ASD: »Die JUICE gehört nicht nur der JUICE. Die JUICE gehört uns allen.« //#20JahreJUICE

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#20JahreJUICE – ein Jubiläum, das gebührend gefeiert werden will. Wir veröffentlichen deswegen Meilensteine der JUICE-Geschichte erstmals auch digital. Als Samy Deluxe und Afrob 2003 erstmals gemeinsam die Titelseite des größten deutschen HipHop-Magazins zierten, stand dieses Cover beinahe exemplarisch für einen Paradigmenwechsel im Rap-Schland. Die Katerstimmung des Hypes saß der Szene immer noch tief in den Knochen, als diese beiden Protagonisten sich als ASD zum Titaten-Treff zusammentaten, das Fundament der Vorherrschaft von der Hamburg-Stuttgart-Achse brökelte allerdings längts unter dem Impact des Berliner Raps und dann war da ja auch noch dieser Beef zwischen einem der einflussreichsten Rapper und einem der einflussreichsten Magazine der damaligen HipHop-Zeitrechnung. Der Vorabend der Aggro-Ära, er stimmte viele Seiten milde.

Wer hätte das gedacht? Samy Deluxe in und auf der JUICE, das mag das ein oder andere Rätsel aufgeben. Schließlich ist es noch gar nicht so lange her, dass in einer großen Pfanne randvoll mit gekränkten Egos, Missverständnissen und den üblichen Vorurteilen auf beiden Seiten einer der größten Beefs der deutschen HipHop-Geschichte gebraten wurde: ein paar kleine JUICE-Disses in den einschlägigen TV-Spots, der „Sell Out Samy“-Artikel, der gleichnamige JUICE-Disstrack, noch einmal Zurückschubsen.

Aber jetzt ist 2003: Zeit für ein Symbol, das mehr wert sein kann als das hundertfuffzigste Gegenargument. Und so wie sich auch die ganz Großen in den USA, Jay-Z und Nas, wieder den relevanten Dingen zuwenden, scheint es nun auch hierzulande endgültig an der Zeit, sich darauf zu besinnen, worum es einmal ging. Und natürlich immer noch geht. Um HipHop. In Zeiten, da die Labels im Wochentakt dichtmachen, Künstler mit fertigen Alben im Niemandsland zwischen Wartezimmer und Arbeitsamt hängen und zu vielen Menschen der Traum von der Existenz durch HipHop vor den Augen zu zerbersten droht, die Kreativität leidet und in all dem Gejammer kein Reim, keine Snare, kein Cut mehr zu hören ist, kann es eigentlich nur einen Schritt geben: den gemeinsamen.

Ein allerletztes Mal: Was war aus deiner Sicht damals das Problem?
Samy: Das Grundproblem war von meiner Seite, dass die Berichterstattung in Deutschland, auf die die JUICE ja so etwas wie ein Monopol hat, nicht korrekt stattfand. Dass bestimmte Leute von Beginn an aus Prinzip gehypet wurden. Dass manche Dinge, die bei mir total scheiße gewesen sein sollen, bei Savas und Azad plötzlich richtig geil waren. Ich habe bestimmt kein Problem damit, wenn andere gepusht werden. Aber es ist halt nicht korrekt, wenn ich aus Prinzip gedisst werde. Wenn es heißt, dass mein Splash!-Gig Standard gewesen sei, obwohl ich als Headliner 30.000 Menschen gerockt habe und mir selbst Leute, von denen ich dachte, sie seien übelste Hater und mögen mich nicht, erzählen, dass sie die Show gut fanden. Ich hatte halt das Gefühl, dass da sehr oft das Haar in der Suppe gesucht wurde. Schließlich versuche ich, wenn ich jemanden auf einem Track feature, auch nicht, ihn komplett zu burnen, sondern ihn gut dastehen zu lassen, weißt du, was ich meine? Ich habe diese Interviewanfrage trotz aller Bedenken angenommen. Zum einen, weil es mir ein Forum bietet, was für mich natürlich cool ist. Zum anderen aber auch, um zu zeigen, dass ich nicht in der Vergangenheit lebe und dass ich nicht, wenn ich einmal etwas Schlechtes über jemanden gesagt habe, es immer wieder sagen werde, nur weil das manche Leute erwarten. Es war ein guter Battle. Gutes Entertainment. Aber jetzt ist 2003.

