Young, wild & black: Warum 2019 das Jahr von Flohio werden könnte // HipHope

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Flohio hat bisher nicht viele Tunes veröffentlicht, trotzdem gilt sie als unkonventionelle Hoffnungsträgerin von UK-Rap. Die Qualität ihrer Bars und der Fortschritt, den sie in kurzer Zeit gemacht hat, geben dem Hype recht.

Flohio ist als Support für Princess Nokia und Clams Casino aufgetreten, Naomi Campbell ist Fan von ihr und stellte sie Anfang 2018 im Mode­magazin Vogue als eine von zehn Frauen vor, die die Zukunft prägen werden. In der jüngeren Vergangenheit hat Funmi Ohiosumah alias Flohio jedenfalls mit ihren scharfen, flexiblen und smarten Lyrics schon unüberhörbare Spuren hinterlassen.

Geboren in Lagos in Nigeria, kam Flohio als Achtjährige mit ihren Eltern und ihrer Schwester nach England. Zuerst irritiert vom neuen Umfeld, fand sie im Londoner Stadtteil Bermondsey, dem sie auch einen nach seiner Postleitzahl SE16 benannten Tune gewidmet hat, südlich der Themse ihr Zuhause. »Ich habe dort neue Perspektiven gewonnen, neue Sounds gehört«, sagt sie in einem Interview für das Magazin Dazed Digital. Flohio repräsentiert mit ihrer englisch-nigerianischen Sozialisation eine junge Generation in Großbritannien, die hybride Identitäten ausleben, die sich nicht auf eine nationale Zugehörigkeit beschränken. »Ich repräsentiere immer beides«, erklärt sie im erwähnten Interview.

Als Kind ist sie Einzelgängerin, findet Spaß an Musik und Texten, schreibt erste Lyrics mit 13. Bis sie als schlagfertige, energiegeladene und charismatische Rapperin auftritt, dauert es noch eine Weile. 2011 sind ihre ersten Musikvideos im DIY-Style online, 2016 erscheint ihre erste EP »Nowhere Near« auf Bandcamp. Zu heftigen, düster vibrierenden Beats spittet Flohio treffsichere Bars zwischen kantigem Flow und schnellem Double-Time. Sie bewegt sich auch hier in einem Zwischenraum – wechselt fließend zwischen ravigem Grime und rollendem Rap. Sie hat keine Berührungsängste mit Clubmusik, liefert 2017 Bars zu schnell pumpenden Tracks von Elektronikmusikproduzenten God Colony und L-Vis 1990. Obwohl ihre Worte auf der EP »Where We Were« von God Colony von 2017 teilweise nicht ganz auf den eher ungewöhnlichen Beats zwischen Rap, Bassmusik und House zu sitzen scheinen, blitzt ihr Talent immer wieder auf. Schnell wird klar, dass sie den Turn-up beherrscht.

In ihre dichten Texte webt sie aber nicht nur Battle-Zeilen oder selbstbewusste Ansagen ein, sondern bezieht sich zu bangenden Beats auch auf prägende Erlebnisse wie den Tod einer Freundin in »My World« von 2016 oder den Brand des Grenfell Towers in West-London von 2017 in »Bands«. Ihre Arbeit als Grafikdesignerin für das Label Ninja Tune hat sie schließlich aufgegeben, um sich auf die Musik zu konzentrieren. Die künstlerische Steigerung ist auf ihrer aktuellen EP »Wild Yout« deutlich hörbar, scheinbar mühelos fliegen ihre Worte über die bassigen 808-Beats des Produzenten HLMNSRA. »Young, wild and black – so werde ich mich immer fühlen, bis zu dem Tag, an dem ich sterbe«, sagt die Mittzwanzigerin in einem Video-Interview für i-D. Flohios Energie springt über – sicherlich auch nach dem Hype.

Text: Philipp Weichenrieder
Foto: Stefon Grant

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