Fatoni: »Deine Facebook-Timeline ist auch eine Rolle.«

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Als echten Künstler hat es dich natürlich nach Berlin verschlagen, Fatoni. Soweit ich weiß, hast du gerade ein bisschen Zeit hier verbracht.
Fatoni: Ich bin vor zwei, drei Monaten nach Berlin gekommen, um hier ein bisschen frei zu machen. Ich war davor festangestellt am Theater in Augsburg. Das war ein ziemlicher Vollzeitjob, eigentlich sogar mehr – und krass schlecht bezahlt. Voll der dumme Job also. (lacht) Deswegen war es auch schwierig, in den letzten Jahren zu releasen oder live zu spielen.

Apropos Auftritte: Inwiefern unterscheidet sich das Schauspiel auf der Bühne für dich von einem Auftritt als Rapper?
Fatoni: Ich glaube, man braucht in beiden Fällen eine gewisse Bühnenpräsenz. Aber als Schauspieler bin ich Teil eines Gesamtwerks, ich gehöre zur Fantasie des Regisseurs und gebe Texte von anderen wieder. Als Rapper spiele ich vielleicht auch eine Rolle, aber die verändert sich über das Konzert hinweg nicht und ich gebe zu hundert Prozent meine Sachen wieder. Eine Theatervorstellung ist auch viel geplanter als meine Konzerte, es gibt wenig Freiraum, man steckt da in einem engen Regelwerk.

 
Inwiefern spielt man als Rapper eine Rolle?
Fatoni: Das ist schwierig. Deine Facebook-Timeline ist ja auch eine Rolle. Und ich bin auf der Bühne nicht derselbe, wie bei meinen Eltern an Weihnachten zu Hause.

Um noch mal auf »Benjamin Button« zu kommen: Warum altern Rapper denn nicht besonders gut?
Fatoni: Einige werden wohl mit dem Alter wack, weil sie einen Hofstaat um sich haben, der immer nur Ja sagt. Und wenn jeder Dreck von dir gefeiert wird, bringt dich das nicht voran. Die besagten Rapper sind oft auch noch die Chefs von ihren Ja-Sagern, das ist natürlich eine beschissene Situation. Außerdem gibt es Rapper, die ihren Biss verlieren, wenn sie etwas erreichen. Ich nenne in »Benjamin Button« bewusst keine Namen, ich denke jeder hat da seine eigenen Kandidaten im Kopf. Wenn ein Rapper, der früher fresh und provokant war, heute Songs darüber schreibt, wie toll doch Deutschland ist, bin ich auf jeden Fall ein enttäuschter Fan. Rapper, die noch niemand sind, haben dagegen oft eine krass freche und geile Attitüde – besonders wenn sie erfolgreiche Typen sehen, die sie wack finden. Auf dem neuen LGoony-Tape kommt das sehr schön rüber.

Glaubst du, dass du enttäuschte Fans zurücklässt, jetzt, wo du einen Track mit Fettes Brot hast und mit denen auf Tour gehst?
Fatoni: Ich glaube, dass die Leute, die meine Musik hören, anders drauf sind – oder? Ich habe keine richtigen Hardcore-Fans. Das sind eher so nette Leute, die meine Musik hören. (lacht) Bei Leuten aus meinem Umfeld wie Audio88 & Yassin nehme ich an, dass die Fans das viel enger sehen würden. Auch die Antilopen Gang, die ja nun auch mit Fettes Brot auf Tour geht, hat mehr Fans aus der linken Szene, die sofort Bescheid wissen, dass Fettes Brot schon mal vor der Bundeswehr gespielt haben.

Es gibt Leute, die ich bewundere und deren Schaffen ich so geil finde, dass ich mich daneben immer unzulänglich fühle. – Fatoni

In »Authitenzität« (sic!) sprichst du von ­einer »Generation Superstar-Komplex«. Alle wollen also berühmt werden, ja?
Fatoni: Ich habe schon das Gefühl. Jeder ist doch irgendwie cool, macht was Besonderes und will sich selbst verwirklichen. Vielleicht ist das auch nur mein Umfeld. Peter Fox hat mal so schön in einem Interview erzählt, dass er in Berlin immer noch U-Bahn fährt, weil er dort nicht ständig vollgelabert wird. Denn alle sind selbst cool und Künstler, dann würden die sich ja voll die Blöße geben ihn anzusprechen. Die Leute gucken ihn halt entsprechend an oder schießen heimlich Fotos. In provinzielleren Städten muss er da­gegen mit allen Leuten Selfies machen.

