K.I.Z: »Wir sagen zwar, dass wir euch alle umbringen, aber wir haben keine Todesliste.«

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Zurück zum Album: Seit wann sitzt ihr eigentlich daran?
Tarek: Seit unserer Geburt. Die Platte ist eine Reise ins Ich. Das dritte Auge und so.
Maxim: Ehm, schon eine ganze Weile. Nach »Urlaub fürs Gehirn« sind wir viel getourt. Daraufhin haben wir direkt mit dem Album angefangen, noch vor »Ganz Oben«. Aber das Mixtape wurde einfach zu dope, deswegen hat das hier so lange gedauert.
Nico: Ein paar Beats hatten wir schon seit 2006 rumliegen. Und auch textlich stand einiges ziemlich früh. Die Songs sind dann aber erst in jüngerer Vergangenheit fertig geworden.
Maxim: Bei so persönlichen und politischen Songs wie auf dieser Platte, legt man ein anderes Maß an Perfektion an. Wenn jemand »Hurensohn« scheiße findet, ist das nicht so dramatisch. Doch wenn jemand einen persönlichen Song nur so »na ja« findet, dann nehme ich mir das zu Herzen. Ich würde denjenigen auf jeden Fall schlagen. Wenn er nicht stärker ist.
Tarek: So bescheuert es klingt: Ich mag das Album total gerne. Ich würde es mir selbst… (fängt an zu lachen)
Maxim: Ich hab’s mir schon selbst gekauft! Wenn man die ganze Zeit über Musik gemacht hat, in der man sich über andere belustigt, ist es wirklich schwer, auf einmal Musik zu machen, über die sich eventuell andere lustig machen.
Tarek: Dieses Gefühl kenne ich eigentlich gar nicht. Mir ist es auch nicht wichtig, dass irgendjemand eine Reaktion auf meine Musik zeigt. Bei »So Alt« von »Sexismus gegen Rechts« habe ich gemerkt, dass das scheiß­egal ist. Die Leute lieben den Song, obwohl es darin keinen knackigen Spruch gibt. Und ich finde es schön, wenn Leute einen Song hören können, wenn es ihnen schlecht geht. Wir hätten schon in der Vergangenheit viel mehr tröstliche Songs schreiben können. Und wir bleiben ja immer noch unserem Stil treu, nur haben wir uns nun stärker an Themen orientiert. Und ich bin froh darüber. Das klingt alles so Major-Spasti-Pressetext-mäßig. (lacht)

Ich schreibe gerne zwei Wochen an einer Strophe, und am Ende klingt sie so, als hätte ich sie in zehn Minuten hingeschissen. – Maxim

Ihr seid also an »HDWGU« tatsächlich ­verkopfter rangegangen als an frühere Alben. Tarek, im letzten JUICE-Interview hast du gesagt: »Je ungewollter, desto besser«.
Tarek: Hab ich das? Wahrscheinlich war ich high.
Maxim: Ich glaube, es soll immer so klingen, als wäre es ungewollt. Ich schreibe gerne zwei Wochen an einer Strophe, und am Ende klingt sie so, als hätte ich sie in zehn Minuten hingeschissen. Daran arbeite ich hart! Viele Künstler erlegen sich aber auch ein Dogma auf, dass etwas spontan entstehen muss. Eigentlich ist das Quatsch. Auf einer Freestyle-Session werden doch in neunzig Prozent der Fälle die gleichen Phrasen gebracht. Meistens sind spontane Sachen eher weniger originell, weil es erstmal Arbeit kostet, diese obere Schicht aus Sätzen, die du jeden Tag sagst, wegzupusten.
Tarek: Für Künstler ist es wohl unterhaltsam, spontan aufzunehmen. Aber der Hörer hat am Ende doch mehr davon, wenn sich der ­Künstler selbstkritisch mit seinem Text auseinandersetzt, bevor er ihn veröffentlicht.

Nico, wie schaut es auf der Produktionsebene aus. Du hast dieses Mal noch mehr selbst gemacht, oder?
Nico: Genau, ich habe das Album fast komplett produziert, gemeinsam mit unseren Freunden Kev Beats und Moses Schneider.

Seid ihr die Flitzpiepen, die bei »Boom Boom Boom« als Credit genannt werden?
Nico: Kev und ich sind das. Und eigentlich auch noch Gee Futuristic. Den Namen haben wir uns ausgedacht, als wir das Mixtape zusammen produziert haben. Die meisten Beat-Skizzen stammen nun von Kevin. Das sind teilweise ganz alte Dinger, die wir nachproduziert haben. Ein paar Beats von mir sind auch dabei, dann noch zwei von Gee Futuristic, und Benny Blanco hat bei dem Song »Glücklich & Satt« von Tarek mitproduziert.
Maxim: Dass Nico einer der ­Hauptproduzenten war, war für uns geil, weil er natürlich besonders engagiert an die Sache geht. Ich glaube, wir haben zum ersten Mal einen Sound, der das Ganze wirklich zu einem Album macht. Das haben wir uns immer gewünscht. Wir haben so lange nach Produzenten gesucht, dabei war er schon da. (alle lachen)

