KeKe: »Ich mag es, humble zu sein« // Feature

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»Sie kam aus dem Nichts« oder »plötzlich war sie da« – in KeKes Fall sind solche Floskeln angebracht. Obwohl sie bis dato nur vier Songs releast hat, gilt die Österreicherin als große Hoffnung.

Mitten in den Jahrhundertsommer 2018 kracht KeKe mit ihrem Song »Donna Selvaggia«. Der Titel bezieht sich auf einen gleichnamigen Song des italienischen Cantautores Lucio Battisti und bedeutet übersetzt »wilde Frau«. KeKe trägt den Tracknamen als eine Art Slogan, tätowiert auf ihren Arminnenseiten. Doch nicht nur solche Details erregen Aufsehen: Die Videoproduktionen sind hochwertig, der Sound professionell ausproduziert. Ein Blick in die Youtube-Infobox verrät, was einer Newcomerin, die scheinbar gerade erst auf dem Rap-Radar aufgetaucht ist, so viel Hochglanz ermöglicht: KeKe, die bürgerlich Kiara Hollatko heißt, steht beim Universal-Sublabel Mom I Made It unter Vertrag.

Doch wo ein Major-Signing, da ist auch der Sellout-Vorwurf nicht weit. Gerade als Frau, die schier aus dem Nichts auftauchte, muss KeKe sich anhören, sie sei eine »Industry Plant« und ihr Rap nur wenig authentisch. »Ich bin nicht mit Aggro Berlin und diesen Sachen aufgewachsen, aber muss ich ja auch nicht. Ich möchte sowieso mein eigenes Ding machen«, entgegnet sie auf die Frage nach solchen Vorwürfen. Wer die Suchmaschine anwirft, findet jedenfalls keine alten, schlecht gemischten Tapes oder verpixelten Videos. Die 24-Jährige hat tatsächlich erst 2018 mit dem Rappen angefangen und macht das dafür unheimlich souverän. Ihre ersten Gehversuche der Booth seien ein spontaner Versuch bei einer Studio-Session mit ihrem guten Freund und Hauptproduzenten Shawn The Savage Kid gewesen, erinnert sie sich. Seitdem lautet ihre Devise: »Why not?«

»Ich könnte morgen sterben, deshalb möchte ich mich nicht mehr für das entschuldigen, was ich bin«

Auch ohne klassische Rap-Sozialisation ist KeKe von klein auf musikbegeistert. Sei es als Emo-Girl, das in jungen Jahren Bands wie Panic! At The Disco anhimmelte, als Teilnehmerin beim Kiddy Contest, wo sie Songs von Tokio Hotel performte, oder später in ihrer Band The Common Blue, mit der sie bis vor kurzem regelmäßig tourte. All diese Erfahrungen münden in ein Jazz-Studium. Dort erhält sie zwar eine Gesangsausbildung, entschließt sich dann aber dennoch zum Abbruch, »weil es mir die eigene Note wegnahm«. Der Musikkarriere und dem Hype um ihre Person zum Trotz arbeitet KeKe parallel als Betreuerin für Menschen mit Behinderungen. Nicht nur aus ethischen oder finanziellen Aspekten, sondern auch, weil es sie erdet: »Ich mag es, humble zu sein«, erklärt sie.

Das zeigt sich auch in ihrem offenen Umgang mit Panikattacken, Essstörungen und Depressionen – ein weiterer Bruch mit dem klassischen, von Gefühlskälte und plumpem Machismo durchzogenen Rapper-Image. Deshalb aufkommende Vorwürfe verarbeitet KeKe einfach zu Tracks. Auf »Paradox« nimmt sie ihre Kritiker*innen aufs Korn: »Was bildet sie sich ein, wenn ihr alles viel zu viel ist, sie in Wahrheit viel zu lieb ist?« und »mach nicht auf hart, wenn du eigentlich weißt, dass du schon seit paar Jahren im Arsch bist«. Sie erklärt: »Ich könnte morgen sterben, deshalb möchte ich mich nicht mehr für das entschuldigen, was ich bin.« Vielleicht ist ja KeKe die Rapperin, die Rap wieder weich machen kann.

Text: Miriam Davoudvandi
Foto: Lousy Auber

Dieses Feature erschien in JUICE 193. Aktuelle und ältere Ausgaben könnt ihr versandkostenfrei im Onlineshop bestellen.

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