Mädness: »Ich höre nahezu ausschließlich Rap, selbst die wacken Sachen!« // Interview

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Trotz des Namens ist Darmstadt nicht gerade dafür bekannt, besonders viel heißen Scheiß zu liefern. Tatsächlich gilt niemand als Banause, dem neben Olexesh auf Anhieb kein zweiter Rapper aus der Stadt im Süden Frankfurts einfällt. Aber halt: Da war doch noch wer. Dieser Typ mit Drei-Wochen-Bart und verschmitztem Lächeln, der auf dem splash! den überdreht-schleimigen Moderator mimte. Der mit Szenegrößen wie Banjo und Savas zu hören war. Der in sechs Jahren ebenso viele Releases herausbrachte und in Kennerkreisen ob seines formvollendeten Flows als Geheimtipp galt. Der vielleicht zum Star avanciert wäre – hätte er sich nicht sang- und klanglos in die Schaffens­pause ­verabschiedet, um Spirituosen an das Volk zu hustlen. Mit »GUDE« hat Mädness inzwischen sein kleines Alkoholimperium aus dem Boden gestampft. Und weil Betrunkensein ohne anständige Musik nur halb so viel Spaß macht, legt der gebürtige Hesse nun auch wieder guten Stoff für die Ohren nach. Höchste Zeit für ein paar unernste Worte.
 
Gude!
 
Äh, hi. Was hat’s denn mit dem Wort auf sich?
Gude? Das ist in Hessen ein Allzweckwort. Wir begrüßen uns damit, so wie man andernorts »Moin« oder »Grüß Gott« sagt. Es kann aber auch »Prost« bedeuten, oder jemand kann ein »Gude« sein, also ein ­korrekter Typ.
 
Du feierst diesen Hessen-Style schon ziemlich, oder?
Total. Was anderen der Städtekult ist, ist mir das Bundesland. Ich mag Hessen einfach: Die Menschen, die Tradition, den Dialekt. Wobei ich es generell cool finde, wenn Leute in Mundart reden – das hat immer was Ehrlicheres, Direkteres. Ich baue diesen lokalen Flavor ja auch in meine Musik ein. Das fängt schon beim Namen meiner neuen EP »Maggo« an, was quasi die hingerotzte Aussprache meines Vornamens »Marco« ist. Ich achte aber auch darauf, das nicht zu sehr raushängen zu lassen, sonst verliert es seinen Charme und bekommt leicht etwas Bäuerisches.
 

 
Der Name ist ja meist das erste, was man von einem neuen Musiker mitbekommt. Du nennst dich Mädness, mit ä. Dein ­Produzent heißt Kollege Schnürschuh. Dir ist bewusst, dass ihr damit schon ein bestimmtes Image transportiert, bevor jemand auch nur einen Song von euch gehört hat?
Ehrlich gesagt haben wir darüber nie ­nachgedacht; wie so viele gute Ideen sind die Namen im Vollrausch entstanden. Aber du hast natürlich Recht: Man würde dahinter jetzt nicht gerade jemanden vermuten, der über seine ­Drogengeschäfte und Knastaufenthalte rappt, und das trifft ja auch zu.
 
Machst du dir denn generell Gedanken darüber, wie du wahrgenommen wirst? Für viele Hörer ist deine EP nach der vier­jährigen Pause ja ein de-facto-Debüt.
Darüber gibt es sogar eine Line auf der EP: »Kids halten mich für ’nen uralten Knacker/Während Rapmedien mich wieder zum ­Newcomer machen«. Klar: Wer heute 18 ist, der hat meine Musik mit 14 mit ziemlicher Sicherheit nicht gehört. Ich bin aber nicht darauf aus, mich jetzt neu zu erfinden oder so. Mein Image ist meine Persönlichkeit, und an der hat sich nicht viel geändert.
 
Und an deiner Art, Musik zu machen?
Da vielleicht schon, aber auch nur im Detail. Früher war es mir immer wichtig, zu zeigen, was ich kann. Wenn ich einen Beat gehört habe, ging mir gleich durch den Kopf, welche ­technischen Spielereien man da einbauen könnte: Hier vielleicht mal ’ne Doubletime-­Passage, dort was Geflüstertes oder besonders viel Druck in die Stimme, etc. Heute mache ich das zwar auch, aber nur dann, wenn es sich wirklich anbietet, und nicht, um mir selbst oder sonst wem etwas zu beweisen.
 
