Kaytranada – The MonTrillest // Future Beats (Pt. I)

-

Kaytranada-Bastian-Wienecke
Dass alles mit dem Beat begann, ist kein großes Geheimnis. Nichtsdestotrotz fris­teten die Jungs hinter den Samplern lange Zeit ein Dasein im Schatten des Reims. Aber Zeiten ändern sich: Protagonisten wie J Dilla, Madlib, Flying Lotus oder Hudson Mohawke haben das Standing des Beatmakers im Laufe der vergangenen anderthalb Dekaden radikal verändert. Quer über den Globus verteilt sitzen die musikalischen Nachfahren dieser Beat-Koryphäen mittlerweile am Rechner, speisen Samples durch Software und widmen sich vorwiegend dem unteren Frequenzspektrum. Höchste Zeit also, mit unserer sechsteiligen Serie »Future Beats« und einer eigens kuratierten Playlist einen Blick auf einige der jungen Beat-Pioniere zu werfen, die das Schlachtfeld Soundcloud derzeit dominieren. First up: Montreals begehrtester Beat-Exporteur, Kaytranada.
 

 
Im aktuellen Beat-Game nimmt Kevin Celestin eine absolute Ausnahmeposition ein. Mit seinem eigensinnigen Uptempo-Sound hat sich der Anfangzwanziger aus Montreal, Kanada, in den letzten Jahren wie kein Zweiter auf dem Schlachtfeld Soundcloud behauptet. Dieser Tage darf Kaytranada gar mit einer Audienz bei Rick Rubin prahlen und einen eigenen Radio-Slot beim britischen Rundfunk bespielen. Let’s take a look back.
 
Wie bei so vielen seiner Mitstreiter, beginnt auch bei Kaytranada alles mit Fruity Loops. Er sei nicht so der gesprächige Typ, betont Kevin immer wieder in Interviews. Also verkriecht er sich als Jugendlicher gerne hinter dem Bildschirm, um seine Gedanken zu verarbeiten, und eifert mit der erschwinglichen Software seinen großen Idolen nach. Neben einer Handvoll R’n’B- und HipHop-Classics scheinen es ihm damals vor allem eigensinnige Produzenten à la J Dilla und Madlib angetan zu haben, die nicht nur selbst auf ihre Produktionen rappen, sondern Beats auch gänzlich ohne Vocals raushauen. Also schließt Kevin daran an. Anfangs noch unter dem Alias Kaytradamus, releast er via Bandcamp eine Handvoll Beat-Tapes, in denen er zwar mit jeder Menge Samples spielt, dabei aber schon seinen eigenen, eingängigen Umgang fernab von klassisch holprigem Bummtschack findet. Scheu zeigt Kaytranada weder vor trappigen, noch vor housigen Vier-zum-Flur-Drums. Auch seine Neigung zu souligen Synth-Lines und Uptempo-Grooves offenbart sich bereits auf den ersten Releases.
 
Der Streich, der Kaytranada jedoch im wahrsten Sinne des Wortes über Nacht zur großen Nummer in den Clubs dieser Welt macht, ist mehr glücklicher Zufall denn geplantes Takeover. Nach einem Flying-Lotus-Gig sitzt der Produzent voller Euphorie vor dem Rechner und experimentiert mit einem gescrewten Janet-Jackson-Acapella. Als er den fertigen Track in derselben Nacht aus Jux und Tollerei hochpitcht, offenbart sich ein neuer Sound. Und als Kaytra am nächsten Tag aufsteht, hat er auf Soundcloud einen (gar nicht so) kleinen Hit. Als Folge von »If« erscheinen eine ganze Reihe Remixe, die in kürzester Zeit zu Musik gewordenen »Du kommst aus dem Gefängnis frei«-Karten für jeden DJ werden. Dabei arbeitet sich Kaytra durch diverse Disco- und R’n’B-Hits und entwickelt ganz nebenbei einen Signature-Sound, in dem Synth-Funk-Basslines in Achtziger-Ästhetik den Ton angeben. Wohlgemerkt als Sklave der Kickdrum, die Kaytras Beats im unteren 100-bpm-Bereich mit Hilfe des Sidechaining ordentlich zum Pumpen bringt.
 
Kaytras Basslines finden schließlich auch bei dem wohlsortierten Label Jakarta Records Gehör, das vor zwei Jahren die EP »Kaytra Todo« rausbringt. Ein Release, das Kaytranadas vielseitigen Umgang mit Samples zeigt und seiner ganzen Beat-Peergroup gehörig Aufmerksamkeit verschafft, wie Kollege Mr. Carmack erzählt. Mittlerweile hat Kaytranada seinen Sound auch bei dem britischen Indie-Riesen XL Recordings geparkt. Die Singles »Leave Me Alone« mit Sängerin Shay Lia und »Drive Me Crazy« mit Kanyes jüngstem Protegé Vic Mensa zeigen bereits, was ein anstehendes Album unterstreichen dürfte: Zwischen Uptempo-Neo-Soul und melodischem Trap zieht man in der Beat-Welt von Kaytranada keine Grenzen – solange die Drums ordentlich swingen und die Bassline am rechten Fleck sitzt.
 
Illustration: Bastian Wienecke
 
Dieses Feature ist erschienen in JUICE #166 (hier versandkostenfrei nachbestellen)
JUICE-COVER-166-3

 

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein