Run The Jewels – Killing In The Name Of [Feature]

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Es kommt selten vor, dass man seinen Freund fürs Leben erst im hohen Alter ­findet. Und die Suche nach dem perfekten Rap-Partner hatten El-P und Killer Mike ­eigentlich längst ­aufgegeben. Vor drei Jahren noch als verkannte Underground-Helden auf dem ­Höhepunkt ihres Schaffens gefeiert, war ein zweiter Frühling der beiden End-­Dreißiger El-P und Killer Mike kaum absehbar. El Producto, der verkopft-vertrackte ­Def-Jux-Gründer, kam gerade aus einer psychisch-labilen Albumschaffensphase – der Arbeit an »Cancer 4 Cure«, das sich mit Transzendentalem und dem Danach beschäftigt – als er Killer Mike kennenlernte. Der notorisch unterschätzte ATLien aus der Dungeon Family fand Beachtung als Polit-Aktivist und Outkast-Sidekick, weniger als etablierter Solokünstler mit solidem Hit-Katalog.
 
Das erste Gemeinschaftsalbum »R.A.P. Music« wurde 2012 zum Kritikerliebling und änderte die Rezeption der beiden in den meinungs­machenden Bloginstanzen. Das Wort Hipsterthema machte die Runde, die digitale Elite wusste natürlich schon längst Bescheid und bestellte sich eifrig Vinyl-Re-Issues von »Fantastic Damage«. Als Run The Jewels übernahmen Jamie und Mike mit einem kostenlosen Album dann so ziemlich alles: die Jahresbestenlisten, den Boiler Room, das Cartoon-Network Adult Swim und Killer Mike kürzlich sogar CNN. In einem Interview zu den ­Ausschreitungen in Ferguson musste er wieder mal als Stimme der Subkultur herhalten, die sogar in deutschen ­Feuilletons Erwähnung fand. Die ­amerikanischen Medien zeigten sich ­beeindruckt von der ­rhetorischen Schlagfertigkeit des Friseursalon­betreibers/Straßenrappers mit Grips. Als ungleiches Paar vereinen El-P und Killer Mike so ziemlich alles, was man an Rap-Musik lieben kann. Im verflixten dritten Jahr und mit dem zweiten Teil von Run The Jewels geht das Duo schon jetzt als eines der stilsichersten in die Rap-Geschichte ein. Während Jamie sich gerade in Atlanta aufhielt, sprachen wir mit den beiden am Telefon über das Vermächtnis von Rage Against The Machine und die Möglichkeit eines Albums aus Katzengeräuschen.
 
Wenn man »R.A.P. Music« dazuzählt, ist »Run The Jewels 2« euer drittes ­gemeinsames Album in drei Jahren. Was macht eure Arbeitsweise so effizient?
El-P: Das ist gar nicht so viel, wie es ­vielleicht klingt. Wir haben einfach nicht aufgehört zu arbeiten und konstant aufgenommen und produziert. Wann immer wir auf Tour waren, hatten wir die Möglichkeit, vor Ort oder in einem mobilen Studio aufzunehmen. Konkret hat es dann ungefähr sechs bis acht Monate gedauert, das Projekt fertigzustellen. Im Studio haben wir immer die beste Zeit, ich würde das nicht mal Arbeit nennen. Dazu hatten wir uns für einige Recording-Sessions in verschiedenen Studios in New York, Los Angeles und Atlanta eingemietet.
 

 
Mike, kam es mal vor, dass dir ein El-P-Beat zu verrückt war?
Killer Mike: Ich habe eine Menge MCs auf den komplexesten Produktionen von El gehört, die super klangen: die ganze Def-Jux-Clique, besonders Aesop Rock. Mich hat ein Beat von ihm noch nie eingeschüchtert, eher ­herausgefordert. Es ist, als hätte ich meinen perfekten Produzenten gefunden. Stell dir vor, Snoop Dogg hätte Dr. Dre erst viel später in seiner Karriere kennengelernt – so fühlt sich das bei mir gerade an. Ich habe so lange mit so vielen verschiedenen Produzenten gearbeitet, aber als ich mit El zusammenkam, war klar, dass er der Einzige ist, mit dem ich diesen »dope ass G-shit« machen kann.
 