Du hast generell eine sehr leichtherzige Einstellung zur Musik, oder?
Eher zu meinem eigenen Platz darin. Ich bin glücklicherweise nicht auf Rap angewiesen, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen, deshalb produziere ich sehr frei von Erwartungs­druck und kommerziellen Zwängen. Das heißt aber nicht, dass ich HipHop als Kultur und Lebenseinstellung nicht ernst nehmen würde. Im Gegenteil: Nichts anderes hat mir so viele bleibende Freundschaften, witzige Szenen und bereichernde Augenblicke geschenkt wie die Musik. Ich kann diese etwas emotionalisierte Oldschool-Sichtweise auf Hip Hop als Lifestyle also durchaus verstehen…
 
…und dich gleichzeitig auf »Ich sterbe für Hip Hop« darüber lustig machen. Der Track ist ja zurzeit recht erfolgreich. Was meinst du, wie viele Leute ihn für voll nehmen und wie viele als Satire?
Ungefähr 50/50, würde ich schätzen. Aber eigentlich ist er auch genau so gemeint: Als musikalisches Liebesbekenntnis von einem, dem sich trotzdem die Fußnägel aufrollen, wenn jemand allzu pompös von den »vier Elementen« daherschwätzt.
 

 
Persönlich hast du’s ja nur mit einem ­dieser vier Elemente so wirklich, oder?
Das stimmt. Als Maler hab‘ ich‘s mal versucht: kein Talent. Als Breaker auch nicht, und wenn ich meine eigenen Beats bauen müsste, würde es wahrscheinlich nie wieder einen Song von mir geben. Aber ich liebe es, zu MCen, und zwar in allen Facetten. Ich kann mich hinsetzen und einen Text ­schreiben, in dem ich mir über jede Zeile den Kopf ­zerbreche. Ich kann aber auch zur Open-Mic-Session gehen oder auf meinen eigenen ­Auftritten ein paar 16er freestylen. Ich feiere auch diese Cypher/Battle-Formate ganz extrem, weil das einfach Rap in Reinform ist: Kein Image, kein Backup, noch nicht mal ein Beat – nur zwei Typen, die mit ­ihrem Flow und ihren Lines überzeugen müssen. In den USA und England ist das ja inzwischen total populär, zu den King-Of-The-Dot-Battles kommen Tausende von Zuschauern, und auch etablierte Rapper wie Puff Daddy oder Busta Rhymes sitzen da gerne mal im Publikum. Auch in Deutschland entwickelt sich das mit Shows wie Rap am Mittwoch und Don’t Let The Label Label You in eine gute Richtung. Ich selbst würde da heute nicht mehr auftreten, aber ich war zum Beispiel beim MOT [Video-Battle-Turnier vom Splash-Mag; Anm. d. Verf.] Teil der Jury.
 
Du bist also auch privat mehr der ­Raphörer?
Das ist noch untertrieben. Ich höre nahezu ausschließlich Rap, davon dann aber wirklich alles, selbst die wacken Sachen! Ich kann was mit kommerziellen Produktionen anfangen, mit Image-Rap, mit Gangsta-Rap, Conscious-Rap, Emo-Rap, you name it … Ich kann einen Tua feiern oder einen Kendrick Lamar, aber genauso gut einen Taktlo$$ oder, ja, sogar ­einen Money Boy. Ich bin totaler Nerd, was das angeht, und verfolge auch immer sehr genau, was für musikalische Trends es zurzeit so gibt, wer von welchem Sound beeinflusst ist, etc.
 
Wahrscheinlich solltest du Musik­journalist werden.
Die Interessenlage wäre jedenfalls ­vorhanden, aber ich find’s auf dieser Seite des Interviews schon besser. (lacht)
 
Ok, dann erzähl doch zum Abschluss noch ein bisschen was zu deiner EP und wie es mit deiner musikalischen Karriere nun weitergeht.
Auf »Maggo« gibt es sechs Tracks zu hören, darunter einen, der meinen Weg seit dem letzten Release grob zusammenfasst, und zwei weitere, die zusammen mit Kamp ­entstand sind und als Teil einer ­gemeinsamen EP geplant waren, die dann aber nie fertig geworden ist. Einen Track habe ich zusammen mit Yassin geschrieben. Mit im Boot sind auch Gibmafuffi und DJ Resist und Breaque an den Cuts. Manche Sachen sind schon ein paar Jahre alt, ­andere aktuell. Weitere neue Songs wird es dann natürlich auf meinem kommenden Album/EP geben. Dafür steht zwar noch kein Release-Termin fest, aber vier Jahre wird’s diesmal nicht wieder dauern. ◘
 

 
Text: Constantin Baron van Lijnden
Foto: Andre Grohe
 
Dieser Interview ist erschienen in JUICE #163 (hier versandkostenfrei nachbestellen).
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