Deutschland sucht den Superbra: Capitals »Cherry Lady« ist ein trauriger Moment für deutschen HipHop // Kommentar

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Das muss man erst mal sacken lassen: In der Nacht zum Freitag veröffentlichte Capital Bra seine neue Single »Cherry Lady« – wie der Titel vermuten lässt, bedient sich der Song stark am Modern-Talking-Hit von 1985. Wie es so weit kommen konnte, fragt man sich da auch ohne Rap-Scheuklappen und angewachsenem Eastpak-Rucksack. Zur Einordnung lohnt es sich, die Ereignisse der letzten Tage im Schnelldurchlauf Revue passieren zu lassen: Los ging’s am 12. März, als Dieter Bohlen in einem »BILD«-Interview fleißig über Deutschrap vom Leder zog und dabei explizit Kritik an Capital äußerte. Bedenkliche Botschaften, ein fragwürdiges musikalisches Vermächtnis und Augenwischerei beim Konsumenten, dem ein Luxus-Lifestyle vorgegaukelt würde, lauteten die Vorwürfe an den Bra. Nicht nur der fühlte sich angegriffen, auch viele andere erfolgreiche Deutschrapper präsentierten dem selbsternannten Pop-Titan anschließend auf Instagram, wo Bohlen seit vergangenem Sommer sein Unwesen treibt, diverse nicht auf Pump erworbene Wertgegenstände. Mein Haus, mein Auto, mein Boot – dass Deutschrap in den letzten Jahren nicht nur Follower, sondern auch Banknoten noch und nöcher anhäufen konnte, dürfte anschließend auch der Modern-Talking-Hälfte klargeworden sein.

So weit, so erwartbar – außer Kay One, so dachte man, kann auch 2019 kein deutscher Rapper besonders viel Sympathie für »DSDS«-Juror Bohlen aufbringen. Jener Kay One übrigens, der nach seinem fluchtartigen Ausstieg beim Bushido-Label Ersguterjunge lange szeneintern als Witzfigur galt, sich anschließend als Bohlens »Superstar«-Sidekick über Wasser hielt und schließlich im Sommer 2017 mit einer Cover-Version des Modern-Talking-Songs »Brother Louie« Platin ging. Es entbehrt somit nicht einer gewissen Ironie, dass mit Capital nun ein weiterer Ex-Verbündeter Bushidos mit Bohlen abkumpelt und dessen angestaubte Diskostampfer mit neuem Glanz versieht.

Wie Kanye im Trump Tower

Aber der Reihe nach: Im Anschluss an die erste Konfrontation hatten die beiden Streithähne die Wogen schnell wieder geglättet – und machten sich offensichtlich schnurstracks daran, Pläne für eine Zusammenarbeit zu schmieden. Anfang dieser Woche folgte dann die Bestätigung, dass ein »Cheri Cheri Lady«-Remake in Arbeit wäre, ehe man gestern in den Instagram-Storys beider Protagonisten Zeuge von Bohlens Hausbesuch in der Casa Capi werden durfte – natürlich inklusive kurzem Pre-Listening des neuen Smashhits via eines Bluetooth-Lautsprechers. Auf seltsame Art erinnerte die Zusammenkunft des ungleichen Paares an Kanye Wests Trump-Tower-Meeting mit dem amtierenden US-Präsidenten vor dessen Amtsantritt im Dezember 2016: Auf der einen Seite die Jugendkultur-Ikone, auf der anderen ein schlecht gekleideter Reality-TV-Tölpel mit Hang zur Überdosis Selbstbräuner.

Nun ist über die Symbiose von Rap und Schlager im vergangenen Jahr viel sinniert worden. Und genau betrachtet bietet das von Jumpa produzierte »Cherry Lady« auf musikalischer Ebene keine Angriffspunkte, die nicht auch schon »Prinzessa«, »One Night Stand« oder »Allein« geboten hätten. Wer Capis Nummer-eins-Hits der letzten zwölf Monate scheiße fand, der wird auch hierzu nicht die Hüften kreisen lassen – wer die Me-le-le-lodien bisher feierte, hat auch nichts gegen die Neuauflage eines fragwürdigen Eighties-Klassikers einzuwenden.