Wir wollen es den letzten Kommentar sein lassen, der in dieser Sache getätigt wurde. Wenden wir uns dem Tagesgeschäft zu. Und das heißt in diesem Fall: ASD.

Wann seid ihr euch das erste Mal über den Weg gelaufen?
Samy: Das erste Mal, dass ich Afrob überhaupt wahrgenommen habe, war bei meinem dritten Auftritt überhaupt, auf einer Freestyle-Battle in München, wo wir auf Bitte von David Pe für No Remorze eingesprungen sind. Beim Soundcheck war da so ein Schwarzer mit übelst freaky Haaren, so ein Dreadlock nach links, ein Dreadlock nach rechts. Damals gab es ja auch nicht so übel weite Hosen, aber er hatte seine 501 derbe tief sitzen. Das war der lauteste Look, weißt du? Bei der Battle waren dann alle anderen so voll aggro unterwegs, die ganze Zeit „Ichmachdichfertigichmachdichfertig„. Er dagegen hat nur davon erzählt, dass seine Mutter gesagt hat, er solle sich mal wieder die Haare kämmen, und all sowas. Das hatte ich damals noch bei keinem anderen Rapper in Deutschland gesehen, dass er einfach auf cool was aus seinem Leben erzählt.
Afrob: Ich habe Samy dann als DJ auf dem Freundeskreis-Konzert gesehen, wo er mich mit Blaze versorgt hat, und mir gesagt hat, dass er mich gesehen hat und es cool fand. Für mich war das so: „Wow, somebody recognized me!“ Das Gefühl, überhaupt wahrgenommen zu werden, weißt du? Wenig später hat mir dann in Stuttgart jemand erzählt, dass Fünf Sterne so eine Vorgruppe dabei hatten, irgend ein Riesen-Schwarzer, der da abgeht und die Leute derbe killt. Ich habe gewusst, das kann nur er sein – und er war’s dann natürlich auch. Ich habe seinen Weg jedenfalls immer verfolgt, einfach auch, weil ich mir ähnlich lost vorkam wie Eminem in „8 Mile“ und Samy als Bereicherung gesehen habe.

Fünf Jahre, unzählige Begegnungen und ein in diesem Zusammenhang wohl ziemlich entscheidender „Four Fists„-Videodreh in Südafrika später haben Afrob und Samy Deluxe realisiert, was sie als Idee schon eine ganze Weile spazieren trugen: ein gemeinsames Album, „Wer hätte das gedacht?“. Zwei der erfolgreichsten MCees des Landes. Beide zwei Alben tief im Geschäft. Unzählige Features und noch mehr Shows. Aber eben auch die Erfahrung, dass all das hier vielleicht kein Game, aber zumindest längst kein Spiel mehr ist. Mit ASD haben sich Afrob und Samy endgültig aus den Umfeldern gelöst, denen sie einst so untrennbar verbunden zu sein schienen. Sich gelöst, um deutschen HipHop gemeinsam erneut auf das vielbeschworene nächste Level zu hieven. ASD ist Rap von Rap für Rap und um des Raps Willen. Rap an einem Ort, an dem die Beats so weit unten boomen, die Punchlines so präzise fliegen und die Hooks so geschmeidig fließen, wie man es selbst in der allgemeinen Euphorie von ’98 wohl nie für möglich gehalten hätte.

Mittwoch Abend, Samys Wohnung, Hamburg-Altona. Es wird gepackt, morgen soll es zum Videodreh für die erste Single „Sneak Preview“ nach Namibia gehen. Die kollektive Anprobe wird nur gelegentlich unterbrochen, um den Sound auf dem Home-System im Flow zu halten. Es läuft CNNs „War Report“, in Anbetracht dessen, was die Kollegen Blair, Blix und Bush im Moment so veranstalten, vielleicht ein wenig beängstigend, aber definitiv klassisches Material. In einem Plattenschrank der Sonderedition „Feuchter Jungstraum“ ist von Young MC bis Young Hov so ziemlich alles eingereiht, was zwische Benztown, Brooklyn und Buxtehude schon ein mal einen Kopf hat nicken lassen. Im Regal ein paar alte Source-Mags, Bücher, HipHop-DVDs. Was auch immer sich getan haben mag in den letzten fünf Jahren, Fans sind die beiden immer geblieben.

