Morlockk Dilemma: »Die Musikbranche ist auch ein ganz schönes Nutten-Game.«

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Deutschrap 2015: Es gibt sie immer noch, jene unbeugsamen Kulturverfechter, die mit kompromissloser Disziplin gegen die Windmühlen der Industrie kämpfen. Auch wenn Morlockk Dilemma mit der Fortsetzung seines Untergrund-Klassikers »Der Eiserne Besen 2« vermutlich wieder nicht von HipHops derzeitigem Chart-Abonnement profitieren wird, weiß der Egoshooter sein Business zu handeln. Ein Gespräch über Unschärfegesetze, Überraschungseffekte und Unabhängigkeit.

Du produzierst nicht nur deine Musik im Heimstudio, sondern regelst auch dein Business zu Hause. Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
Also, den musikalischen Teil mache ich seit Langem komplett autark. Darüber hinaus versuchen Hiob und ich uns mit Mofo Airlines von den normalen Strukturen der Branche zu lösen und eigene Vertriebswege zu finden, wie zum Beispiel mit einem eigenen Onlineshop und Zusammenarbeiten mit Vinyldigital oder hhv.de. Wir sind eigentlich ein klassischer Bandmerch-Shop, wenn man so will.

Gleichzeitig gehst du einem normalen Beruf nach. Warum hast du dich bisher nicht dafür entschieden, nur noch als Musiker zu arbeiten?
Wenn man sich entscheidet, Berufsmusiker zu werden, kommt man schnell in eine Zwickmühle, erfolgreich sein zu müssen. Einfach, um davon leben zu können. Diese Zwänge treiben einen schnell zu Entscheidungen, wo man vielleicht nicht mehr die Musik produziert, die man von Herzen machen würde. Ich habe neben der Musik aber immer Sachen gemacht, die relativ nahe an meinem kreativen Schaffen sind – wie zum Beispiel Workshops in der JVA zu geben. Das wurde in den letzten Jahren aber deutlich weniger. Vor fünf Jahren habe ich auch mehr ins Blaue hinein gearbeitet und mich erst um das Business gekümmert, wenn das Release fertig war. Das geht heute nicht mehr, weil die Nachfrage so groß geworden ist. Bei einer 40-Stunden-Arbeitswoche könnte ich das nicht bewältigen. Ich arbeite aber auch nur zwei Tage pro Woche bei hhv.de und helfe denen mit der Labelarbeit. Also auch ein Tätigkeit, die meiner eigenen Arbeit sehr ähnelt.

 
Du hast bei einem Radiosender gearbeitet und Journalistik studiert. Inwiefern haben dir diese Jobs geholfen, die Branchenstrukturen zu verstehen?
De facto hat die Privatperson Falko überhaupt nichts mit der Kunstfigur Morlockk Dilemma zu tun. Mein Verständnis für Mechanismen in Marketing oder Werbung ist sogar hinderlich für Morlockk. Das Wissen aus meiner Ausbildung könnte ich vermutlich viel besser umsetzen, wenn ich es nicht selbst wäre, der da vermarktet werden muss. Die Musikbranche ist auch ein ganz schönes Nutten-Game. Du musst als Artist heute so viel Privates von dir preisgeben, um im Gespräch zu bleiben. Da gibt ein Typ ein stundenlanges Interview und redet nur über seine Beziehungen zu diesen oder jenen Leuten. Ich schaue mir das zwar aus einem Hang zum Voyeurismus heraus an, aber sein Album ist mir völlig egal. Trotzdem wird das mit Erfolg belohnt, obwohl bloß das Private im Vordergrund steht. Das ist auch nur solange lustig, wenn man es sich von der Tribüne aus ansehen kann, wie die Affen sich mit Scheiße bewerfen. Ich verurteile die Protagonisten auch nicht, es unterhält mich ja. Ich selbst will aber nicht mit Scheiße werfen oder beworfen werden müssen.

Ihr bringt auch die »Storch oder Affen EP« von MC Bomber und MecsTreem raus. Soll Mofo Airlines künftig weiter wachsen?
Da geht es eigentlich um die Frage, warum man Musik macht. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es zu Beginn mein erklärtes Ziel war, mit Musik Geld zu verdienen oder Ansehen zu gewinnen. Ich weiß nicht mal, ob ich mir heute einen Facebook-Account dafür einrichten würde. Diese Insignien sind mir wirklich egal. Es geht eher um Ausdruck und Spaß an der Sache. Das ganze Drumherum verdirbt das manchmal ein bisschen. Mofo Airlines verstehen wir eher als Plattform. Wenn jeder nebenher noch etwas macht, womit die Miete reinkommt, ist das gutes Extra-Money. Der Release von »Storch oder Affen« ist auch nur ein Freundschaftsdienst. Da geht es nicht um irgendwelche Label-Pläne. Bomber hat uns gefragt, ob wir die EP rausbringen und das machen wir jetzt. Das ist ein einmaliger Handschlagsdeal.

