rapper hängen erst mal eine Woche bei ’nem Koks-Checker ab, damit die wissen, wie das alles aussieht und funktioniert, um darüber rappen zu können. Praktikum. (lacht)
 

 
Wo du gerade erwähnst, dass manche Themen schwierig waren: Wie lange habt ihr effektiv am Album gearbeitet?
Celo: Eigentlich arbeiten wir seit der Fertigstellung von »HJ« an dem Album, aber wir sind einfach so freshe, coole Typen, die auch mit Konzerten und anderen Terminen beschäftigt waren – von unserem Privatleben mal ganz abgesehen. Wir haben in Frankfurt eine neue Infrastruktur geschaffen, indem wir ein Label gegründet und ­Künstler gesignt haben. Zuletzt haben wir sehr ­intensiv daran gearbeitet, dass »Ben Life« von Chaker ­erscheint. Es ist nicht so einfach, innerhalb von zwei oder drei Monaten selbst ein richtig krasses Album auf die Beine zu stellen. Das braucht seine Zeit. Es gab auch Phasen, in denen wir das Album beiseitegelegt haben.
Abdi: Aber es war klar, dass wir es jetzt nicht mehr verschieben. Es gibt ja auch andere Leute auf unserem Label, die releasen wollen.
Celo: Wir hätten auch früher releasen können…
Abdi: …aber dann wär’s vielleicht ein Scheißalbum geworden.
Celo: Wir haben jetzt aber einen gewissen Marktwert, eine Fanbase. Ich könnte ja auch irgendwas hinkacken und damit Geld machen. Und am Ende sag ich mir: »Beim nächsten Album mach ich’s besser.«
Abdi: Das ist aber einfach nicht unsere Herangehensweise an die Musik.
 
Ihr habt gerade schon über die Situation gesprochen, dass ihr Labelchefs seid. Ist das komisch, jetzt diese Plattform geschaffen zu haben, bei der ihr in der Hierarchie über jemandem wie ­Chaker steht, der schon seit vielen Jahren dabei ist?
Celo: Das ist gar nicht unser ­Gedankengang. Klar, wir sind erfolgreicher als er, aber er ist seit 15 Jahren im Business. Der saß vor zehn Jahren bei Universal und hat mit Neffi ­Espresso getrunken. Davor habe ich Respekt, und deswegen stelle ich mich nicht über ihn – selbst wenn ich vielleicht mehr ­verkauft habe. Wie erfolgreich jemand ist, ändert nichts an unserer Beziehung. Nach deiner Logik würde Olex jetzt in der ­Hierarchie über uns stehen.
 
Da müsste er erst mal ein Sublabel von 385i gründen. Vielleicht 64 Records.
Celo: Oder Bratans United. Solche Gedanken­gänge haben wir nicht, wir sehen das brüderlich – auch wenn sich das kitschig anhören mag. Dasselbe mit Haft und den anderen Jungs: Das sind die Brüdaz.
Abdi: Die wissen alle, dass ich der Baba bin. (lacht)
Celo: Jeder hat seine Rolle. Der eine schreibt geile Texte, der andere hat gute Ideen, der nächste schreibt gute E-Mails.
 
Wie hat sich euer Privatleben in den letzten Jahren verändert?
(Abdi klopft sich auf den Bauch)
Celo: Man sieht das ja, wenn man die älteren Videos wie »Franzaforta« oder »Meine Stadt« mit den neuen Sachen vergleicht. Wir haben ein bisschen zugelegt.
Abdi: Wir sind aber auch lockerer geworden und sind nicht mehr so viel auf Achse.
Celo: Früher mussten wir rumrennen, um Para zu machen. Beim Hustlen muss man schon ein paar Kilometer zurücklegen, da kommt man ins Schwitzen.
Abdi: Dieser Schockmoment, wenn du ­Bullen siehst, da gehen viele Kalorien drauf.
Celo: In diesem Straßenalltag bist du ­nervlich fast immer am Ende.
 