Tatsächlich klingt das Album irgendwie zusammenhängend, dabei ist es weder reiner Boombap noch purer Trap. Muss ein K.I.Z.-Album aus vielen verschiedenen Facetten bestehen?
Maxim: Ja, wir machen sehr assoziativ Musik. Wir überlegen uns einfach, spaßeshalber einen R’n’B-Song oder ein Punk-Stück zu machen. Und aus diesem Parodie-Gedanken entstehen sehr viele Songs.
Nico: Die ganzen Aufnahmen waren sehr Wohnzimmer-mäßig. Da spuckt jeder mal in die Suppe. Ich glaube auch, dass wir niemals ein Album mit so einem einheitlichen Sound wie »Sonny Black« hinbekommen werden. Dafür sind wir vielleicht alle zu aufgeschlossen.
DJ Craft: Ich lerne viele andere HipHop-Menschen kennen, die in einer Welt gefangen sind. Es gibt Boombap-DJs, die auch wirklich nur Boombap auflegen und zu Hause nur Boombap-Platten stehen haben. Wir sind eher die Weltenbummler, die mal auf einer Techno-Party feiern und dann wieder auf einem Punk-Konzert. Maxim ist zum Beispiel total der Text-affine Mensch, dem alles egal ist, solange der Text knallt. Da ist dann alles erlaubt. Und über diese Offenheit freue ich mich krass. Außerdem finde ich super, dass an dem Album fast alles selbstgemacht ist. Wir haben uns keine Beats zuschicken lassen, ­jedes Instru­mental ist im Bunker entstanden und auch für das Video zu »Boom Boom Boom« kam der komplette Input von uns. In diese Richtung muss es weitergehen.

Wenn man über so viele Jahre zusammen Musik macht: Funktioniert das immer besser, oder wird es schwieriger?
Maxim: Das Gute an der Arbeit in einer Gruppe ist ja, dass man zwangsläufig gewohntes Terrain verlässt, weil man sich zu Ideen von anderen zwingt, die man selbst erstmal völlig daneben findet.

 
Sich aufeinander einlassen – das ist also das ­Geheimnis, wie es K.I.Z. so lange ­miteinander aushalten?
Maxim: Das Geheimnis ist guter Sex.
Tarek: Wir verführen uns jeden Tag aufs Neue.
Nico: Vor ein paar Monaten saßen wir mit dem guten Herrn Peter Fox zusammen und haben von unserem Urlaub erzählt. Da meinte der: »Was? Ihr fahrt auch noch zusammen in den Urlaub?!«
Maxim: Selbst Fler, der uns, glaube ich, nicht besonders gerne mag, hat positiv hervorgehoben, dass wir »immerhin gut zusammenhalten«.
Tarek: Komisch eigentlich, dass es erstaunlich ist, wie lange wir es miteinander aushalten. Die meisten Leute trennen sich wohl, weil jemand nicht genügend Aufmerksamkeit bekommt oder denkt, er könne ohne die ­anderen noch viel weiter kommen.
Maxim: Rap ist halt ne extreme Selbstdarsteller-Mucke. Diese enorme Ideologie vom Selfmade Man – du machst alles selber, ganz allein, alles gehört dir – passt mit so einer ­Zusammenarbeit wie unserer zum Glück ­weniger zusammen.
Nico: Wir haben auch ein bisschen Glück, dass in unserer Gruppe kein Kool Savas ist, den neunzig Prozent der Leute geiler finden als den Rest der Gruppe. Auch wenn es immer wieder Vorlieben bei Fans gibt. Ich finde da immer nur etwas unangenehm, dass Maxim so gut aussieht. Das ist der einzige Aneck-Punkt.
Maxim: (lacht) Wir sind ja so was wie die Beatles auf Deutsch. Und bei denen kommen auch immer die Spezialisten an und meinen zu wissen, wer nun wirklich der Wichtigste war.
Tarek: Wir sind halt sehr flächendeckend. Bei uns ist für jeden was dabei: Maxim kriegt die Frauen und die Intellektuellen ab, bei mir sind es natürlich die Kriminellen, die meinen Sound im Knast pumpen. Und bei Nico…
Nico: …da wird’s eng. Ich hol die Fetten ab.

Wenn es in der Band so gut läuft, lebt ihr ja doch bereits die Utopie, um die es am Ende des Albums geht.
Nico: Ja, wir werden auch unsere Kinder alle zusammen großziehen.
DJ Craft: Und alle zusammen zeugen.
Nico: Russisch Roulette, keiner weiß, von wem das Kind am Ende ist.

Wenn Kreuzberg zu teuer wird, zieht ihr also raus aufs Land und startet eine Kommune.
Maxim: Ach, ich mag die Stadt. Und ich kann’s mir auch leisten, hier zu wohnen. Danke an euch Fans, ohne euch wäre das hier nicht möglich! Ich winke euch auch vom Balkon zu, wenn ich euch sehe. (lächelt) ◘

Text: Sascha Ehlert & Wenzel Burmeier
Fotos: Christoph Voy

Diese Titelstory erschien in JUICE #168 (hier versandkostenfrei nachbestellen).JUICE Ausgabe 168
 

1 Kommentar

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