Zugezogen Maskulin Vs. The Beats

-

Zugezogen_Maskulin_by_Philipp_Gladsome

Nachdem 2014 als Scheißjahr gescholten wurde, versuchte man sich dieses Jahr ­allerorts in Wiedergutmachung. Und obwohl Erstwochenverkäufen, Chartpositonen und Amazon-Gimmicks noch immer gefühlt zu viel Bedeutung beigemessen wird, kam es im Deutschrap tatsächlich zur Rückbesinnung auf musikalische Werte, ­Inhalte – und Bawrz. Zugezogen Maskulin trugen ihren Teil dazu bei, indem sie mit ihrem ­Album ­»Alles brennt« ein mutiges Statement zur Lage der (Rap-)Nation vorlegten, das ­deutschen Rap auch endlich wieder für die Feuilletonisten-Garde greifbar machte. Gerade erst von Tour zurückgekehrt, trafen wir Testo und Grim104 an ihrer alten Wirkungsstätte als rap.de-Praktikanten. Und sprachen bei 40 Ounce und Kaffee über die weirden ­Abgründe, ­spannendsten Subgenres und musikalischen Höhepunkte des ­Jahres.

 
K.I.Z.
AMG Mercedes
Grim104: »Nico K.I.Z. aka der Mann aus dem Mustopf.« Da musste ich googeln, warum er Mustopf sagt. Das ist wohl eine Berliner oder Brandenburger Redensart für langsame Typen.
Testo: Das sagt man bei uns auch. Das heißt soviel wie »begriffsstutzig sein«. Ich kam anfangs mit dem Perspektivwechsel von Part zur Hook nicht klar. Oder war das ein anderer Song?
Grim104: Das ist tatsächlich mein Lieblingslied des Albums, auch ohne Henning May. (lacht) Ein sehr gutes und überraschendes Album. Ich mag das ja total, wenn K.I.Z. über ihre Vergangenheit rappen. Ich find das generell spannend, wenn Leute von ihrer Jugend erzählen.
Viele halten »Hurra die Welt geht unter« für das beste K.I.Z.-Album.
Testo: Für mich ist das »Sexismus gegen Rechts.« Man merkt aber, dass hier ein neuer Weg eingeschlagen wird. Als Fan bin ich gespannt, wie nun die nächsten Sachen klingen werden.

 
ASD
Tortellini Augen
Grim104: Ich hab von ASD nur diesen Track gehört, auf dem sie fortschrittskritisch gegen Technik rappen. Der war schon skurril. (hört den Track) Das ist alles sehr gut gerappt, und diese abgehangenen Parts sind geil. Aber dafür muss man halt kiffen. Vielleicht bringt der Afrob-Part ja noch eine andere Perspektive rein. (lacht)
ASD soll hier auch stellvertretend für die vielen Deutschrap-Comebacks dieses Jahres stehen.
Grim104: Das war ja noch eines der besseren Comebacks. Die hatten wenigstens gute ­Videos, und Samy besinnt sich auf alte Stärken, im Gegensatz zu diesen Herr-Sorge-Sachen. Afrob ist hier auch stark, allein wegen seiner Stimme. Aber für mich wird es schwierig, sobald E-Gitarren ins Spiel kommen. Es gab 2009 mal eine Phase, in der Rapper pro Album einen »Party Like A Rockstar«-Track mit billigen verzerrten ­Gitarren machen ­mussten. Der Track ist aber ganz cool.
Testo: Dieses Comeback-Gehate versteh ich eh nicht. Wenn Leute wieder Bock haben, Musik zu machen, ist das doch cool. Hat das irgendwen anderes zu interessieren? Die dürfen nicht zurückkommen? Das ist doch Blödsinn. Wenn ich ein alter Rapper wäre, würde ich da auch voll drauf scheißen.
Grim104: Da ist Rap eben auch eine grausame Kultur. Woanders freuen sich Leute auf Comebacks. In der Rap-Szene ist das immer mit einer gewissen Häme verbunden, von der ich mich natürlich auch nicht ganz frei machen kann. Das Problem liegt aber oft bei den Rappern, die sich davor mit Pauken und Trompeten von Rap verabschiedet haben, um dann auf einmal »richtige Musik« zu machen.

 
KC Rebell FEAT. MOÉ
Bist du real
Testo: Bei den ersten Akkorden dachte ich, das wäre Cro. Aber das ist dieser KC-Rebell-Song, der auf dem Dagi-Bee-Channel veröffentlicht wurde.
Grim104: Ich war letztens auf einem Dorffest, und da kam auch in jedem EDM-Schlagerbeat dieser beschleunigende Synthie vor der Hook. Das ist wohl das Schönste, was ich 2015 gehört habe. (grinst)
Testo: Da wurde überhaupt nicht mit Kalkül gearbeitet. Ganz offensichtlich geht es hier nur um die Kunst, und nicht darum, eine breite Masse zu erreichen. Aber mal in Ernst: Für das, was es sein soll, ist es handwerklich gut gemacht.
Grim104: Was wir uns für 2016 wünschen: Mehr Features mit prominenten Youtubern und mehr Easy Listening.

In der KC-Rebell-Box gab es immerhin einen Banger-Selfiestick.
Testo: Noch besser: Er musste das im Promo-Video noch seriös und cool ankündigen. Worauf Fler dann meinte: »Lieber ein Baklava- als Selfiestick-Rapper.« Das war schon gut beobachtet. Wobei das Motivationsarmband aus Flers Box swagmäßig in einer Liga mit Selfiesticks spielt.
Grim104: Diese Boxen wird es auch weiterhin geben. Schwierig nur, da noch was reinzupacken, das es noch nicht gab.
Testo: Natürlich haben diese Boxen etwas Komödiantisches. Auf der anderen Seite: Keiner zwingt seine Fans, das zu kaufen.
Grim104: Aber Künstler werden gedrängt, Boxen zu machen …
Testo: … wenn die Fans Bock darauf haben, sollen sie das bekommen. Ich hätte auch kein Problem damit, wenn diese Boxen verschwinden und man sie nicht mehr braucht, um hoch zu charten. Letztens kursierte dieses psychopatische Fan-Video, wo ein Typ sein komplettes Zimmer mit Fan-Boxen, -Schals, und -Postern von Deutschrap-Produkten volltapeziert hat.
Grim104: Richtig spooky, wie in einem Gruselkabinett. Da steht auch völlig geschmacksneutral und völlig random einfach jedes Album.
Testo: Als ich in dem Zielgruppenalter war, gab es diese Premium-Editionen und Ver­sionen ohne Cover, oder die Hartz-4-Edition mit der Hälfte der Tracks. (Gelächter)
Grim104: Das war eine interessante Zeit, als die Musikindustrie versuchte, auf ihre finanziellen Ein­bußen zu reagieren, und jeden Scheiß ausprobierte. Gut, dass es der guten alten Industrie wieder so gut geht. (Testo klopft auf Holz)

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein