Wenn Red Bull zum Soundclash lädt, trifft so allerlei Gegensätzliches aufeinander. Indie-Rock-Rapper auf Bunker-Koryphäe, Berliner auf Frankfurter Rap-Schwergewicht. Oder aber Team »Reality Check« auf Team »New Level«. Heißt in letzterem Fall konkret: Afrob, Samy Deluxe und Eko Fresh gegen LGoony, Crack Ignaz und Soufian. Die einen als Rucksackträger mit Legendenstatus, die anderen als Swag-Prinzen auf dem besten Weg dorthin. Bevor es aber im Dezember in den Ring der Sporthalle Hamburg geht, haben wir uns das Youngster-Trio geschnappt und ausgecheckt, welche Rap-Epochen sie ahnen, was die eigene Diskografie kann und was die Gegenseite bis dato gerissen hat.
Soufian, LGoony & Crack Ignaz
»New Level« (2017)
LGoony und Crack Ignaz zusammen am Mic kennt man. Wie aber ist Soufian dazugekommen?
LGoony: Wir haben nach Leuten geguckt, die uns gut ergänzen; die eine neue Note reinbringen. Und dann sind wir auf Soufian gekommen. Der ist frisch, der hat Power, der hat Energie. Und er passt vom Mindset her gut zu uns – auch wegen seiner Antihaltung.
Soufian: Es hat mich sehr gefreut, dass die Jungs mich da mit reingeholt haben. Das war sehr überraschend. Auf »Heilig« von LGoony bin ich irgendwann mal zufällig gestoßen. Daher kannte ich ihn und war direkt geflasht.
Crack Ignaz: Ich feier Soufians Sound, die Stimme und seine Texte.
LGoony: Es kommt jetzt übrigens auch eine gemeinsame EP. Wir haben insgesamt fünf Songs zusammen gemacht. Das Release-Date steht aber noch nicht fest.
Crack Ignaz
»Elvis« (2012)
Crack Ignaz: Boah, ich mute denn Shit. Ich hab den zu oft gehört.
LGoony: Real Shit. Klassiker. Sechs Jahre voraus. Das hat ja schon alles vorweggenommen, was in den letzten Monaten passiert ist – die ganze Cloud-Rap-Diskussion. Vom Ursprung ist es ja von Lil B, A$AP Rocky und Clams Casino. Und da waren Crack Ignaz und Lex Lugner hier auf jeden Fall Vorreiter.
Crack Ignaz: Damals hab ich das noch mit einem Diktiergerät aufgenommen, weil ich so broke war. Alle meine Erstwerke sind eigentlich mit dem Diktiergerät aufgenommen. Erst bei »Kirsch« und »Ewige Nacht 500000« hatte ich ein richtiges Mikro.
Haftbefehl (feat. Soufian, Enemy, Diar & DOW)
»Kalash« (2015)
Soufian: Das war mein erster Part. Da hab ich 30 Minuten dran geschrieben. Und zum ersten Mal stand mein Name auf Youtube.
LGoony: Das war so ein Gucci-Mane-Moment, als Haftbefehl die ganzen neuen Leute auf einen Song geholt hat. Der war ja auch auf »Unzensiert«, das dann vorm Red Bull Soundclash 2015 kam.
LGoony
»Wasser« (2015)
LGoony: Das Video ist cool. Da sind auch die Leute zu sehen, mit denen ich noch immer in Berlin hänge. Das kam über Live From Earth, die haben sich jetzt sehr auf ihre eigenen Artists fokussiert, auch weil sie ein Label geworden sind. Funfact: Das Video ist einen Monat nach »Millionen Euro« entstanden, also alles fast hintereinander. Ist aber erst auf »Grape Tape« rausgekommen.
Crack Ignaz: War auf jeden Fall seiner Zeit voraus. (alle lachen) Nee, aber wirklich – auch live mega! Ich kenne keinen zweiten Deutschrap-Track, der so klingt. Das ist eigentlich das, was jetzt gerade vom Klangbild gehypt wird bei $uicideboy$ und so. Das ist genau die Wave.