Samy: Redman. Wenn ich einen nehmen müsste, wäre es auf jeden Fall Redman, als MC und auch als Rapper. Auch wenn ihm das ein bisschen fehlt, was mich in letzter Zeit immer mehr beeindruckt; Dass es Leute schaffen, aus ihrem Leben zu erzählen, auch traurige Sachen, ohne corny zu klingen. Aber ansonsten ist er für mich der perfekte MC: wie er sich bewegt, sein Klamotten-Style, seine Fotos, sein Artwork. Er packt auch in alles wahnsinnig viel Liebe rein. Seine Videos sind derbe, seine Skits, seine Sounds, einfach alles.

Wenn es für ihn Redman ist, wer ist es für dich?
Afrob: Samy (lacht). Nein, Redman ist auf jeden Fall groß vom Entertainment-Faktor, einfach wie die Worte kommen, weißt du. Und noch einen. Und noch einen. Es hört nie auf bei dem, und ich bin überzeugt, dass er so viel mehr kann.
Samy: Der kommt halt auch noch aus so einem klassischen HipHop-Kontext. Bei Redman weiß ich einfach, dass der auch seine Platten zu Hause hat und das feiert.
Afrob: Mir fiele noch Nore ein. Der ist bestimmt nicht der Hammer-Skills-Emcee, aber so von der Atmosphäre finde ich den schon richtig beeindruckend. Redman und Nore – alles andere ist scheiße (lacht).
Samy: Die Leute müssen auch mal lernen, Musik für das zu nehmen, was sie ist. Bringt ja nichts zu sagen: “Der kann dies nicht, der macht das nicht“, man feiert das in dem Moment und gut is‘. Wie unsere erste Single, das ist ein so ein klassischer Rap-Hit, raw shit, der uns einfach vorstellen und definieren soll, wofür ASD steht. Die B-Seite ist „Ich & Er“, auch ein Introducing-Stück mit ein paar Bemerkungen über alles mögliche.
Afrob: „Ich & Er“ wäre beinahe auch unser Bandname geworden, aber das war uns dann irgendwie zu deutsch.
Samy: Ja, zu Deutschrap.

»Damals gab es ja nicht so übel weite Hosen, aber er hatte seine 501 derbe tief sitzen. Das war der lauteste Look, weißt du?« (Samy Deluxe)

Die Platte hat meines Erachtens ohnehin nicht wirklich viel zu tun mit dem, was hier bislang so veranstaltet wurde.
Afrob: Vom Konzept her ist die Platte eigentlich ganz klassisch. Es geht darum, Spaß zu haben. Sich beschweren ist schon okay, weißt du. Gehört auch dazu, aber mir ist das in letzter Zeit einfach zu sehr in den Vordergrund geraten.
Samy: Eigentlich gibt es gar kein Konzept, weder für die einzelnen Stücke noch für die ganze Platte. Wir haben uns einfach von den Beats leiten lassen, die wir hatten. Die Beats waren die Grundlage von allem.

An den Reglern saßen neben Desue auch Baby Dooks aus dem Umfeld der Kroaten, die schon für das letzte KC-Album den ein oder anderen Genickbrecher stifteten, und Yvan aus Lausanne. Dazu Kaos, der zuletzt schon auf dem Erick Sermon-Album positiv aufgefallen ist, und sein Teem Heat aus Philly. Jay Dee, der eigens aus Detroit in Desues Studio nach Berlin eingeflogen und mit einer Monstertüte Weed plus MPC 3000 versorgt wurde, um den Scheiß wie gewohnt raw zu halten. Des Dillas Nachfolger im Slum Village-Camp, Wajeed, dessen stoischer Soul für einige der größten Momente der Platte sorgt, und zu dem Afrob und Samy während ihrer Zeit in Detroit eine ganz besondere Freundschaft entwickelt haben. Die New York-Connecte um DR Period, Diamond D und die legendären Bush Babees, die den beiden beim Mastern in New York unbekannterweise über die Füße stolperten und für ASD ein magisches Inferno aus Trommeln und Bass locker gemacht haben. Diese Größenordnung eben.

Und gerade die Beats habt ihr ja nicht dort geholt, wo das deutsche HipHop-Acts bisher gemacht haben. War das bewusst?
Samy: Bewusst? Weiß nicht. Wir hatten halt von Anfang an die Möglichkeit, das zu machen. Teem Heat aus Philly hatten uns schon ganz früh CDs mit Beats geschickt, die in gewisser Weise unsere Grundlage waren. Eigentlich sind wir ja nur deswegen in die Staaten geflogen. Um mit denen was zu machen. Alles andere hat sich erst dort ergeben. Und wir haben auch Leute hier in Deutschland ausgecheckt und uns ein bisschen was geben lassen.
Afrob: Es war auf keinen Fall so, dass wir unbedingt ein Album in Amerika aufnehmen mussten. Wenn die Beats, die wir dort gehört haben, nicht so gut gewesen wären, dann hätten wir sie auch von unseren Leuten hier geholt. Oder wir hätten unsere eigenen Beats genommen, denn wir produzieren ja auch selbst…
Samy: …aber das hätte alles irgendwie nicht gepasst. Versteh‘ mich bitte nicht falsch, ich will niemanden dissen. Aber im Gegensatz zu vor drei Jahren, wo immer alle gesagt haben, die Beats in Deutschland seien ja schon fett, nur rappen könne eben keiner, finde ich, dass es im Moment viel mehr gute Rapper gibt als gute Produzenten, die auch den nächsten Schritt machen. Die auch der Tatsache Rechnung tragen, dass HipHop nicht mehr nur von ein paar Jungs gehört wird, die sich abgrenzen wollen, sondern von viel mehr Menschen.

Und das, obwohl im Moment doch jeder betont, wie hart jiggy er ist, und dass er Gang Starr ja schon immer verkrampft fand.
Samy: Ich möchte jetzt hier niemanden verurteilen für das, was er macht oder von sich behauptet. Aber ich finde, dass man zu dem stehen muss, was man ist und was man war. Ich kann mich ja auch an Zeiten erinnern, wo es mir vor dem Typen aus meinem Plattenladen peinlich war, eine Jay-Z zu kaufen, weil ich genau wusste, wie der zu der Sache steht. HipHop ist voll so ein Schizo-Ding, da gibt es viel zu viele Regeln, die nirgendwo aufgeschrieben sind, und die aus irgendwelchen Komplexen heraus entstanden sind. In meiner Schule gab es z.B. so einen Typen, der immer in die Großraumdissen gegangen ist und alles. Der kannte zwar „Fu-Gee-La“ und „Gangsta’s Paradise“ und solche Dinge, aber immer wenn ich ihm von meinen Hits erzählt habe, so „Hier Mann, Lord Finesse„, hat er immer nur mit den Schultern gezuckt. Und dieser Typ hat mir eines Tages auf seinem Walkman „Paparazzi“ von Xzibit gezeigt. Ich fand das jetzt nicht besonders wack oder so, aber nur weil der das kannte, habe ich den Track überhaupt nicht beachtet. Und als ich neulich auf dem Konzert war, habe ich plötzlich gemerkt, dass das auf jeden Fall sein krassestes Lied ist. Ich kenne dieses Phänomen genau, dieses Exklusivitätsding. Auch jetzt, als ich gerade in den Staaten war, wo 50 Cent im Moment der derbste Hype ist: Einerseits freut mich das natürlich, weil es einfach so schön ist, wenn alle nur noch über einen reden. Aber andererseits denke ich mir auch: „Kuckma, jetzt alle 50 Cent, aber ich habe hier die EP von vor drei, vier Jahren.“ Aber irgendwann muss man sich einfach darüber klar werden, dass es um gute Musik geht, und dass man nicht besser wird, indem man etwas kennt und mag, was sonst keiner kennt und mag.
Afrob: Ich hatte so etwas Ähnliches mit Ruff Ryders. Alle fanden das gut, aber für mich war das einfach nur Lärm, wenn DMX die ganze Zeit „I’m the wildest dog“ gebrüllt hat. Es hat eine ganze Zeit gedauert, bis ich gemerkt habe, dass da eine ganze Geschichte dahinter steckt.
Samy: Lesetip: DMX‘ Biografie. Habe ich gerade gelesen, wirklich gutes Buch.

