»If you’re reading this …« – 15 Lieblingsbücher über HipHop // Liste

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Thomas Weirich

»If you’re reading this, …« – Mit seinem Mixtape meinte Drake zwar kein Buch, doch die Wissenserweiterung in Schriftform ist neben der Suche nach dem Turn-Up, dem nächsten Sample oder dem nächsten Spot auch unter HipHoppern eine akzeptable Freizeitbeschäftigung. Wenn also der Release-freitag mal wieder nicht das erhoffte Audio-Glück beschert oder Homie seine Facts nicht geradebekommt, gibt es jetzt diese Liste über 15 Lieblingsbücher von, für und mit HipHop. »Read more, learn more, change the globe«.

Odem: On The Run – Eine Jugend in der Graffiti-Szene (1997)
Jürgen Deppe & Odem
(Schwarzkopf & Schwarzkopf)

Geht es um wichtige und einflussreiche Graffiti-Bücher, wird neben frühen Standardwerken wie »Subway Art« von 1984 oder »Spraycan Art« von 1987, in denen es schwerpunktmäßig um die Fotodokumentation der kulturellen Anfänge sowie des damaligen Status quo geht, immer auch ein Buch genannt: »Odem: On The Run«. Und auch darin wird dokumentiert, allerdings nicht mit umfassendem Bildmaterial (obwohl das Buch auch 16 Farbseiten mit Fotos des künstlerischen Schaffens von Odem enthält), sondern in Form einer Verschriftlichung von Odems Werken und Wirken, durch einen eindrucksvollen und einfühlsamen Blick auf und in sein Leben. Odem, vor zwei Jahren leider tragisch verstorben, galt als einer der wichtigsten und einflussreichsten Style Writer Deutschlands und Europas, war Teil der legendären SOS-Crew, zu der auch Amok, Shek und Phos gehörten. In »Odem: On The Run« wird Odems Leben erzählt – von den Anfängen als faszinierter Toy bis hin zu seinem mühevoll erarbeiteten Status als King der Szene – sowie einer letztlichen Entfremdung im Zuge einer krisenbehafteten Lebenssinnsuche jenseits von Tags und Pieces. Der Journalist Jürgen Deppe hat sich von Odem sein gesamtes Leben (bis Mitte der Nullerjahre) erzählen lassen und es auf 352 Seiten niedergeschrieben: authentisch, nahbar, fesselnd. Man versteht Odems Beweggründe, seine Faszination für Styles, sein Streben nach Fame und sein Verlangen nach Action – aber auch seine Ängste, seine Verbitterung und seine Wut. Denn klar, »Odem: On The Run« ist ein Buch über einen Graffiti-Writer, aber es ist mehr als nur ein Buch über Graffiti. Es zeichnet das Bild eines resignierten Jugendlichen, der im Writing einen, zumindest temporären, Ausweg aus seiner vermeintlich sinnlosen Existenz findet und sein Leben mit jeder Pore seiner Leidenschaft opfert; ein Grundgefühl, das sicher viele Jugendliche kennen, das die meisten sich aber nicht trauen, in dieser unerbittlichen Konsequenz auszuleben. Aber es ist eben auch ein Buch, das einem die Berliner Graffiti- und HipHop-Szene Ende der Achtziger-, Anfang der Neunzigerjahre näherbringt – und somit ein Stück aufgeschriebene Kulturgeschichte.

Text: Daniel Schieferdecker

Egotrip’s Book Of Rap Lists (1999)

Sacha Jenkins, Elliot Wilson, Chairman Mao, Gabriel Alvarez & Brent Rollins
(St. Martin’s Griffin)

Musikfans lieben Listen. Das wissen Chabos seit Nick Hornbys Plattensammler-Lovestory »High Fidelity« und allerspätestens dank dem Lis­tenwahn der Kollegen bei Complex (»The 35 corniest rap beefs«, alles klar). Gerade unter der HipHop-Jüngerschaft, die mit Verkaufszahlen und Silben pro Sekunde nur so um sich wirft, gilt seit jeher die Faustregel: Numbers don’t lie. Das sieht man schon an der Obsession, mit der Fans Streaming- und Klickmillionen ihrer Lieblingsrapper in Foren, Kommentarspalten und Sprachmemos miteinander vergleichen, als wäre HipHop eine gottverdammte Fußballliga. Günstig, wenn man da ein Buch zur Hand hat! Mit »Egotrip’s Book Of Rap Lists« erschien 1999 das Standardwerk für Rap-Statistikliebhaber, was so manchen Auskennerstammtisch zwischen dem MV und der Grembranx zerschlagen haben wird. Essenzielle Fragen werden hier nämlich historisch korrekt, unbedingt detailverliebt und aber auch immer humoristisch beantwortet: Wer war der erste Rapper mit einem Plattenvetrag? Kurtis Blow. Wie viel Geld nahm Death Row Records während seiner Hochphase in den Neunzigern ein? 125 Millionen Dollar. Die schlimmste Rock-Rap-Kollab? »Radio Song« von R.E.M und KRS-One zum Beispiel. Doch auch waschechtes Liebhabertum durchzieht die Seiten, wenn etwa die beliebtesten Stripclubs von ATL, die größten Modereferenzen im Rap oder die »Cash Money Records Rules« aufgelistet werden (»No benz on 1st album«). Das hier ist Unterhaltung, Bildung und ein extrem sinnloser Zeitvertreib auf 350 kompakten Seiten – geballtes Wissen, das die Welt nicht braucht und doch mehr als verdient hat. Natürlich kann man das alles heute bequem zusammengoogeln oder bei Genius.com nachlesen. So mutet es zwanzig Jahre später auch etwas antiquiert an, dass KRS One hier als bester Rapper aller Zeiten gelistet wird oder direkt auf der ersten Seite die vier wichtigsten Einflüsse von Lauryn Hill (!?) aufgezählt werden – mit der Begründung, sie sei die »Queen Of HipHop«. Doch darum geht es hier nicht. Denn »Egotrip’s Book Of Rap Lists« ist trotz seiner mangelnden Aktualität auch 2019 noch ein Nachschlagewerk für Angeberspezialwissen und Totschlagargumente, wenn Homie mal wieder nicht einsehen will, dass Method Man und nicht ODB das Wu-Tang-Mitglied mit den meisten Alter-Egos ist. Das einzig wahre Rap-Lexikon. Punkt.

Text: Fionn Birr

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