Kanye West – Late Registration (2005) // Review

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(Roc-A-Fella / Def Jam / Universal)

Wertung: Fünfeinhalb Kronen
Diese Review erschien erstmals in JUICE #79. Anlässlich des 13. Jubiläums von Kanyes Zweitling veröffentlichen wir sie heute erstmals online.

Auch auf die Gefahr hin, den sich ganz mächtig anbahnenden Kanye-Overkill der letzten Wochen und Monate endgültig zu komplettieren: Eine andere als diese zur Platte des Monats Oktober zu machen, wäre nicht weniger als blanker Hohn gegenüber der Rapmusik als solchen. (Übrigens, für den Fall, dass Kanye wieder anruft und diskutieren will: Für die sechs Kronen fehlt mindestens die Jay-Z/Nas-Kollabo.) All jenen, die immer noch der Ansicht sind, er könne nicht rappen, hat der Louis Vuitton Don ja bereits die Single »Diamonds« entgegengehalten, die insbesondere in der Originalversion eine einzige große Killerpunchline war. He punchlined it, wie Duke Da God sagen würde. Apropos God: Kanyes Themen haben sich gegenüber »College Dropout« kaum geändert. Es geht um den Glauben, die Frauen, das Geld, mithin das Leben, und all das wird aus einer grundkritischen Haltung heraus behandelt, die man durchaus nörgelig nennen könnte. Ich aber nenne sie notwendig. Denn auch wenn er manchmal nicht die allerschlauesten Sachen sagt (man erinnere sich an die Sweatshop-Passage aus seinem JUICE-Interview in der letzten Ausgabe), so sagt er manchmal doch ziemlich schlaue Sachen und zumindest immer irgend etwas, was in Zeiten von Flutkatastrophen und verrückten Fröschen verdammt nochmal eine verdammte Pflicht ist. Verdammt. Und dann ist da ja noch die Musik. 70 Minuten, letztlich dann doch wieder ein bisschen zerfranst durch all die Skits und Bonustracks, aber trotzdem auf einem Niveau, wie man es so sonst nirgendwo bekommt. Im Prinzip ist hier jeder Song eine Single, dass sich das Album trotzdem extrem stimmig anhört, mag mit der viel diskutierten Hinzunahme Jon Brions zu tun haben, vielleicht mit der Carter Administration, ganz sicher aber auch mit Kanyes grandiosem Gespür für Melodien und Emotionen. Man nehme etwa das famose »Bring Me Down« mit Brandy, das letztlich nie so wirklich losgeht, aber gerade dadurch eine unvergleichliche Intensität gewinnt. Oder »Crack Music« mit The Game an der Hook, auf dem in gut vier Minuten mal eben 80 Jahre schwarzer (Musik-)Geschichte aufgearbeitet werden. Oder »Drive Slow«, das ein subtiles Houston-Feeling transportiert, ohne dabei geschraubt und geschnitten zu sein. Oder das scheiße lässige »Gone«, auf dem Kanye braggen und Killa Cam beweisen darf, dass an ihm ein mindestens so begnadeter Sänger verloren gegangen ist wie an Ghostface und Tony Yayo. Oder oder oder. Dazu kommen clever ausgewählte Features (Paul Wall, Lupe Fiasco, Jamie Foxx), ein gewohnt ausgefuchstes Artwork und natürlich Kanyes leider fast einzigartiger Anspruch, mit jedem Song ein kleines Stück Musikgeschichte zu schreiben, das ganz für sich alleine stehen und bestehen kann. Outstanding (you fucking haters).

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