»LesetipP: DMX‘ Biografie. Habe ich gerade gelesen, wirklich gutes Buch.« (Samy Deluxe)

Was habt ihr bei dem ganzen Projekt voneinander gelernt?
Afrob: In erster Linie Arbeitstempo, dass man bestimmte Songs zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt auch fertig machen kann. Aber auch wie es ist, in einer Gruppe zu sein, ständig mit jemandem alles abzusprechen, aufeinander zu sitzen. Ganz viele Sachen, ich kann auch nicht so genau sagen, was. Ich hatte einfach das Gefühl, dass es mir etwas bringt, mit ihm zusammen zu arbeiten, auch über das Rap-Ding hinaus, weil ich ihn natürlich als Mensch sehr schätze. Ich will diese Erfahrung jedenfalls auf keinen Fall missen.
Samy: Bei mir war das v.a. dieses „Einfach nur Rap“-Ding. Ich bin ja hier in Hamburg immer von einer Menge Theoretikern umgeben, bei denen es um Siebenfach-Reime und sowas geht. Und dem-entsprechend drifte auch ich immer wieder sehr stark in diese Richtung ab. Ich glaube, es war schon alles okay, was ich in letzter Zeit gerappt habe, okay für seine Zeit. Aber sehr oft hatte ich halt einfach einen Reim, konnte ihn meistens auch inhaltlich einigermaßen füllen, aber musste ihn dann noch in den Takt bringen. Afrob ist immer genau auf dem Beat und findet dabei auch immer noch genau die richtigen Worte. Wir haben uns auf jeden Fall sehr gut ergänzt, von der Beat-Auswahl über verschiedene Song-Konzepte bis zur letzten Hook. Es war ja auch für mich ein Test, einmal mit einem anderen MC in einer Gruppe zu sein, und ich glaube, es ist ziemlich gut gelaufen. Zwei Rapper, zwei Meinungen, zwei Personen, aber ein geiles musikalisches Ding. Deswegen fällt es mir bei ASD auch irgendwie leichter, es anderen Leuten vorzuspielen.

Inwiefern?
Samy: Na ja, bei meinen Samy Deluxe-Sachen hatte ich immer so ein bisschen das Gefühl „Oh Gott, wenn er das jetzt scheiße findet, dann findet er mich auch scheiße“. Aber bei diesem Ding denke ich mir: „Okay, wenn er meinen Bruder hatet, dann soll er mich auch haten.“ Natürlich hat es seine Vorteile, alleine zu arbeiten. Aber wenn diese Platte bei den Leuten nicht ankommt, dann ist das zwar immer noch ein schlechtes Gefühl — weil es immer ein schlechtes Gefühl ist, nicht gemocht zu werden —, aber dann sitzen wir wenigstens beide in der Scheiße (lacht).

Denkt ihr jetzt, wo alles fertig ist und ihr Zeit habt, euch solche Gedanken zu machen, oft darüber nach, wie die Platte bei den Leuten ankommen könnte?
Samy: Wahrscheinlich können wir gar nicht anders, weil wir ja auch jetzt schon ständig mit solchen Situationen konfrontiert sind, in denen Leute die Platte beurteilen. Aber ich denke mir immer: auf das Beste hoffen und mit dem Schlechtesten rechnen – dann wird’s schon werden
Afrob: (lacht): Gutes Programm eigentlich. Ich rechne immer nur mit dem Schlechtesten und hoffe nicht.

Erfahrung mit deinem letzten Album war auch eher eine negative, zumindest in einer Hinsicht. Was war das für ein Gefühl, als du gemerkt hast, dass „Made In Germany“ nicht angenommen wird – und dann noch aus dem so zweifelhaften Grund, du für die Leute plötzlich nicht mehr der lustige Party-Rapper warst?
Afrob: Vielleicht sollte man den Misserfolg auch nicht immer auf das Thema schieben. Vielleicht lag’s ja gar nicht daran. Vielleicht war es einfach zu schlecht, das weiß man ja nie.
Samy: Also, ich fand’s geil.
Afrob: Ich fand’s auch geil. Und es ist schade um das Album, so wie es schade um Flames Album ist. Aber ich heul‘ da jetzt nicht rum, ist halt so gelaufen, wie es gelaufen ist. Ich habe ja gewusst, worauf ich mich da einlasse. Ich war mir dessen vollkommen bewusst, dass es für Deutschland ein heißes Thema ist. und gerade auch für die deutsche HipHop-Szene. Und es hatte ja auch schon auf „Rolle mit HipHop“ keiner die sozialkritischen Sachen gehört. Deswegen war mir klar, dass es bei „Made In Germany“ genauso sein wird. Ich wusste, ich kann da erzählen, was ich will. Aber jedenfalls habe ich etwas für mein Leben geschaffen, ich habe mich zu etwas geäußert, das mir am Herzen lag. Und ich weiß, dass es vielen Leuten, die in der gleichen Situation sind wie ich, etwas bedeutet hat. Und das ist ja eigentlich auch schon genug, oder?

