Rap, Beats & Fashion Brands: Die Geschichte von HipHop und Marken // Feature

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Aber: Was war eigentlich in Deutschland los? Nun ja, nicht viel. »Gerade HipHop-Kultur-Mode ist stark von den USA getrieben. Da funktionieren auch die Stränge gleich, also welcher Strang gezogen wird, damit etwas funktioniert. Das versuchen die deutschen Rapper wie in den USA«, sagt Daniel Steindorf. Er führt in Frankfurt den Laden UEBERVART, verkauft dort viele der Marken, die man heute bei Rin-Konzerten im Publikum sieht. Die Trends der Staaten kamen in Deutschland zumeist ein wenig zeitverzögert an. Auch Ahzumjot erinnert sich: »Es gab natürlich Marken, die eine Rolle gespielt haben, von FUBU bis Rocawear, Dada und Sean John. Das war der Tenor der kompletten Szene oder Nicht-Szene – zumindest wenn man sich einigermaßen mit HipHop auseinandergesetzt hat. Die waren aber krass unbezahlbar.« Die amerikanische HipHop-Kultur ist das Vorbild, das Sporten von Streetwear das Szenesymbol. Für das Tragen von Highend-Fashion fehlt es hierzulande an Motiven, vielleicht auch an amerikanischer Mentalität. Mit zu viel Markenliebe stößt man in Deutschland in der Szene teilweise bis heute noch auf Ablehnung. Eunique, selbst amerikanische Staatsbürgerin, findet das schade: »Weil ich es nicht als etwas Negatives, sondern als etwas Motivierendes empfinde. Das Tragen solcher Marken ist ja nur das Endergebnis von harter Arbeit.« Der amerikanische Traum manifestiert in Sneakern und Ketten.

In den Staaten wurde die Streetwear zunehmend ergänzt von Sporttrikots wie NBA-Jerseys. So wie heute etwa die KMN-Gang Trikots von Bayern München oder Paris St. Germain in ihren Videos trägt, war HipHop schon damals auf dem Sporttrip. Die Streetwearmarke Pelle Pelle wurde vor allem durch Football- und Basketballer überhaupt erst in den HipHop getragen. Und selbst da war die Verbindung keineswegs neu – und Nike verdankt ihr einiges. Seitdem Michael Jordan 1984 einen Deal mit Nike unterschrieben hatte, trug er den Erfolg der Marke in die Zukunft hinein. HipHop verliebte sich in Air Jordans – und natürlich auch in die Jerseys der Spieler. Jay-Z meinte später mal, es wäre zu einem Punkt gekommen, da hätte es auf der Straße ausgesehen, als würde das größte Basketballteam der Welt rumlaufen. Jeder trug das gleiche Outfit.

Change clothes and go

Es sollte die Grundlage sein, um mit nur einem Lied den Style einer ganzen Szene zu beeinflussen. Jay-Z und Pharrell Williams kreierten mit »Change Clothes« einen Song, in dem Jigga über maßgeschneiderte Ralph-Lauren-Anzüge, Vera-Wang- und Three-Dots-Fashion rappte. Die Szene folgt den Fashionvorbildern. Es kommt sogar zu deutlichen Einbrüchen bei den Verkaufszahlen von Basketballtrikots, sodass NBA-Chef David Stern damals Steve Stoute bittet, Jay-Z zu fragen, ob er nicht die Kleidung zurückwechseln könne. Jahre später wird A$AP Rocky erklären, dass die weitläufige Verbreitung von Streetwear damals der Grund für ihn war, sich abzugrenzen und bewusst nach etwas anderem zu suchen. Und damit war er nicht alleine. Schon ein Jahr nach dem Song erscheint »The College Dropout« – Kanye West tritt auf den Plan. Er arbeitet bereits 2006 mit Nigos BAPE zusammen, um ein Jahr später bereits mit Nike an der ersten Edition des Air Yeezy zu tüfteln (und später lautstark zu Adidas zu wechseln).

Seit Beginn der HipHop-Kultur hatte es, wie man sieht, nie den einen Kleidungs­stil gegeben. Doch mit der Verbreitung des Internets und dem kommerziellen Erfolg von HipHop folgte eine vollkommene Ausdifferenzierung der Marken. Bereits mit Brands wie Sean John, aber auch Supreme, gab es längst Streetwear-Marken, die sich preislich im Highend-Bereich bewegten – Sneakerkultur war kein Nischen-, sondern ein Mainstreamthema geworden. Viele der Fans kamen nicht aus einfachen Verhältnissen, sondern konnten sich auch hochpreisige Sachen leisten.