LGoony: Es ist tatsächlich auch von Three 6 Mafia inspiriert.
Eko Fresh
»Ich bin jung und brauche das Geld« (2003)
LGoony: (singt mit) Der Text ist so random! Man muss schon sagen, Eko hat damals verdammt krass gerappt. Aber das war dann schon die Zeit, als die Texte so ein bisschen komisch geworden sind. Mit den Sachen davor war er aber auf jeden Fall eine Zeit lang einer der Besten in Deutschland. Dann hat er den Erfolg geschnuppert und ein bisschen versucht, sich beim Mainstream anzubiedern. Der Beat ist ja auch von R.Kelly. Aber es hat trotzdem noch Swagger. Der hat schon Style gehabt.
Crack Ignaz: Ja, absolut. Das ist retarded swaggy. Ich weiß teilweise nicht, wie es gemeint ist, aber wenn es so gemeint ist, wie ich das interpretiere, ist das schon sehr corky.
Soufian: Da war ich sieben, als der rauskam. Den hab ich später erst gehört, mit elf oder zwölf. Da bin ich dann irgendwie mal so drübergestolpert. (singt mit) So richtig kann ich damit aber nix anfangen. Ich fand von Eko bis heute das »Hart(z) IV«-Album am besten. Da hat er ausgepackt, Bruder. Richtig gerappt.
Hört ihr euch denn heute noch ein Eko-Album an?
LGoony: Heute find ich es wirklich schlimm, aber die »Komm her«-EP [eigentlich heißt die EP »Jetzt kommen wir auf die Sachen«; Anmerk. d. Red.] und die Sachen aus dem Royal Bunker waren megakrass. Und auch auf »Ich bin jung und brauche das Geld« waren noch coole Songs drauf. Da gab’s auch so einen Partytrack mit Joe Budden [»Ich will dich«; Anm. d. Verf.], da hat Eko richtig krass gerappt.
Crack Ignaz:(lacht, während das Video zu »Ich will dich« läuft) Das Video ist so scheiße!
LGoony: Nein, Mann! Eko sieht da ja wohl megafresh aus!
Crack Ignaz: Diese ganzen Ami-Features damals … das war immer so cringy. Die einzige Ausnahme waren DJ Tomekk und Lil‘ Kim.
LGoony: Das hat man sich halt gekauft, wenn man es sich leisten konnte. Die haben bestimmt richtig viel Geld für das Joe-Budden-Feature ausgegeben.
ASD
»Sneak Preview« (2003)
Soufian: ASD? Was ist das?
Das sind Afrob und Samy Deluxe als Duo.
Crack Ignaz: Für mich sind das auf jeden Fall Leute, zu denen ich aufgeblickt hab. Aber ich war trotzdem nie so ein Deutschrap-Hörer. Deswegen war das nicht so wichtig für mich. Aber ich find’s cool, dass ich denen gegenüberstehen darf. »Hey du« ist mein Alltime-Favorite von ASD.
LGoony: Ich bin erst 2008 zu Deutschrap gekommen, das war ein bisschen vor meiner Zeit. Und dann hab ich mich halt nach hinten gearbeitet. Aber an ASD hab ich mich nicht so wirklich aufgehalten. Dann mehr die Berlin-Ecke um die Jahrtausendwende – eher der frühe Eko als Samy Deluxe.
DJ Ara feat. Kool Savas
»Neongelb« (2001)
Soufian: Savas ist dope, der kann rappen. Der Song ist gar nicht mein Ding, aber ich glaub, damals haben die Leute sich gefragt: »Boah, was macht der da?«
LGoony: »Neongelb« war auf jeden Fall cool. Er hat auch einfach diesen Swagger gehabt. Der ganze alte Savas, also die KKS-Zeiten, waren auf jeden Fall megakrass.
Welcher ist euer Lieblingstrack von Savas?
LGoony: Ich glaube, auf dem ersten Westberlin-Maskulin-Tape der erste Track, »Fortschritt«. Der ist geil, weil man auf den Beat gefühlt gar nicht rappen kann, aber Savas dreht den einfach komplett um.