Große Labels verfügen oft über ­angegliederte Verlage, wo entsprechend ausgebildete Leute arbeiten. Wie verfahrt ihr mit diesem Teil des Geschäfts?
Ich habe zwar einen Anwalt, der hat mit meinem Tagesgeschäft aber wenig zu tun. Der kümmert sich eher um ausstehende Gagen von Gigs oder so. Ich gebe zu, dass ich bestimmt Wissenslücken habe, aber bisher hat es für mich auch keinen Sinn ergeben, Arbeit an Verlage abzugeben. Als unabhängiges ­Label ist die Gewinnmarge viel größer, als wenn wir jetzt auf fremde Strukturen zurückgreifen würden. Ich habe auch gelesen, dass Leute meinten: »Morlockk und Hiob machen geile Musik, aber die sind nie ­chartrelevant.« Das stimmt, aber dadurch, dass wir einen Eigenvertrieb haben, werden wir auch nicht gewertet. Die Charts sind auch nur Augenwischerei. Solange da nicht steht, wie viele Einheiten verkauft wurden, hat das überhaupt keinen Vergleichswert. Das ist letztlich nur ein Ego-Tool für die Industrie. Wenn jemand in einer starken Woche mit 50.000 Einheiten auf Platz 3 geht, hat das in der Wahrnehmung eine geringere Wertigkeit als jemand, der in der nächsten Woche mit 15.000 Einheiten auf Platz 1 chartet. Ich finde es auch sehr verwerflich, dass es für die Medien so wichtig geworden ist. Wir wären mit dem letzten Release aber locker Top 50 gechartet – auch wenn das jetzt natürlich widersprüchlich klingt zu meiner Aussage von eben. (lacht) Was Verlage angeht: Für mich ­waren das ­bisher immer Leute, die unerfahrenen Künstlern obskure Verträge unter die Nase halten, um zu kassieren, ohne irgendetwas dazu beizutragen. Bei Universal sitzen allein am Empfang zwei Personen. Ich weiß nicht, ob das Praktikanten sind, aber die müssen ja auch bezahlt werden, und am Ende sind das Prozentpunkte, die irgendein Künstler weniger bekommt. Ich will nicht in so ein Industrie-Bashing verfallen, aber bisher war das alles uninteressant für mich.

 
Aber solche bürokratischen Arbeiten ­können die Kreativität auch hemmen.
Wenn jemand anderes diese Aufgaben übernimmt, kann das eine gewisse Freiheit bedeuten, ja. Guck mal, ich will eigentlich nur Musik machen und kaufe mir diese Zeit, indem ich alles selbst mache. Ich finde Bürokratie nicht so anstrengend, dass ich das nicht eben bei einer Tasse Kaffee regeln kann. Ich ­brauche auch einen gewissen Druck, um schreiben zu können. Wenn ich jetzt Urlaub habe, schaffe ich in den zwei Wochen gar nichts, obwohl ich alle Zeit der Welt habe. Manchmal sitze ich einen ganzen Tag vor dem Papier und bekomme nichts hin. Im Gegenzug bin ich extrem produktiv, wenn ich gleichzeitig noch Sachen wie den Vorverkauf einrichten muss. Man könnte auch sagen, dass es eine Art Unschärfegesetz ist: Je länger du dich auf bestimmte Dinge konzentrierst, desto weniger erkennst du sie. Wenn ich kurz abgelenkt bin, weil ich mich um die Orga kümmern muss, komme ich auch mit einem Text ­schneller voran. Gott, ich klinge gerade wie ein Bürokraten-Rapper. (lacht)

»Indie is the New Major«?
Der Spruch ist ja auch schon alt. Wenn du auf so eine Agenturparty gehst, siehst du den Universal-Menschen an derselben Bar wie den Typ, der ein erfolgreiches Indielabel betreibt. Die haben da auch schon vor fünf Jahren zusammengestanden. Der Unterschied besteht vielleicht nur im Budget. Ich glaube, gerade im HipHop haben manche Indies mehr Medien-Power als Majors. Ich selbst glaube auch, an einem Punkt zu sein, wo eigentlich jeder weiß, was für Musik wir machen. Jetzt zu einem Major zu gehen, würde keinen großen Überraschungseffekt mehr erzeugen – die suchen ja immer etwas, das noch den Reiz des Neuen versprüht. Ich will jetzt nicht sagen, dass mich jeder kennt, aber ich male mir auch kein großes Angebot aus, womit ich mich krass anders auf dem Markt platzieren kann als ich das jetzt schon tue. Eine Kooperation mit irgendjemandem würde ich aber nicht ausschließen, wenn ein interessantes Angebot kommt. Ich mach also auch keine Ideologie daraus. ◘

Text: Fionn Birr

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