»Statt Boombap jetzt Trap? Man, verkauf dich doch nicht!« // Johnny Rakete im Interview

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Auch deine Selbstzweifel als Künstler sind ein Thema. Wir geht es dir jetzt, kurz nachdem das Album draußen ist?
Gute Frage… (überlegt). Es ist für mich unheimlich schwierig, einzuschätzen, wie meine Außenwirkung ist. Wie ich in der Szene wahrgenommen werde. Wie gut oder schlecht oder erfolgreich bin ich eigentlich? Ich sag es auch im Outro: Es gibt hunderttausende Rapper, die am gleichen Punkt sind wie ich und von denen hörst du nichts mehr. Dann ist da die Veränderung, wie die Leute Musik konsumieren und wie sich die Medienlandschaft als Reaktion darauf auch verändert hat. Bei der letzten EP 2017 war dieses Video-Release-Ding noch super wichtig. Heute kommen die Tracks um 0 Uhr auf Spotify und bis das Video dann draußen ist, haben die Kids den Track alle schon gehört. Für jemanden wie mich, der aus der Generation vor den heutigen Newcomern kommt, ist das sicherlich eine Umstellung. Ich kann nur schwer einschätzen, ob es weitergeht, ob es größer wird oder ob ich bald wieder in der Versenkung verschwinde. Bis jetzt sind alle Reaktionen aber super und ich bin zufrieden, habe jedoch keine Ahnung wie es weitergeht.

Apropos Szene: Ich wollte dich bezüglich »Seit Schumi weg ist« auch auf diese Distanzierung zur Szene ansprechen. Aber: Gibt es diese Szene überhaupt noch? Oder ist das mittlerweile nicht alles viel zu groß und unübersichtlich?
Rap als Gesamtes als Szene gibt es schon noch. Aber es ist natürlich super deutlich geworden, dass es innerhalb des großen Ganzen ganz viele verschiedene kleine, eigenständige Abteilung gibt. Das ist heute so deutlich wie nie. Vieles ist zueinander sehr abgegrenzt, auf jeden Fall.

Ist das für einen Künstler irgendwo auch etwas positives, weil die Fans umso genauer wissen, wo sie was kriegen?
Ich will gar nicht wie ein alter Mann klingen, der auf Kids hatet, aber: Es ist für mich krass zu beobachten, wie Deutschrap zurzeit so stark wie noch nie nach einer Schablone funktioniert – meiner Meinung nach. Schau‘ dir die »Modus Mio«-Playlist oder andere große Listen an. Das klingt alles gleich, ist alles gleich aufgebaut. Ich find’s verrückt, dass die Sachen, die so krass ähnlich zueinander sind, so viel Erfolg haben. Während andere Leute, bei denen ich das Gefühl habe, dass sie echt mit Energie und Herzblut etwas besonderes und nicht nur Ziel-Gruppen-Musik machen wollen, unter den Tisch fallen. Jemand wie ich kommt ja in diese Listen gar nicht rein.

Fühlt man sich als Künstler, der bewusst nicht mit diesen Schablonen arbeitet, abgehängt oder ausgeschlossen?
Nicht unbedingt ausgeschlossen. Aber man bekommt schon das Gefühl, dass man mit dem, was man macht, erst gar nicht die Chance bekommt, an einen gewissen Punkt zu kommen. Den Eindruck kann bekommen, ja. Aber es gibt natürlich auch Leute, die mit ihrem ganz eigenen Sound erfolgreich sind. Wie z.B. ein OG Keemo. Ich habe aber das Gefühl, dass ich mit meiner jetzigen Musik noch nie so weit davon entfernt war, von dem, was aktuell relevant und hyped ist. Wenn du Mero auf der einen Seite siehst, bin ich ja komplett am anderen Ende. Aber ausgeschlossen? Ich will nicht weinerlich klingen. Aber man kann schon den Eindruck bekommen, dass es mit meinem Sound schwieriger ist, den Eingang zu finden.

»WIe viele Leute, die früher auf Boombap waren, lassen sich jetzt Trap-Beats bauen? Man, verkauf dich doch nicht!«

Bestärkt dich das aber vielleicht auch darin, umso mehr dir selbst treu zu bleiben? Oder eben nicht?
Ich fühle mich sehr wohl in meiner Außenseiterrolle. Und damit, dass während alles irgendwie doch ein Einheitsbrei ist, ich mir meine Nische geschaffen habe. Darauf bin ich stolz und darauf habe ich auch hingezielt. Aber klar gibt es Momente, wo ich mir denke: »Jetzt ne 808, dazu 60 BPM… Wenn es mehr Asche bringt?«. Aber es ist einfach nicht das, was ich machen will. Und außerdem machen das eh schon genügend Leute. Wie viele Leute, die früher auf Boombap waren, lassen sich jetzt Trap-Beats bauen? Man, verkauf dich doch nicht! Jeder soll das machen, was er meint, ich respektiere das. Aber dieses komplette Switchen des eigenen Styles, nur weil ein anderer gerade vielleicht angesagt ist, finde ich komisch.

Dann lieber weiter »Beats mit fetter Staubschicht und 90 BPM«?
Sozusagen (lacht).

Was macht für dich denn heute noch den Reiz an diesem Boom-Bap-Sound aus?
Das ist einfach ein Teil von mir. Ich kann das nicht loslassen. Das bin ich, das ist meine Identität. So drücke ich mich aus. Ich kann es dir gar nicht so genau sagen. Aber es ist der Flavour. Das catcht mich auf emotionaler und seelischer Ebene, das ist nah an meinem Herzschlag dran. Trap kam zum Beispiel sehr viel später, da war ich schon alt (lacht). Drum war es schwierig für mich, dazu den Zugang zu finden. Aber ey, ich weiß noch, als ich jung war und Aggro Berlin gehört habe, da haben alle Älteren auch nur den Kopf geschüttelt. Das ist dieses Generationsding, das ist so alt wie die Menschheit. Aber man muss zum Glück ja auch nicht alles gut finden. Ich picke mir auch meine Trapsachen raus, die ich cool finde. Leben und leben lassen.

3 Kommentare

  1. Mal unabhängig von Inhalt des Interviews: Hr. Richter warum gendern sie in diesem Artikel nicht und schreiben stattdessen nur von Rappern und Hörern? Es gibt mittlerweile echt eine große weibliche Hip-Hop Community, diese fallen bei ihrer Art der Formulierung absolut unter den Tisch. Das erscheint mir als Rap-HörerIN leider sehr schwach.^^

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