Wohnst du eigentlich immer noch bei deinen Eltern, Abdi?
Abdi: Jaja. Das wird sich vielleicht ändern, wenn ich heirate. Ich bin jetzt nicht der Typ, der eine Lebenspartnerschaft eingeht – oder wie auch immer das heißt. Ich möchte das gerne traditionell machen.
Celo: Das ist eben so in unserem ­Kulturkreis. Man bleibt bei den Eltern bis man heiratet und ab da kümmert man sich dann um seine Eltern.
Abdi: Ich weiß zum Glück auch, dass ich nicht der Typ bin, der alleine leben kann. Ich würde bei »Messie Alarm« landen. Ich bin ein ­Muttersöhnchen, und das ist auch gut so.
 
Celo, du wohnst aber alleine, oder?
Celo: Ich wohne mit meinem Vater ­zusammen, der ist allerdings häufig in der Heimat. So kommt es, dass ich oft länger Zeit alleine wohne. Dann kommt Abdi immer zu mir. ­Vorgestern ist mein Vater wieder nach ­Bosnien gefahren.
Abdi: Korrekt, dann kann man wieder ­einmarschieren. Wenn sein Vater da ist, kann ich mich nicht frei entfalten.
Celo: Oder eine Rakete vom Balkon ­abschießen.
Abdi: Haha, genau.
Celo: Wirklich schön ist es, wenn wir dort zusammensitzen und den Kopf frei haben, um an Texten zu feilen. Da spielt man sich die ­Bälle zu, nach dem Motto: »Mach du zwei ­Zeilen, dann mach ich wieder zwei.« Das macht wirklich Spaß. Aber man muss dafür Zeit haben, und die Vibes müssen stimmen.
 

 
Wann war eigentlich das erste Mal, dass ihr gemerkt habt, wie gut dieses Pässe zuspielen bei euch funktioniert?
Celo: (zu Abdi) Weißt du wo? Bei »Auf der Jagd« in der Hook.
Abdi: Jaaaa.
Celo: Das war das erste Mal, dass wir Tiki-Taka gespielt haben, genau über die Silben des anderen drüber. Der Track ist damals noch vor dem »Mietwagentape« 2010 erschienen. Das war eines unserer ersten Lieder nach »Wettskandal«. Da gab’s noch ein paar andere Tracks, die sind aber wieder verschwunden. Aber vielleicht tauchen die auch irgendwann mal wieder auf.
 
Letztes Jahr hat der ­französische MC RR ­Mahbool ein Video zu seinem Song »Brrruda« mit euch veröffentlicht. Wie sieht das eigentlich mit US-Features aus?
Celo: Letztens kam Mims an. Wir teilen uns das Studio hier ja mit Aslan, der auf »Mietwagentape« auch sechs oder sieben Lieder produziert hat. Wir saßen also zusammen und er fragte uns: »Kennt ihr noch Mims?« Ich meinte dann: »Dieser Typ von ‚This Is Very Hot’« (sic). (Gelächter) Daraufhin fragte er, ob wir ein Feature ­möchten. Er hat einen guten Draht zu einigen Amis aus L.A. und Chicago und ist auch cool mit den Bloods. Echt Mann, Ohne Scheiß! Bei uns hat ein Blood einen Monat lang mit im Studio gewohnt!
Abdi: Ich schwör’s dir! Mit Schusswunden und so. (zu Celo) Erzähl mal, als du mit dem aufm Nas-Konzert warst, Digger! Die haben alle Platz gemacht. Und da waren auch abgefuckte Leute.
Celo: Das ist ein älterer Kerl, John heißt der. Ein obercooler Typ aus Chicago. Mittlerweile ist er ­Personal Trainer und Ernährungsberater. Ich war also beim Nas-Konzert und dachte mir, ich schau mir das nicht von hinten, sondern aus nächster Nähe an. Wir sind also ins Publikum rein, vorne war richtiges Gedränge. Da standen schon ein paar abgewichste Amis, aber alles hibbedihop und so. Die haben diesen Typen gesehen, und auf einmal war die Gasse frei. Das war nicht wegen mir, da hat sich keiner gedacht: »Wer ist denn dieser abgefuckte Jugo da vorne?« Das war wegen Johns Aura (Gelächter) Der war auch ganz in rot gekleidet.
 

