»Auf meinem Zeugnis der zweiten Klasse hat die Lehrerin geschrieben, dass mein Jargon zu viel dem der Ärzte entspricht. Ich habe halt oft »Arschloch« gesagt.« // DCVDNS im Interview

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DCVDNS

Es war so naheliegend. Aber trotzdem ist keiner darauf gekommen. Alle waren sie viel zu sehr mit dem Pullunder, der Brille und dem kryptischen Künstlernamen beschäftigt. Und wenn am 20. September »D.W.I.S« erscheint, dürfte endgültig klar sein, dass es sich bei dem Vorgänger »Brille« mitnichten um eine Persiflage auf VBT, HDF und Konsorten, sondern vielmehr um ein trojanisches Pferd, eine von langer Hand geplante Kriegslist, gehandelt hat. »D.W.I.S«, das steht als Abkürzung für »Der Wolf im Schafspelz« und zeigt, dass es Rap jetzt auch auf Deutsch gibt. DCVDNS bringt saarländischen Realtalk straight outta St. Ingbert, produziert von Wolfgang H aka Dub-Gang. Auf der Platte befinden sich ein ­Feature mit Celo & Abdi, Vocal-Cuts von Kool Keith, eine Hommage an Bone Thugs-N-Harmony und, ganz wichtig, »kein einziger Drecksvergleich oder peinlicher Hashtag-Reim«. Zeit für ein paar Fragen.

»Ich brauch dir meine Kunst nicht zu ­erklären«, heißt es auf »Atelier«. Was ­machen wir dann hier?
Wir sprechen über die Kunst, aber erklären muss ich sie ja nicht.

Hast du nach dem letzten Album das Gefühl gehabt, dass die Leute so eine Erklärung eingefordert haben?
Die Hauptintention hinter dem Track war ­eigentlich, dass ich die Leute schon nörgeln hören konnte: »Mach mal wieder so wie früher, das letzte Album war viel besser.« Ich wollte direkt damit abschließen und klarmachen: Es ist egal, was ihr wollt. Das ist mein Bild.

Du sagst in dem Song ja auch, dass du manchmal einen Pinselstrich ziehst, ohne zu wissen, was er bedeutet. Wann hast du denn den ersten Pinselstrich für das Projekt DCVDNS gezogen?
Alle Alben sollen am Ende ja ein ­zusammenhängendes Projekt bilden – und der Anfang vom Bild ist quasi das erste, was ich veröffentlicht habe. Der Unterschied zu einem Werk von Picasso ist nur, dass die Leute bei der Entstehung dabei sein können. Stell dir mal vor, um den hätten tausende von Leuten gestanden und gesagt: »Vorhin war das Bild cooler, radier diese Linie noch mal weg!« Der hätte auch direkt eine Cypher gebildet und ­angefangen, alle zu battlen.

Wann hast du denn gemerkt, dass das mit der Musik was werden könnte?
Als ich merkte, dass ich damit Geld ­verdienen kann. Ich habe ja davor auch noch eine Ausbildung gemacht. Als ­Zahnarzt. Und als ich da rausgeflogen
bin, fingen die Scheine gerade an zu fließen.

Warst du früher in der Schule auch schon so?
Auf meinem Zeugnis der zweiten Klasse hat die Lehrerin geschrieben, dass mein Jargon zu viel dem der Ärzte entspricht. Ich habe halt oft »Arschloch« gesagt.

Und jetzt bist du »Der Wolf im Schafspelz«.
Auf meinem ersten Album war ich ja auch schon der Wolf im Schafspelz, da habe ich es aber nur noch nicht zugegeben, sondern mich mit meinen versteckten Waffen in die Szene geschlichen. Jetzt kann ich das zugeben und die Waffe hinterm Rücken hervorholen, um zu schießen.

Auf dem Album mokierst du dich auch über »Drecksvergleiche« und »peinliche Hashtag-Reime«. Technisch bist du ja ein sehr guter Rapper. Wie beurteilst du das Niveau von deutschem Rap?
Style ist mir wichtiger als Technik. ­Schnelles Rappen kann mich auch gar nicht beeindrucken. Für mich muss das cool geflowt und gut gestylet sein. Man kann langsam cool sein oder schnell. Ich habe auch mal gelesen, schnell zu rappen wäre viel einfacher als langsam. Aber ­gerade in Deutschland gibt es sehr wenige, die cool schnell rappen.

