Rap, Beats & Fashion Brands: Die Geschichte von HipHop und Marken // Feature

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Die Songtextseite Genius veröffentlichte letztes Jahr eine Studie, die den Trend in Zahlen abbildet. Sie vergleichen die Texte von Rappern im Jahr 2010 mit denen von 2016 auf die Nennung bestimmter Fashionbrands. Die Überraschung: Ralph Lauren, Gucci und Versace verzeichnen massive Einbrüche bei den Nennungen – trotz Migos-Ode. Es sind stattdessen die im Mainstream unbekannteren Luxusmarken wie Balmain, Givenchy oder Margiela, die einen Anstieg von mehreren hundert Prozent einfahren. »Durch Social Media hast du so viele Möglichkeiten, dich von überall her inspirieren zu lassen – und du kommst auch überall ran«, erklärt Eunique die neue Vielfalt. Viel mehr Hypes können in kurzer Zeit entstehen. Daniel Steindorf glaubt, dass das alles verändern wird: »Irgendwann wird es Marken geben, die nur noch digital funktionieren, die kein Zuhause mehr ­haben. Marken werden aufpoppen, kommen und gehen. Aber die Marken, die wirklich Kultur haben, die etwas vorzuweisen haben, werden bleiben.« Diese Marken arbeiten bereits daran – und haben die Zeichen der Zeit erkannt.

High-End-Street-Fashion-Schmelze

Es ist das Jahr 2017. Was einmal Gegenpole waren, scheint zusammenzuschmelzen. Louis Vuitton hat eine Kollaboration mit Supreme verkündet. Die Skatemarke hatte sich seit 1994 einen Namen als hochklassige Streetwear gemacht. Vor allem durch künstliche Verknappung der Produkte zog sie die Leute magisch an. »Supreme ist ja quasi die Ur-Streetwearmarke und hat sich eben genau über die konsequente Verknappung und gute Kreativarbeit ihren Stellenwert erarbeitet«, sagt Elvir Omerbegovic. 17 Jahre zuvor hatte Louis Vuitton noch geklagt, nachdem Supreme ein Skateboarddeck mit Louis-Vuitton-Anleihe designt hatte. Doch während die Liebe von HipHop zu Marken in Amerika weiter als Teil der eigenen Identität, wenn schon nicht von allen Rappern benutzt, dann doch zumindest großflächig anerkannt wird, tut sich Deutschrap damit schwer. Schon Döll hatte 2014 gerappt: »Es geht nicht drum, dass du (…) Supreme-Kappen trägst oder weiße Nikes/HipHop hat kein Dresscode und verpflichtet nicht zu Air Max 99/Ihr redet viel von Individualität, aber gleicht euch eins zu eins« (Döll: »Es bleibt dabei«).

Auch Ahzumjot meint in Bezug auf Supreme: »Mich nervt der Hype insofern, als dass er etwas undifferenziert ist. Leute kaufen im Endeffekt alles, wo dieses Supreme-Logo draufgeklatscht wird. Nach dem Motto: ‚Das mach ich, weil mir von einer bestimmten Szene gesagt wird: Das ist geil!’« Und natürlich kann man das immer wieder aufs Neue auf andere Marken übertragen, wenn so ein Hype entsteht.

Damals wie heute gilt im Bezug auf Marken und Künstler vor allem: Sei authentisch. Doch warum sollte die Sehnsucht nach Ruhm und Erfolg sich schlussend­lich nicht auch im Deutschrap in Form von Kleidung manifestieren? Zunehmend passiert das und macht Schule. Rapper verfügen heute über eigene Kanäle und setzen sich selbst als Marke ab. Wer mit einer Instastory potenziell hunderttausende kaufwillige junge Leute erreicht, ist für jede Marke interessant. Die Kreativität, die aus dieser Szene heraus entstanden ist, fließt in alle gesellschaftlichen Bereiche. Die Modeindustrie hat das erkannt. Highend-Fashion und Streetwear sind verschmolzen. Seit März 2018 ist Virgil Abloh Chefdesigner der Männerkleidung von Louis Vuitton. Den endgültigen Ritterschlag für die Entwicklung von Streetwear hatte es jedoch zwei Monate vorher gegeben: Am 10. Januar 2018 verkündet Dapper Dan, dass er eine Gucci-Boutique in Harlem eröffnet. Ganz offiziell. Ganz legal. 36 Jahre, nachdem er als Erster Highend-Fashion zu Streetwear gemacht hat, darf er das nun im großen Stile tun.

Zwei Tage vor seinem Konzert in Köln hat Rin einen neuen Track rausgebracht: »Nike«. Eunique hat mit der Sportmarke sogar eine offizielle Kooperation. Auch deutschsprachige Acts erreichen so langsam eine Größe, die Marken zum Nachdenken bringt. Snipes kündigt 2016 die Genetikk-Streetwear-Vision an, im März 2018 sieht man Yung Hurn für Zalando modeln. Gute Zeiten für Rap. Aber einen Track danach benennen? Eunique sagt lachend: »Wenn Nike mir einen richtig freshen Anzug gibt, bin ich auf jeden Fall am Start.« Die müssten sich aber anstrengen: »Ich mag immer die ausgefallenen Sachen. So zum Beispiel: ‚Was ist das bitte für eine Jacke?! Die bestand ja gerade nur aus Gurten!’«. Klingt eher danach, als müsste Eunique mal wieder in die Staaten. Dapper Dan besuchen.

Text: Niklas Potthoff
Illustration: Andreas Denzer

Dieses Feature erschien erstmals in JUICE #187. Back-Issues können versandkostenfrei im Shop bestellt werden.

1 Kommentar

  1. Toller Artikel!
    Bezüglich Grand Pubas Part, muss ich aber sagen, dass die Wiedergabe der Lyrics in dem Fall nicht korrekt ist. Grand Puba rappt auf dem Albumtrack zwar „Tommy Hilfiger top gear“, bei Yo!MTV Raps, rappt er allerdings „Polo the top gear“.

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