 
Hatte er ’ne Träne tätowiert?
Celo: Nein, das ist einer von den ­intellektuellen Bloods. (Gelächter) Die haben auch ihre Denker. Wir hingegen haben unseren Syn, und der hat auch kein 385i-Tattoo. Auf jeden Fall war Mims hier und wollte ein Feature haben. Wir haben einfach nur gesagt: »Zur Seite!« Auch, wenn er ein cooler Typ sein mag. Am Ende wollte er dann Aslan als Feature haben, weil das mit uns nicht geklappt hat.
Abdi: Aber Aslan hat gesagt: »Nein, ich bin zu Straße, Bruder.« (lacht)
Celo: Jetzt bin ich mal gespannt, auf ­welchem Track der landen wird. Vielleicht wird da noch irgendein deutscher Rapper ein Feature abgreifen. Aber »This Is Very Hot 2« (sic) ist nicht so unser Ding. [Fast zeitgleich tauchen auf Facebook Fotos von Kay One und Mims auf; Anm. d. Verf.]
 
Wo wir schon wir schon bei Ami-Features sind, müssen wir auch über deinen guten Freund Talib Kweli reden, Abdi.
Abdi: Mein Cousin. Zur Seite mit dem ­Hurensohn!
Celo: Ich sag’s dir so: Abgesehen ­davon, dass Kweli ein guter Rapper ist und ­musikalisch einiges erreicht hat, ist er menschlich ein kleiner Nuttensohn. ­(Gelächter) Abdi ist ganz höflich zu ihm ­hin­gegangen und hat gewartet, bis der sich zu Ende ­unterhalten hatte. Das war im Backstage-Bereich beim Touch The Air-Festival 2012, der nur für die Künstler zugänglich war. Und der hat sich da ­aufgeführt, als würde er den Backstage-Bereich vom ­Backstage-Bereich suchen.
Abdi: (macht Kweli mit ­verstellter Stimme nach) Yeah, I’ll check it out. (lacht)
Celo: Alchemist war da ganz anders: total herzlich.
Abdi: Den konnte man auch zutexten, hab‘ ich dann auch gemacht.
 
Wie kam es denn überhaupt zustande, dass ihr ­Alchemist getroffen habt?
Celo: Das ist eine andere ­Geschichte. Die meisten ­können sich das bestimmt ­denken. Er kannte zwei ­Videos von uns und meinte: »I know the track in the prison«, er meinte also ­»Besuchstag«. Und wir haben zuerst nicht gepeilt, was er meinte, als er von »the guy with the glasses« sprach. Dann meinte er »Zoo! Zoo! Frankfurt Zoo!« Das feiert er. Das muss man sich mal vorstellen: Der sitzt in L.A. und gibt sich Celo & Abdi. Ich bin mit seiner Musik ­aufgewachsen. Das ist, als ­würde einem ein Orden verliehen.
Abdi: Alchemist war cool, Alter. Da waren noch ein paar andere Jungs, die ich leider nicht kannte.
Celo: Evidence, der auch supercool drauf war, und Termanology. Der ist krasser Big-Pun-Fan, der hat sogar ein Tattoo von dem auf der Schulter. Abdi ­meinte zu ihm: »Ey, das ist doch Jack ­Sparrow!« Das hat ihm das Herz ­gebrochen.
Abdi: Er war gerade im ­Gespräch mit Azad, der meinte: »Ja, Big Pun, rest in peace.« Ich kam von der Toilette und hatte das Bedürfnis, auch was zum Gespräch ­beizu­steuern. Als ich sein Tattoo mit Jack Sparrow verglichen hab, hatte er keinen Bock mehr auf sein Leben. Der hat seinen Pulli angezogen und ist gegangen. Dann musste ich mich vor Azad rechtfertigen, nach dem Motto: »Aus dem Winkel sah’s wirklich aus wie Jack Sparrow!« Der meinte nur: »Ja, is’ gut, Abdi.«
Celo: Schön war, dass am Ende alle ­darüber gelacht haben.
Abdi: Außer Termanology! (Gelächter)
 