Das Problem ist von ideologischer Natur: Auch wenn Bohlen und Bra nach ihrem kurzen Zwist nun öffentlichkeitswirksam Busenfreunde geworden sind, hat sich an Bohlens herablassender Haltung gegenüber HipHop vermutlich wenig geändert. Schlimmer noch, Capitals freiwilliges Eintauchen in die Plastikwelt aus »DSDS« und dem dösbaddeligen Selfie-Gebrabbel von »Dieters Tagesschau« kommt einer Entsolidarisierung mit HipHop und dessen Grundsatz als Gegenkultur gleich. Klar, Capital, der im Falle einer Nummer-eins-Platzierung für »Cherry Lady« in den deutschen Singlecharts mit dem ewigen Rekord der Beatles gleichziehen kann, ist ohnehin längst im Mainstream angekommen. Trotzdem lässt die Influencer-Logik, nach der diese Zusammenarbeit entstanden ist, jene Haltung vermissen, die man sich von einem Rapper gegenüber all den Auswüchsen des ekelhaften RTL-Universums erhofft. Denn über eins sollten wir uns einig sein: Wenn plötzlich Frauke Ludowig in der Insta-Story eines deutschen Rappers zu sehen ist, dann läuft hier gerade so einiges schief.

12 Kommentare

  1. Den Grundsatz als Gegenkultur hat deutscher Rap (mit HipHop haben die meisten Protagonisten absolut gar nichts zu tun) spätestens mit dem Einzug der „Boxen-Kultur“ für das Erreichen hoher Chartplatzierungen abgegeben. Das ist nämlich noch perfider als jede noch so künstliche Teenieband, die den Reißbrettern irgendwelcher schmierigen Musikmanager in den 90ern entsprungen ist.

  2. Alles kalkuliertes Marketing. Als ob das Zufall ist, macht mal eure Augen auf. Und Autotune ist der letzte Müll. Ich wünsche mir die guten alten Zeiten zurück. Jeder kleine Lauch denkt plötzlich er wäre Rapper nur weil er irgendwo nen geilen Beat gefunden hat und seine Milchbubi Stimme via Autotune verändert. Rap ist tot!

  3. So eine peinliche Scheiße.
    Ist mir scheiß egal was da passiert.
    Hoffentlich wird die Scheiße bald mal rasiert.
    Jeder normal denkender Mensch mit gesunden Menschenverstand feiert diese Scheiße garantiert NICHT!

  4. Naja viele der aktuell erfolgreichen rapper machen halt volksmusik also das neue format der volksmusik flache texte auf gute laune beats was dann der alten volksmusik ähnlich kommt, anstatt sich darüber aufzuregen könnte die juice klassische rapkünstler die liebe für diese kultur haben wie beispielsweise azudemsk oder slowy pushen.

    • Leider ist die Juice inzwischen Teil dieses jämmerlichen Spiels und muss sich mit Clicks und Mainstream Geschichten über Wasser halten. Um Hip Hop geht es da schon lange nicht mehr.

  5. ich gebs auf…. die sind alle nur für die scheine da…musik interessiert da kaum noch einen! da hör ich lieber Cr7z,Amewu und meinen eigenen Shit… aber is ja nur meine meinung. PEACE

  6. macht mich einfach nur traurig und sauer was im Moment mit der Hip-Hop und Deutschrap Welt los ist. Alles klingt gleich.
    Keiner hat mehr gute Texte sondern nur noch Hooks wie : Stapel Scheine, stapel scheine, spiel wie Messi spiel wie Messi bla bla bla.

    Capital ist mit Abstand derjenige, der am meisten zum Absturz der Rapszene beiträgt

    Damals hab ich einen Track gehört und gedacht: wow das könnte ich niemals…
    Heute hört man den Müll und weiß ich kann es 10 mal besser.

    Gute Nacht.

  7. scheinheilig seitens der juice und aller über Rap schreibenden Idioten, die zuvor an Bra und Co. irgendwas authentisches zu sehen glaubten und schön brav die Popscheiße im namen von Rap mitgehyped haben. wenn er zuvor Tracks auf dem selben mainstreamigen Popgesabber Niveau gemacht hat, und es praktisch identisch klang, wurde der Erfolg bewundert und die die Popmucke wurde Rap genannt bzw. wurde für zumindest ok befunden. jetzt wo ein offensichtlicher Schulterschluß mit jmd stattfindet, der musikalisch eigentlich eine ähnliche Version hat, aber Bohlen heißt, ist es auf einmal unerträglich und Ausverkauf?? Rap- Journalismus ist der größter Witz hierzulande!

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