Du sagst auch: »HipHop hat nichts mehr mit Subkultur zu tun.« Woran liegt das, deiner Meinung nach?
HipHop ist mittlerweile Mainstream. Man merkt das auch am Publikum auf ­Konzerten. Früher war das alles mehr eine Szene. Heute sind alle Styles vermischt und man erkennt coole Leute nicht mehr. Die 14-Jährigen zucken mit den Schultern, wenn man fragt, wer Nate Dogg ist. Das nervt mich.

»Wisst ihr noch« ist für mich einer der ­realsten Tracks, die ich seit langer Zeit gehört habe. Gesetzt den Fall, dass das auch alles so passiert …
(bestimmt) … ist es. Ganz genau so.

Bist du eigentlich vorbestraft?
Ich habe mal 90 Tagessätze bekommen. Vorbestraft ist man, glaube ich, erst ab 100. Frag meinen Anwalt …

Mit Celo & Abdi hast du ein eher ­ungewöhnliches Feature auf dem Album.
Es gibt sicher viele meiner Hörer, die sich darüber aufregen werden. Aber ich will den Leuten zeigen, dass ich nicht das mache, was die wollen. Das sind doch Fans von mir. Ich sag denen, was ich cool finde und nicht umgekehrt. Das ist meine Musik. Wenn es euch nicht passt, macht selber was.

Im Gegensatz zu »Frankfurter Zoo« mit Celo & Abdi ist »Wisst ihr noch« also echt. Was sagst du denn zu Leuten, die aber beides als Ironie abstempeln?
Das sind dann Leute, die unter das »Kein Gee«-Video schreiben: »Das ist ja gar nicht lustig.« Das soll es ja auch gar nicht sein.

Aber kannst du nicht nachvollziehen, dass Leute es vielleicht lustig finden, wenn ein Typ im blauen Bademantel von Lacoste vor einer heruntergekommenen Hütte steht und auf einen Beat, der stark an Westside Connection erinnert, »Ich wäre gerne kein Gee« singt?
Wenn die wenigstens kapieren ­würden, dass der Beat genauso auf einem ­Westside-Connection-Album sein könnte. Die denken wahrscheinlich sogar, auch der Beat wäre lustig gemeint.

Und wenn Leute das lustig finden: Was sagt das über sie aus?
Man kann das ja gerne lustig finden, aber viele schreiben ja »Das ist irgendwie nicht lustig« und damit meinen die, es wäre schlecht. Die denken, alles was ich mache, soll lustig sein. Ich könnte das alles auch erklären, will ich aber nicht.

Aber es gibt doch sicher Realkeeper, die sagen: So einer kann doch in einem Track wie »Eigentlich sollte Nate Dogg die Hook singen« nicht aus seinem 40.000-Seelen-Städtchen St. Ingbert Shout-outs nach Long Beach, California geben.
Warum? Also falls Leute das denken sollten, nehme ich das natürlich wieder vom Album. Das war keine Absicht. Ich werde das nicht wieder tun.

Meinst du, der Hörer wird die Bone-Thugs-N-Harmony-Hommage im Titelsong »D.W.I.S« checken?
Ich würde das gar nicht Hommage nennen. Wobei, durch die Hook ist es schon so eine Art Hommage. Ich wollte halt auch so einen Beat im 60-BPM-Bereich haben und die eigentliche Hook war nicht cool. Also habe ich gedacht, ich lass die mal von meinem Anwalt Hermann Weiss genauso singen. Das alte Album war ja voll davon. (lacht) Da gab es Run DMC, Notorious B.I.G, Frauenarzt und eine Kool-Savas-Anlehnung. Das war aber auch nicht so geplant, das fiel mir irgendwie im Nachhinein erst richtig auf. Der Song ist aber auch der älteste und schlechteste auf dem ganzen Album.

Aber »Warum« klingt für mich dann auch nach einer astreinen Verbeugung vor dem Kool-Savas-Klassiker »Wieso«.
Warum? Der sagt doch »Wieso«, das ist was ganz anderes als »Warum«.

Außerdem hast du Kool Keith für eine Hook gesamplet.
Die Hook ist für mich hitverdächtig und hat perfekt auf den Beat gepasst. Das sollte so ein bisschen chillig sein und hat sich ­einfach mehr angeboten, als selbst eine Hook zu schreiben. Außerdem war es weniger Arbeit, und darum geht es bei einem Album: so wenig Arbeit wie möglich.

Ist das aber nicht hintenrum doch auch für eine kleine Gruppe von Kennern gedacht?
Ich weiß nicht. Genetikk machen das eher so. Da freuen sich dann auch Leute, die früher Beginner gehört haben, auch wenn ich das nicht beurteilen kann. Bei Kool Keith hat das einen anderen Grund.

