(Rhymesayers/Groove Attack)
Niemand hat mehr Stiefbrüder als The Alchemist. Allein in den letzten drei Jahren hat der verdiente Produzent und Rapper gemeinsame Alben und Mixtapes mit Prodigy, Curren$y, Action Bronson, Domo Genesis, Durag Dynasty, Willie The Kid, Boldy James und Oh No (als Gangrene) veröffentlicht. »Lord Steppington« nun ist eine Kollaboration mit Dilated-Peoples-MC Evidence, lässt sich aber nicht ohne weiteres in diese Liste überwiegender One-Off-Releases einordnen, denn Alchemist und Evidence haben tatsächlich eine gemeinsame Vergangenheit: Als Kids sind sie rappend durch die Straßen von Los Angeles gezogen, während sie eigentlich in die Schule gehört hätten und als Künstler haben sich ihre Wege nicht nur auf den Alben von Dilated Peoples immer wieder gekreuzt. Unter dem Step-Brothers-Banner planen sie bereits seit 2009 eine gemeinsame Platte. Dass es erst jetzt klappt, nach einer Reihe schneller Aufnahmesessions, von denen keiner der beiden viel erwartet hatte, liegt in erster Linie an ihren schwer abstimmbaren Terminkalendern. Die Chemie auf »Lord Steppington« jedenfalls stimmt sofort, das Gefühl ist vertraut, hier muss sich niemand rantasten. Alchemist produziert wie gehabt auf geradlinigen Umwegen. Viele seiner Beats funktionieren oberflächlich betrachtet als straighte Partystarter, lassen bei genauerer Beschäftigung aber auch kleine Schrullen und Ungenauigkeiten erkennen, die einen Track komplett aus der Bahn werfen können. Dazu rappt Evidence mit vergleichsweise höflichem Selbstbewusstsein. Krumm sollte ihm niemand kommen, das kriegt er schon rübergebracht. Man verfällt im Angesicht seiner Eigenlob- und Drohgebärden aber auch nicht gerade in die Schockstarre, die einem frühe Odd Future– oder Chief Keef-Tracks einbrocken konnten. Vielleicht das einzige, was man Step Brothers vorhalten kann: So wie die Protagonisten einander in- und auswendig kennen, weiß man auch als Hörer zu jeder Zeit, was auf einen zukommt. »Lord Steppington« ist ein inspiriertes Expertenalbum; überraschen wird es aber nur Leute, deren HipHop-Horizont bei Eminem anfängt und bei 50 Cent schon wieder aufhört.
Text: Daniel Gerhardt