Auch in Deutschland. Aber wieso? Wie kommen Teenies an hunderte Euros, um sich mit Balenciaga-Täschchen einzudecken? Daniel Steindorf hat eine Theorie: »Die Millennials verfügen oft über mehr Geld, weil es die sogenannte Großelterngeneration ist. Deren Großeltern haben in Deutschland Geld verdient und sind spendabler als die Eltern. Es ist häufiger so, dass die Leute viel mehr Geld zum Ausgeben haben. Aber die können auch nicht einfach zu Louis Vuitton gehen und sich kaufen, was sie wollen. Es ist der Schritt drunter, die Streetwear für 100 bis 200 Euro.« Auffällig sei aber vor allem, wie schnell sich die angesagten Marken ändern würden. Ein, zwei Saisons, dann werde wieder zu etwas Neuem gewechselt.

Fashion Killas aus Prinzip

Um zu sehen, welche Marken es in der nächsten Saison werden, muss man sich HipHop-Videos ansehen. So war das auch bei A$AP Rockys »Fashion Killa« 2013. Bezeichnenderweise erschien das Video nicht einmal auf seinem Kanal, sondern auf dem der GQ – dem Männermode­magazin schlechthin. Vier Minuten und 27 Markennennungen später ist etabliert, worauf ein A$AP Rocky modisch so steht. Von Rick Owens über Ann Demeuelemeester bis Damir Dona birgt der Songtext Verständnishürden für Leute, die keine Markengeeks sind. Das Video macht er zusammen mit Virgil Abloh, verantwortlich für das »Watch The Throne«-Cover und Gründer der Highend-Streetwear-Marke Off-White. Rocky wird zum Aushängeschild für die Kompatibilität von HipHop und Mode in der Jetztzeit. Er modelt für Gucci, Dior Homme und Calvin Klein. Sogar ins Autobusiness schafft er es mit einem Werbespot für Mercedes.

Der Traum der HipHop-Szene vom Cadillac war indes nie verschwunden. Autos hatten als Marken stets eine wichtige Rolle gespielt. Ende 2017 kursierte im Netz eine Studie, die die in Raptracks meistgenannten Marken erwähnt: Es sind Mercedes, Bentley und Ferrari. Symbole für das Verlangen nach mehr, damals wie heute – wie das gerade erschienene Post-Malone-Album (»Beerbongs & Bentleys«) zeigt. Mit dem Unterschied, dass der Traum heute für viel mehr Menschen zur Realität wird.

Um dranzubleiben, welche Mode gerade angesagt ist, sind die Leute heute auf Fashionblogs unterwegs oder checken bei Instagram die Outfits ihrer Vorbilder. Rin beschrieb letztes Jahr im JUICE-Interview, wie sein Klamottengrind abläuft: »Ich habe sehr früh angefangen, im Internet zu ­hustlen. Wenn du klug bist, leihst du dir Geld, damit du das gleiche Teil viermal kaufen kannst. Dann verkaufst du drei und hast noch ein bisschen Gewinn.« Es ist diese Authentizität, die es ermöglicht, dass Künstler wie Rin mit Marken-Namedropping einen solchen Einfluss haben. Gleichzeitig definieren sie sich derart stark über die Marken, dass diese Teil ihrer Künstler­identität werden. Der starke Name der Marke hilft den Künstlern. Doch wer denkt, dass Künstler nun auch abseits der A$AP Rockys und Kanye Wests mit Markenkooperationen Cash machen, irrt. Elvir Omerbegovic, Chef von Selfmade Records und Division, hat letztes Jahr die Leute von Supreme in den Staaten getroffen – und erzählt, dass dort nicht einmal Drake Kleidung for free bekommt. Wieso auch? Wo knapp zwanzig Jahre vorher Tommy Hilfiger Rapper zu seinen Werbebannern gemacht hat, ist es heute der Reiz, dass genau das nicht passiert. Dieser Umstand macht die Sachen für Stars erst cool.

1 Kommentar

  1. Toller Artikel!
    Bezüglich Grand Pubas Part, muss ich aber sagen, dass die Wiedergabe der Lyrics in dem Fall nicht korrekt ist. Grand Puba rappt auf dem Albumtrack zwar „Tommy Hilfiger top gear“, bei Yo!MTV Raps, rappt er allerdings „Polo the top gear“.

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