Und der wäre?
Es hat keinen Grund.

Du rappst: »Ich bin die kleinste Blamage, die es im Rapbereich gibt/Dass es so wenige kapieren, ist der beste Beweis für mich.« Hat Deutschrap Humor?
Zumindest versuchen auf einmal viele, witzig zu sein.

Was ist denn zum Beispiel mit MC Fitti?
Auch wenn ich den Typen nicht kenne, merke ich, dass er Plan hat und kein Idiot ist. Bei ihm sind das Marketing und das Design auch sehr wichtig und durchdacht.

Und was ist mit Money Boy?
Mittlerweile macht er Sachen, die ich witzig finde. Aber auch nicht alles.

Hast du dir auch mal überlegt, das komplett durchzuziehen?
Wie gesagt, das ist alles eh weniger Rolle, als die Leute denken. Ich bin im privaten Leben mehr eine Rolle als bei DCVDNS. Wenn man sich bei McDonald’s einen Cheeseburger bestellen will, dann ist man natürlich freundlich, damit sie einem nicht auf den Burger spucken. Und als DCVDNS kann ich genau so sein, wie ich will. Eigentlich bin ich ein Arschloch. (lacht nicht)

Wie würdest du »D.W.I.S« im Vergleich zu »Brille« musikalisch einordnen?
Es ist Gangsta-Rap.

Wie zufrieden bist du eigentlich mit der gefaketen Erschießungsszene während deines Splash!-Auftritts?
Geht so. Das Ding ist, dass die Gasknarre nicht richtig funktionierte. Auf der Bühne hatten wir also eine 50:50-Chance. Ich habe dann sechs-, siebenmal abgedrückt und sie ging natürlich nicht los. Also hab ich wenigstens probiert, es noch für das Video zu retten und hab nachträglich Schüsse eingebaut. Aber man kann ja eh machen, was man will – die eine Hälfte glaubt es, die andere nicht. (lacht)

Wie stehst du eigentlich dazu, wenn ­Interviewer dich auf Altlasten wie die Tastatur-Legende mit deinem Namen, den roten Pullunder oder die Brille ansprechen? Nervt das irgendwann?
Also das mit der Tastatur ist natürlich Quatsch. DCVDNS sind meine Initialen. Das steht für Dominik Christoph von der Nordsee.

Na gut, Herr von der Nordsee, wie war das eigentlich, bei Stefan Raab zu Gast zu sein?
Vor der Show hat er mir nur kurz die Hand gegeben und dann habe ich ihn das nächste Mal in der Sendung auf der Couch gesehen. Aber da wusste ich bereits, dass er es ganz gut findet. An diesem Tag wurden zwei Shows gedreht. Und die erste konnten wir uns live auf dem Fernseher im Backstage ansehen. Und da meinte er am Schluss der Sendung schon zu Elton, ob er DCVDNS kennt, der wäre ziemlich witzig. Da war ich erleichtert. Er befasst sich ja sonst nicht so wirklich mit seinen Gästen und wenn er gewollt hätte, hätte er mich da ja bloßstellen können. Nach der Show ist er auch noch zu mir gekommen und wir haben zehn Minuten gequatscht. Das war mir auch das Wichtigste: dass er das cool findet.

Ist das etwas, das du dir auch in Zukunft ­vorstellen könntest? Fernsehen? Shows? Auch mal ohne Musik auftreten?
Klar, das gab’s ja auch schon. Wenn es ­irgendwann mal eine eigene Show gibt oder das alles mehr in die Schauspielrichtung geht, wäre mir das im positiven Sinne egal. Das würde ich also machen.

Als wir das erste Mal miteinander ­gesprochen haben, hatte man den Eindruck, du switchst noch ein bisschen zwischen den Rollen. Jetzt sitzen wir hier und reden um einiges distanzierter über DCVDNS.
Für mich ist das alles weniger Rolle als für die anderen. Wenn ich sage, dass mir Auftritte egal sind und sie mir weder Spaß noch schlechte Laune bereiten, dann ist das so. Ich habe dann auch keine Lust, das jemandem im Interview zu erklären. Das sage ich ja auch in »Atelier«. ­Picasso hat auch niemand gefragt, warum er das und das so gemalt hat. Die Leute ­interpretieren es selbst. Wenn man sich erklärt, wird es ja auch langweilig. Ich fühle mich auch nicht wohl, wenn ich zu viel von mir preisgebe. Ich antworte so, wie ich mich wohlfühle.

Text: Jan Wehn
Foto: Max Winter

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