»Ich rechne immer nur mit dem Schlechtesten und hoffe nicht. (Afrob)«

Würdest du im Nachhinein irgendetwas anders machen?
Afrob: Manchmal denke ich mir, eine andere Single wäre vielleicht besser gewesen. Solche Dinge fragt man sich ständig, bei jedem Scheiß. Aber eigentlich war schon alles okay so. Samy: Ich bin auf jeden Fall unzufrieden mit dem Gesamtbild der Videos zum letzten Album. Die waren für sich genommen auf jeden Fall cool. aber haben eben kein einheitliches Bild davon abgegeben, wie ich optisch rüberkommen möchte. Früher habe ich die Leute um mich herum oft einfach mal machen lassen, und mir gedacht, es wird schon alles gut. Bis ich irgendwann gecheckt habe, dass es da um mich geht. Deshalb sagen wir diesmal auch ganz klar, was wir wollen. Man wird zwar immer Fehler machen, weil vieles ja auch unter Zeitdruck passiert, aber wir versuchen zumindest, alles nach unserem Konzept durchzuziehen.

Diese Idee vollkommener Unabhängigkeit, dass erfolgreiche Künstler ihr eigenen Labels und sonstige Geschäfte aufziehen, hat sich in Deutschland ja überhaupt noch nicht so richtig durchgesetzt.
Afrob: Ein Label kostet Geld und Zeit. Vor allem jede Menge Zeit. Und wenn du dann noch Leute einstellst, dann hast du plötzlich nicht mehr nur Verantwortung für dich selbst, sondern auch für andere. Und unter dieser Verantwortung kann man sich auch persönlich kaputt machen. Solche Schritte sollte man sich sehr gut überlegen.
Samy: Wir haben natürlich auch von den Fehlern anderer Leute gelernt. Es gibt ja ein paar Leute hier, die sich ein Imperium aufbauen wollten, um nach einem halbem Jahr zu merken, dass ihr Label nicht nur kein Imperium geworden ist, sondern es auch bald nicht mehr existieren wird. Es ist schlauer, Schritt für Schritt zu gehen, und das zu tun, was man im Moment am besten kann. Und ich glaube, ich kann im Moment am besten rappen. Afrob macht auch noch Beats, wir haben beide unsere Verlage bei BMG, und ich habe durchaus auch konkrete Angebote für eine Klamottenmarke oder ein Label. Ich schließe das grundsätzlich nicht aus, aber im Moment hätte ich gar keine Künstler, die ich rausbringen könnte.

Wie begegnest du diesem ganzen Interesse an deiner Person? Nach „Weck mich auf“ war das Kino ja schon ziemlich groß.
Samy: Bei mir ist in den letzten Jahren in allen Bereichen meines Lebens so viel passiert, dass ich eigentlich immer ein halbes Jahr gebraucht habe, um alles zu realisieren. Ich habe zum Beispiel neulich erst gecheckt, wie large die „Fire!“- Tour war, als ich das fertige Tour-Video in den Händen gehalten habe. Als ich mit den Jungs unterwegs war, schien mir das alles ganz normal. Es war halt unsere Tour. Aber als ich dann gemerkt habe, zu was für einem Status ich als einzelne Person mittlerweile gekommen bin, dass da bis auf ein paar hundert Leute alle wegen mir gekommen sind, das war schon krass. Aber letztlich sind das alles Dinge, nach denen ich mich selbst nicht bewerte. Wenn die ASD-Platte jetzt rauskommt, sitze ich ja schon an meinem nächsten Album und will mich nach meinen eigenen Maßstäben verbessern. Wir haben mit „Wer hätte das gedacht?“ ja nicht nur den anderen was vorgelegt, sondern auch für uns selbst die Messlatte ziemlich weit oben gesetzt. Und wenn ich dann nicht so recht weiterkomme, weil mir die Beats fehlen und ich überhaupt nicht so recht weiß, wie ich es anstellen soll, dann hilft mir auch kein Chart-Entry weiter.

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