Jay Rock – Redemption // Review

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(Top Dawg Entertainment/Interscope)

Wertung: Fünf Kronen

Das richtige Timing gehörte bis dato nicht unbedingt zu den Stärken von Jay Rock. 2011 platzte sein Major-Vertrag mit Warner, trotz zu Tode promotetem Lil-Wayne-Feature. Anschließend verpuffte das Debütalbum »Follow Me Home« gerade pünktlich nach dem Nu-West-Hype, und später ging sein sträflich unterschätztes quasi-TDE-Debüt »90059« in einem unklaren Rush-Release-Plan unter. Doch es kam noch dicker: Kein halbes Jahr später, am Tag der Grammy-Verleihung, bei der Kendrick fünf Trophäen abräumte, baute Jay Rock einen fast tödlichen Motorradunfall. Für viele, vor allem aber für ihn selbst, wird sich »Redemption« deswegen wie eine allerallerletzte Chance anfühlen – und genau diesen Überlebenswillen hört man jeder verdammten Zeile des Albums an. Die Nahtoderfahrung durch seinen Unfall stellt das wiederkehrende Motiv und zugleich die Wiederauferstehung des früheren Bounty Hunter Bloods auf »Redemption« dar. Über eine Dreiviertelstunde Spielzeit vergeudet der 33-Jährige keine einzige Zeile und verfasst das beeindruckendste, weil kompletteste Rapalbum dieser Spielzeit. »The devil thought he had me, I was on back burners/Moonwalkin fast, y’all respect my journey«, platzt es direkt im Opener »The Bloodiest« aus ihm heraus. Hier hat jemand eine Rechnung zu begleichen, nicht nur mit dem Teufel, der Trap und der Industrie, sondern vor allem mit sich selbst. Auf dem Titeltrack, der nebenbei beweist, warum SZA der wahre TDE-Superstar ist, gipfelt diese intensive Introspektive in einer persönlichen Abrechnung, bei der Rock seine Schwächen ausrollt und damit wahre Stärke demon­striert. »ES Tales« ist astreine Kiezdialektik, »OSOM« mit seinem 2011er-XXL-Freshmen-Klassenkamerad J. Cole hyperrealistisches Storytelling und »Broke +-« eine herzzerreißende, unpathetische Blockballade. Neben »King’s Dead« ist das abschließende »WIN« der einzige Ausreißer aus der sample-lastigen Neo-Soul-Gangsta­rap-Ästhetik. In den Staaten als Pumper-Hymne gefeiert, rotiert »WIN« dort auch im Radio als Jays erster wahrer Solo-Hit. Doch selbst hier, auf der Gewinnerstraße, zeigt Rock Reue und Wehmut. Genau das unterscheidet den Westküstenwächter, neben seiner Punchline-Dichte und Authentizität, vom Realkeeper-Rudel und macht den großen Lyriker in der heutigen Raplandschaft so einzigartig: Er sucht die Fehler zuerst bei sich selbst.

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