Fatoni: »Deine Facebook-Timeline ist auch eine Rolle.«

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Fatoni

Bei Fatoni läuft alles ein bisschen anders. Wer hätte vor zehn Jahren schon gedacht, dass die eine Hälfte von Creme Fresh sich mal zum Fackelträger des guten Tons in Deutschrap­hausen mausert? An der Seite von Chefinterviewverweigerer Edgar Wasser und Teilzeit-Battlehost Juse Ju spielte sich der Schauspieler-Turned-Rapper in den letzten Jahren geradewegs aus Monaco di Bavaria in die Herzen der Freunde des geflügelten Wortes. Ein paar Solo-EPs später will er sich und uns nun beweisen, dass es auch langfristig allein geht. Nun gut, nicht ganz allein. Immerhin stellt Sampling-Institution Dexter die musikalische Untermalung für das Großkunstwerk, zu dem man mit »Yo, Picasso« angesetzt hat. Darauf kriegen nicht nur namenlose Wack-MCs ihr Fett weg, sondern gleich die ganze ignorante Menschheit – zumindest die unterbelichteten Ecken Dunkeldeutschlands. Battlerap anno 2015 eben.

 
Wenn du der Benjamin Button des Rap bist – Anfang zwanzig wack und nun immer besser –, ist Creme Fresh dann deine Rentnersünde?
Fatoni: Naja, den Song »Back« finde ich immer noch geil und auch hinter ein paar anderen kann ich stehen. Aber vieles gebe ich mir heute einfach nicht mehr. Sich ernsthaft für etwas zu schämen, hat ja keinen Sinn. Aber die früheren Sachen haben noch einen sehr anderen Swag als das, was ich heute machen will. Insofern bin ich glücklich mit der Entwicklung.

Wie wird man denn mit dem Alter ­jugendlicher?
Fatoni: Darum ging es eigentlich nicht, aber jetzt wo du’s sagst. (überlegt) Naja, vielleicht bin ich nur ein bisschen cooler geworden. Die Arbeit mit einer Crew oder einer Band war halt immer auch ein Kompromiss.

Nun eine Platte allein zu schreiben war also eine große Umstellung?
Fatoni: Schon. Gefühlt ist »Yo, Picasso« mein erstes Soloalbum. »Solange früher alles besser war« war eher ein Mixtape mit vielen Features, ich hatte oft nur eine Strophe. Das klingt so simpel, aber ich musste auf einmal ganze Songs schreiben. Jahrelang habe ich zu einem Thema eine Strophe geschrieben, mittlerweile bekomme ich nicht nur eine zweite, sondern sogar eine dritte hin.

Zumindest warst du musikalisch nicht allein, Dexter hat die ganze Platte produziert. Seit wann sitzt ihr an dem Projekt?
Dexter: Schon ein ganzes Weilchen. Vor etwa drei Jahren haben wir angefangen. Das Ganze lief dann in Schüben ab. Auch wenn sich der Pressetext so liest, als hätten wir drei Jahre lang im Studio gesessen. (lacht)

Es ist natürlich lächerlich, sich mit dem größten bildenden Künstler der Moderne zu vergleichen, aber irgendwie auch geil. – Fatoni

Aber ihr kennt euch schon wesentlich länger, nehme ich an.
Dexter: Persönlich haben wir uns vor ungefähr acht Jahren in Beilstein kennengelernt – dem Ort, in dem meine Eltern wohnen. Da haben so Dudes eine Jam im Jugendhaus veranstaltet. Und da wurden neben mir auch Creme Fresh gebucht.
Fatoni: Auf meinem ersten Soloalbum waren dann auch einige Dexter-Beats, und eigentlich wollten wir direkt an einer EP arbeiten. Aber ich habe einfach so viele andere Tracks gemacht.
Dexter: Und ich hatte nicht so viel Ausschussware. (lacht)
Fatoni: Der macht jetzt Witze, aber neulich, beim Warm-Up für die Tour mit Weekend und 3Plusss, spielte ich einen Albumtrack, woraufhin einer der anwesenden Rapper sagte: »Joah, den Beat hatte ich auch mal zur Auswahl.« Der Hund hat mir nur random Shit verkauft!

Aus welcher Phase stammen denn die Beats auf der Platte?
Dexter: Das ist echt durchmischt. Einige sind vier Jahre alt, andere zwei Monate.
Fatoni: Es gab teilweise auch Post-Produktions-Sessions, da musste ich plötzlich mit neuen Versionen leben.
Dexter: Ich mache oft nur Skizzen, Loops oder so, und erst wenn klar ist, was mit dem Beat passiert, setze ich mich ans ­Arrangement, spiele was dazu oder tausche die Drums aus.
Fatoni: Das war aber auch mega wichtig und geil. Teilweise habe ich da irgendwelches Material hingeschickt, und das kam gepimpt als Song zurück – so wie bei Xzibit mit den Autos.

 
Dexter, nach »Weihnachten im Elfenbeinturm« mit Morlockk Dilemma ist »Yo, ­Picasso« das einzige Album, das du komplett für einen Rapper produziert hast, richtig?
Dexter: Na ja, es gab noch eins mit Maniac, bei dem ich aber auch selbst gerappt habe. Und die Zusammenarbeit mit Dilemma war etwas stressiger als mit Fatoni. (lacht) Dilemma hat eine ganz krasse Vorstellung davon, wie was klingen soll. Fatoni war dagegen etwas genügsamer und hat recht viele Vorschläge zugelassen. Wobei Toni sich auch bei den Aufnahmen schon viele Gedanken gemacht hat, gerade zum Arrangement. Andere Rapper schicken dir drei Spuren, und du darfst dir alles aus den Fingern ziehen.

Ihr seid dann direkt bei »richtiger Kunst« gelandet, glaubt man dem Albumtitel.
Fatoni: Genau, unser Cover ist an das gleichnamige Bild von Picasso angelehnt, ein Selbstporträt, das er mit 19 gemalt hat. Wenn ich mich nicht irre, war es das erste Bild, das er mit seiner Signatur versehen hat. »Yo, Picasso« heißt auf Deutsch »Ich, Picasso«, und da kann man jetzt Parallelen ziehen, wenn man will: Picasso hat ungefähr mit dreißig den Stil gemalt, den jeder kennt. Und wenn du an den ersten Track vom Album [»Benjamin Button«; Anm. d. Verf.] denkst… Das ist natürlich lächerlich, sich mit dem größten bildenden Künstler der Moderne zu vergleichen, aber irgendwie auch geil – und deshalb heißt das Album so.

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