Narzisten unter sich: Kanye West hat dem 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten am gestrigen Tag einen Besuch im Weißen Haus abgestattet. Ein Auftritt, der getrost als denkwürdig bezeichnet werden kann. Innerhalb der letzten Monate hatte Ye bereits von seinem skurrilen Sklaverei-Kommentar bei TMZ über seine regelmäßigen Twitter-Rants bis zur Verteidigung der »Make America Great Again«-Mütze bei Saturday Night Live für Stirnrunzeln gesorgt. Gestern endlich fand Kanye einen Ort, an dem seine Worte auf Anklang stießen: das Oval Office.
Donald Trump hatte Ye eigentlich für ein gemeinsames Mittagessen eingeladen, um über eine Gefängnisreform zu sprechen. Der davor angesetzte Fototermin endete jedoch in einer einzigen Freakshow, in der es sogar Trump, der sich selbst im Amt des Präsidenten selten als abgeklärter, ruhiger Gesprächspartner erweist, die Sprache verschlug. Begleitet von zig Kameras redete sich Ye mit rotem MAGA-Hut auf dem Kopf in Rage. In seiner Lobesrede auf den Präsidenten (»Trump is on a hero journey«) sprang er von Industrie und Arbeitsmarktpolitik zu Verbrechen in seiner Heimatstadt Chicago bis zu seiner bipolaren Erkrankung, während der extrovertierte Präsident keine Silbe von den Lippen ließ, nur ab und an verlegen nickte. West erklärte seine Sympathien für Trump u.a. damit, dass ihn die MAGA-Kappe »like superman« fühlen lasse. Die Inhalte, die Hilary Clinton mit ihrer »I’m With Her«-Kampagne während der Präsidentschaftswahlen 2016 verkörperte, hätten ihn als Mann, der gerne Ball mit seinem Sohn spielen wolle, nicht angesprochen.
»I love this guy right here«
Nebenbei zückte Ye sein Smartphone und zeigte ein Bild herum. Darauf zusehen: das »iPlane 1«, ein futuristisches Flugzeug, mit dem, wenn es nach Kanye geht, auch der US-Präsident künftig fliegen sollte. Doch es sollte noch merkwürdiger werden. Nachdem er seinen Monolog allmählich beendet hatte, stand Ye auf, schritt auf die andere Seite des Schreibtisches und umarmte Trump mit den Worten »I love this guy right here«.
Es ist fragwürdig, ob sich Yeezy damit einen Gefallen getan hat und ob diese bizarre Darbietung als Promo-Stunt ausgelegt werden kann. Einer Fan-Theorie nach befände sich West nämlich derzeit in einer umfassenden Kunst-Inszenierung, die von Andy Kaufman und Jospeh Beuys inspiriert sei. Der US-Komiker Kaufman hatte in den Siebzigern mehrfach Comedy-Aktionen ausgetragen, bei der die Grenze zwischen Realität und Performance verschwamm. Spätestens gestern hätte West im Angesicht des US-Präsidenten vor den Augen Weltöffentlichkeit diese Maske fallen lassen können – hat er aber nicht. Die einzige Schlussfolgerung hieraus dürfte sein: Kanye meint das alles ziemlich ernst. Die Reaktionen diverser Kollegen aus dem Rap-Game bestätigen diesen Eindruck in aller Deutlichkeit.
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and before yall start caping for false "profits"—read this here thread https://t.co/NCMzzot4jF
— I won't not Quest you the Love up. Question Mark. (@questlove) 11. Oktober 2018
Never forget that the real reason Kanye is obsessed with Trump is because his fragile ego was so hurt by President Obama calling him a jackass…it is ALL about him! https://t.co/VeRKoHJW6s
— RosenbergTelevision (@Rosenbergradio) 11. Oktober 2018
Wer mehr über die Beziehung von Kanye West und Donald Trump und deren Gemeinsamkeiten erfahren möchte, dem sei der WDR-Cosmo-Podcast »Machiavelli« ans Herz gelegt. Darin unterhalten sich Journalist Vassili Gold und JUICE-Autor Jan Kawelke über Rap & Politik. In der vierten Folge dreht sich alles um Ye und Trump. Hier könnt ihr reinhören.