Crack Ignaz: Klingt auf jeden Fall geil. Mein Lieblingssong von Savas ist aber »Pimplegioneah«.
LGoony: Es gibt so viele gute alte Savas-Tracks. Seit ein paar Jahren rappt Savas aber immer gleich. Und was ich an ihm immer interessant fand, waren sein Humor und die Punchlines, und das hat er jetzt komplett gegen Technik-Geflexe ausgetauscht. Er kann auf jeden Fall krass rappen, das bestreitet keiner. Aber er hat für mich das verloren, was ihn interessant gemacht hat.
Bushido & Saad
»Nie ein Rapper« (2005)
Soufian: Den Song höre ich bis heute noch. In der vierten Klasse hatte ich ein Nokia 6230i mit Infrarot. Und einer aus meiner Klasse meinte: »Kennst du Sonny Black?« Ich kann mich ganz genau erinnern. Und dann hat der mir von »CCN II« mit Saad die Tracks über Infrarot geschickt. Wenn man sich Bushido von 2002 bis heute anguckt, dann hat er immer seinen Style ausgebaut. Und er ist immer besser geworden. Man kann Savas von 2001 nicht hören, aber Bushido von 2001 schon.
Crack Ignaz: Bushido hab ich mir nie angehört. Ich hab den über die »Ansagen« von Aggro mitbekommen, die hab ich geahnt. Aber ich war auch nie in diesem Aggro-Berlin-Ding drin.
LGoony: Ich feier am meisten »CCN I« und »Vom Bordstein bis zur Skyline«. Das waren schon sehr krasse Alben, und da hat er sich auch sehr gut ergänzt mit Fler. Die waren ein echtes Tag-Team.
Sofiane
»Toka« (2017)
Soufian: Für das Video haben die einfach die komplette Autobahn abgesperrt. Die sind in einer Kolonne vorgefahren und haben langsam abgebremst. So läuft das in Frankreich. Wenn du das in Deutschland machst, bist du dran, Bruder.
LGoony: Und dann haben die sich mit Tischen und Stühlen da hingesetzt, Kaffee getrunken und ein Musikvideo gedreht. (lacht)
Crack Ignaz: Ich hab Sofiane neulich in der Schweiz getroffen, bei einem Festival in Basel. War aber nicht sonderlich spannend, wegen der Sprachbarriere. Mein Schulfranzösisch ist schon ein bisschen eingerostet. »Toka« ist für mich aber gar nicht der geilste Track von ihm. Ich feier »Bandit Saleté« viel mehr. Aber das Video ist echt crazy.
Soufian: So was gab’s noch nicht!
Trettmann
»Grauer Beton« (2017)
Crack Ignaz: Gänsehaut.
LGoony: Beim splash! hat er den auch gespielt. Da hatte ich auch Gänsehaut, das war ein krasser Moment. Ich hab beim Album auch ein bisschen mitgeschrieben, bei »Fast Forward« mit Marteria. Und da hab ich gesehen, wie die arbeiten. Die sitzen in der WG-Küche in ihrer Sofaecke, haben dort alles auf dem Tisch und recorden wirklich in der Abstellkammer. Also quasi da, wo die Waschmaschine steht. Das ist schon krass, die machen wirklich alles selber.
Soufian: In meinen Augen ist er ein Künstler: Wie er es macht, was er sagt. Der erste Track von Trettmann, der mich geflasht hat, war »Skyline«. Da gibt es auch eine Remix-Version mit Ufo und Samy Deluxe, was eigentlich gar nicht zusammenpasst.
Crack Ignaz: Der Song ist richtig geil geschrieben, es passt einfach alles perfekt zusammen – auch das Video. Und diese Ost-Realität, die er schildert, ist echt einzigartig. Es hat so viele nice Ebenen. Es ist real, es offenbart einem eine Welt, in die man gar keinen Einblick hatte. Das funktioniert auf allen Ebenen.
Foto: Maik Schuster
Dieses Feature erschien erstmals in JUICE #183 (hier versandkostenfrei nachbestellen).