Was ist das eigentlich für eine komische Angewohnheit, die eigene Generation benennen zu wollen?
Fatoni: Ja, das ist ein komisches Verlangen der Leute, etwas auf den Punkt zu bringen, das ­gerade passiert. Ich mache das auf jeder meiner Platten, mittlerweile ist das schon ein Signature Move. Wenn man vor gewisse Begriffe, die Phänomene auf den Punkt bringen, ein »Generation« stellt, hat man auch gleich eine Punchline. Statt »Hashtag« einfach »Generation« – ziemlich wack eigentlich.

Im letzten JUICE-Interview hast du von früheren Battles gesprochen, bei denen man direkt um ein Jahr altert. Um wie viele Jahre bringt einen so ein Album?
Fatoni: Der Anfang ist ziemlich egal, da macht man einfach Tracks. Zum Ende hin altert man dann enorm, wenn man für Videos nach Lesbos fliegt und am Abend noch tausend E-Mails mit Artwork-Fragen beantwortet.

Was habt ihr auf Lesbos gedreht?
Fatoni: Seit August etwa ist Lesbos medial das, was Lampedusa im letzten Jahr war. Wir sind dort hin, um uns das anzuschauen und ein Video zu dem Track »32 Grad« zu drehen, darin geht es um die Flüchtlingssituation. Das war krass.

 
Ist das nicht ein bisschen unpassend, dort momentan ein Video zu drehen?
Fatoni: Ja, ich hatte da auch moralische Bedenken. Und im Endeffekt war das auf eine Art total ekelhaft, aber die Kamerateams gehören gerade total zum Alltag. In Lesbos kommen seit Wochen jeden Tag tausend Leute an. Da herrscht also ein relativ chaotisches Gewusel, bevor die Leute von freiwilligen Helfern verpflegt werden und sich aufmachen, achtzig Kilometer in die Hauptstadt zu laufen. Sobald die weg sind, kommen Leute von der Insel mit Messern, schneiden die wertvollen Teile aus den zurückgelassenen Gummibooten und nehmen die Motoren mit. Auch die Inselbewohner dort sind durch die Krise voll am Arsch. Wir waren in einem Ort, in dem ich letztes Jahr privat war. Damals kam noch kein einziger Flüchtling an, genau dort habe ich dann diesen Song geschrieben.

Wir müssen noch über Mike Skinner reden. Was hat er dir angetan, dass du ihm gleich einen Track auf dem Album widmest?
Fatoni: Es gibt Leute, die ich bewundere und deren Schaffen ich so geil finde, dass ich mich daneben immer unzulänglich fühle. Es gibt für dieses Phänomen auch ein prominentes Beispiel: Paul McCartney von den Beatles kann alle Instrumente spielen. Sein Bruder hat in der Jugend Schlagzeug gespielt, während Paul Bass und Gitarre gelernt hat. Nach drei Jahren setzt sich Paul ans Schlagzeug und war direkt beim ersten Mal viel besser als sein Bruder. Der dachte sich dann »Fick dich« und hat aufgehört. Und um dieses Gefühl geht es in dem Song. Er könnte auch »Marshall« oder »Sean« heißen, in Anlehnung an Eminem und Jay Z, doch das wäre schnell peinlich geworden. Es geht also eigentlich nicht um Mike Skinner. Ein guter Satz von einem Freund von mir, der dazu passt: »Ein Künstler, der sich und seine Kunst nicht ­verachten kann, ist für mich kein Künstler!«.

Demnach wäre wohl kaum ein Rapper Künstler.
Fatoni: (lacht) Viele wohl nicht. Ich bin eher ein krasser Zweifler. Aber wenn du immer alles geil findest, was du machst, und es niemanden gibt, bei dem du denkst: »Fuck, ich werde in meinem Leben niemals so gut. Das macht mich gerade voll traurig!«, dann bist du in meinen Augen auf jeden Fall ein Spast – Hashtag Spast. ◘

Foto: Conny Mirbach

Dieses Interview erschien in JUICE #171 (hier versandkostenfrei nachbestellen).Cover_171_ohneBR.indd

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