Jetzt müssen wir noch mal auf die ­Features auf »Akupunktur« ­zurück­kommen.
Abdi: Leider steht noch nicht alles. Sefyu ist beispielsweise ­abgesprungen, weil sein Vater im Senegal im Sterben liegt. Das war eigentlich sicher zugesagt, seit wir die Jungs damals kennengelernt haben. Es war ihm auch furchtbar unangenehm, aber wir hatten da vollstes Verständnis dafür, dass man in einer solchen Situation die Musik erst mal ruhen lassen möchte. Es gibt wichtigere Sachen im Leben.
Celo: Für mich wäre das ein Traum-­Feature gewesen. Ich feiere den seit seinen ersten Alben.
 
Trotzdem habt ihr auch ein paar andere Features, die in ­Erfüllung gegangene Kindheitsträume sind, wie der Track mit Azad.
Celo: Natürlich. Mit Azad sind wir ­aufgewachsen. Jeder Frankfurter hat früher Azad gehört. Aber mal abgesehen davon: Noch krasser ist, dass Azad sich extra hinsetzt und den Beat macht. Er kam hier mit seiner in ein Handtuch ­eingewickelten MPC an. Direkt am ersten Tag fand er ein geiles Sample, und wir hatten den Beat. Dann hat es aber mit der Technik nicht geklappt. Unser Soundmann war an dem Tag nicht da, also mussten wir bis zum nächsten Tag warten. Den Rest macht jetzt Sti, und wir warten gerade auf die E-Mail, damit wir ­anfangen können zu schreiben. Das wird wieder eine richtige ­Frankfurter Hymne. Nicht nur für Frankfurt, für ganz Europa.
Abdi: Bis zu Talib Kweli nach Hause.
 
Apropos Frankfurter Hymne: Celo, du hast gefühlt jedem ­Rapper aus Frankfurt auf dem »Chabos wissen…«-Remix einen Shoutout gegeben. Was war die Überlegung dahinter?
Celo: Frankfurt hat so viel für Rap getan, vor allem für Straßen-Rap. Viele dieser Leute sind so lange dabei, stehen aber nicht so im Fokus wie andere, bei denen ich keine Skills sehe. Das meiste von dem, was gerade populär ist, hat ­überhaupt keinen richtigen HipHop-Vibe. Deswegen dachte ich mir, ich grüße einfach mal alle – auch die, die bisher ­vielleicht nicht so gewürdigt wurden. Gregpipe hätte ich noch erwähnen ­können, der ist Abdis Nachbar.
 

 
Wie kam eigentlich der Kontakt zu Moritz Bleibtreu für den Videodreh zu »Nur noch 60 Sekunden« zustande?
Celo: Ein glücklicher Zufall. Ich bin ja jetzt seriöser Businessman und mache nichts Illegales mehr, also besitze ich auch ein Smartphone. Ich benutze darauf die Twitter-App. Eines Tages stand da »Moritz Bleibtreu favorisierte deinen Tweet«. Ich dachte mir zuerst: »Häh?« Aber der folgte mir wirklich. Dann haben wie ein paar Mal hin- und hergeschrieben. Als es dann an die Planung für’s Video ging, haben wir uns gesagt: Mehr als nein sagen kann er nicht. Aber er hatte Bock drauf.
 
Abschließende Frage: Was erwartet ihr euch von eurem Splash-Auftritt?
Celo: Ich lass’ das auf mich zukommen.
Abdi: Ich bin aufgeregt.
Celo: Ich auch, weil ich noch nie vor so vielen Menschen gerappt habe. Die ­meisten Rapper, die beim Splash ­auftreten, waren davor ja auch schon mal privat da. Ich war noch nie dort. Wir ­werden aber zeigen, was wir auf’m Kasten haben. Und ein paar Überraschungen haben wir sicherlich auch dabei. ◘
 

 
Foto: Tim Brüning
 
Dieses Interview ist erschienen in JUICE #159 (hier versandkostenfrei nachbestellen).
JUICE_159

 

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