Phunkonia: »Das ist Frankenland, kein Bayern« // Feature

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In Bamberg sieht es so aus, wie es der Name vermuten lässt. Auf einem Berg steht ein Schloss. Es ist schön, genauso wie die sich darunter erstreckende Altstadt, von der ein Teil sogar Klein-Venedig genannt wird. Die andere Wahrheit ist aber: Bamberg wirkt tot. Menschen trinken Bier vor spießiger Kulisse, Studenten schlurfen lethargisch durch die Gegend. Produktiver Dreck, kulturelle Kontrastpunkte, Jugendkultur generell scheinen unerwünscht zu sein, nicht zu existieren.

Wo ist sie dann nun, die Subkultur? Die Subkultur sitzt vor einer Uni-Mensa, die geschlossen hat, weil Samstag ist. Die Subkultur ist überhaupt nicht lethargisch, sondern hellwach, heißt SMG, was für Sarruh Mula Gang steht, die wiederum aus Amogee, Perc Ohanuna und Jimbo Slice besteht. Auch sie sind Teil des Kollektivs Kornkreis Mafia, auch ihr Sound ist von Chicago und von Memphis geprägt, auch sie sind in Bamberg aufgewachsen und wollen Franken verlassen. Aber von vorn.

Auf dem Weg zur Uni-Mensa tanzen einige hundert Männer und Frauen aus dem Sub-Sahara-Raum über die Straße. Es sind Geflüchtete, die ihren Unmut über die Lebensbedingungen im Bamberger Aufnahmezentrum für Asylbewerber äußern. Sie wirken friedlich, aber entschlossen. Einige Meter weiter stehen zwei Frauen um die fünfzig und regen sich über »diese Schmarotzer« auf. Auch das ist Realität in Franken, und SMG kennen sie nur zu gut.

Perc sagt: »Wir ziehen hier weg wegen des neuen Polizeigesetzes. Wir fühlen uns in unserer Freiheit eingeschränkt.« Nicht mal ein bisschen zsamgeschwaast, was so viel wie bekifft auf Fränkisch heißt, könne man sein, ohne Angst zu haben. Slice sagt: »In den letzten Jahren ist es für uns schwer geworden. Wir laufen durch die Straße, die Leute gucken uns komisch an, schreien sogar ‚abschieben, abschieben‘.« Der Franke hätte eben eine typische Stock-im-Arsch-Mentalität.

Weiches oder hartes D

Aber es ist nicht alles schlecht. Es gibt bei allen Rappern, die in diesem Text zu Wort kommen, eine Abneigung gegenüber dem konservativen Konsens und gleichzeitig eine Verbundenheit zur Region Franken und zu den Freiräumen, die sie sich mit ihrer Musik selbst geschaffen haben. Das schweißt zusammen. Oder: Das schwaast zsamme. »Wenn du hier Musik machst, kennst du alle, alle beeinflussen sich gegenseitig, und du hast genug Freiheit, dich zu entwickeln«, sagt Perc.

Um 2014 unterstützte Robanzee die SMG-Jungs bei ersten Rapversuchen. Slice lernte ihn vor zehn Jahren in einem Jugendzentrum kennen, als der über Lil-Wayne-Beats freestylte. Auch SMG wurden wie Kana von dem beeinflusst, was aus den Kasernen nach außen drang. Die Amis hätte man damals nicht übersehen können: Sie waren überall, joggten durch die Gegend und prügelten sich aufs Übelste vor den Clubs. (Zitat Perc: »Das war wie in einem Video auf World- StarHipHop.«) Slice sagt: »Wenn du in die Clubs von denen rein bist, hast du dich gefühlt wie in Amerika. In den normalen Clubs waren nur irgendwelche Bauern, die sich ihren Suff gegeben haben.« »Bauern«, noch so eine sprachliche Besonderheit. Mit »Bauern« sind konservative Männer aus der Gegend gemeint, die sich jedes Wochenende besaufen und das vermeintlich Fremde verabscheuen.

Eine Eigenheit, die alle Mitglieder von SMG mit anderen Franken-Rappern vereint, ist der fränkische Akzent, den sie in den Lyrics verbauen. Alles klingt dadurch flüssiger. Harte Konsonanten verschwinden, es wird plötzlich nur noch von einem »harten D« und einem »weichen D« gesprochen – alda. Und der Akzent hat noch einen anderen Vorteil: Wenn die »Bauern« oder die Polizei Ärger machen, dann hilft das Fränkisch meistens weiter, schwächt Ressentiments zumindest ab. Trotzdem arbeiten SMG gerade an ihren Leben in neuen Städten. Und an neuer Musik. Auch Robanzee produziert mit. Doch wer ist dieser Robanzee, auf den sich alle zu beziehen scheinen? Auch er wohnt in Bamberg. In jeder Ecke seiner Wohnung ist zu sehen, dass es hier um Musik geht. An den Wänden hängen Poster von Rage Against The Machine und J Dilla, in einer Ecke steht eine Gitarre, in einer anderen analoges Equipment zum Beats bauen. Die Wände sind abgedichtet, eine Aufnahmekabine ist zu erahnen. Manchmal, sagt Robanzee, sei es so, dass er einen Beat macht, einen Text schreibt, sich selbst aufnimmt, selbst mischt und selbst mastert. Er muss nichts mehr aus der Hand geben. Seit 2011 sind unzählige Releases erschienen, die stilistisch die unterschiedlichsten Genres bedienen. Harter, von Memphis inspirierter Rap, LoFi-Beats, von Grime inspirierte Bass- Musik, Samplebeats à la Madlib, Trap mit Jazz-Elementen. »Mein Vater ist Jazz- und Bluesmusiker«, sagt Robanzee, der wie die meisten seiner Szenekollegen erst Mitte zwanzig ist. »In meiner frühen Kindheit habe ich Miles Davis, John Coltrane und die Diskoplatten meiner Mutter gehört.« Sein Bruder ließ ihn später mit Fruity Loops daddeln. So entstanden die ersten Beats. Dann kamen Hardcore-Bands, dann wieder HipHop, dann eine Connection mit Kana. Seitdem ist Robanzee aus der fränkischen Szene nicht mehr wegzudenken. Zusammen mit Kuchenmann, Luca Brasi und einigen Produzenten veröffentlichte er als Smilingstreet-Kollektiv Musik, mit Laca, einem der älteren Frankenrapper, dreht er in Nürnberg Dinger, Soulection spielte seine Beats. Robanzees bisherige Karriere ließe sich am besten mit Aufzählungen von unzähligen Kollabopartnern und Stilen erklären, aber darum soll es hier nicht gehen.

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