Inwieweit habt ihr euch künstlerisch weiterentwickelt, seitdem ihr als »odd couple« unterwegs seid?
Killer Mike: Ich habe von El-P gelernt, ein besserer Rapper zu sein. Für mich ist es ein ganz neues Gefühl, von jemandem wirklich produziert zu werden. El-P ist mein Pat Riley oder Phil Jackson aus den Neunzigern – ein Coach, der mich trimmt. Das sage ich Jamie auch nicht oft genug: Ich bin jeden Tag dankbar dafür, ihn gefunden zu haben. Er sagte mir mal, dass er schon mit vielen ­Leuten zusammengearbeitet hat, die sich nicht produzieren lassen wollten und etwas Vorgefertigtes erwarten – was absolut cool ist, da er ein ebenso großartiger Feature-Künstler ist. Bei uns ist das aber etwas ­Eigenes. Ich lasse mich völlig von ihm und seiner Arbeit an den Maschinen treiben.
El-P: Was ich damals meinte, war, dass ich schon mit vielen Künstlern ganze Alben ­gemacht habe. Und die, die ich noch heute am meisten feiere und fühlen kann, sind die, bei denen absolutes Vertrauen ­zuein­ander bestand; man den anderen kannte und liebte. Man will nicht verbissen über ­irgendwelche Einzelheiten und die kleinsten ­Sound­details streiten. Mike und ich vertrauen uns blind, und sobald ein Feeling entsteht, wird einfach nur noch gemacht und wir werden zu ­Autisten. Drei Alben in drei Jahren zu ­machen, ist nur möglich, weil wir diese Art von uneingeschränkter Freundschaft führen und sie unsere Kreativität beflügelt. So kitschig das jetzt klingt: Es fühlt sich wirklich magisch an, wenn wir im Studio sind. Und es gab keinen Grund, damit aufzuhören.
 
Ich würde gerne über den Track »Close Your Eyes (Count Down To Fuck)«, den ihr mit Zack De La Rocha von Rage Against The Machine aufgenommen habt, mit euch reden. Sein Output als Solo-Rapper ist recht überschaubar, wie kam es zur Zusammenarbeit und wovon handelt der Song?
Killer Mike: Alles nur, weil du unbedingt einen Saft trinken wolltest. (Gelächter)
El-P: Tatsächlich… wir waren in Los ­Angeles, wo ich ein Appartment ­angemietet hatte, in dem wir einige Wochen ­unterkamen. Auf dem Weg zum Studio bat ich Mike, an meinem Stamm-Saftladen zu halten. Ich bin mir sicher, dass ich mir einen Kokosnuss-Apfelschalen-Saft holte – was jetzt ziemlich eklig klingt, aber ehrlich ­gesagt, war er überraschend gut. (­Gelächter) Auf der Straße traf ich dann auf Zack, den ich schon seit den Neunzigern kenne. Als Rage Against The Machine auseinandergingen, trafen wir uns einige Male, um an seinem Soloalbum zu arbeiten. Wie man weiß, kam es nie zu dem Album, und ich hatte mit Zack auch schon Jahre nicht mehr gesprochen. Als ich ihm Mike vorstellte, versprach er, im Studio ­vorbeizukommen. Er war von der Musik überwältigt und nahm am nächsten Tag gleich mit uns auf. »Close Your Eyes« ist Rap, wie er rauer nicht sein könnte: Wir reden Scheiße, reden über nichts, reden über Politik. Es ist wahrscheinlich der ­aufregendste und spannendste Track, den wir je gemacht haben. Drei Minuten, in ­denen wahnsinnig viel passiert. Zack ­schüttet darin sein Herz aus. Ich halte ihn ja als Rapper für komplett unterschätzt.
 
Mike, bist du auch mit der Musik von Rage Against The Machine sozialisiert worden?
Killer Mike: Wer mich kennt, weiß, dass Rage schon immer meine Lieblingsband war. Ich respektiere und schätze, was sie verkörperten und wofür sie standen: ihre Rebellion gegen die Maschinerie der Musikindustrie. Sie haben sich nie vereinnahmen lassen. Es war mir also eine große Ehre und ein langer Traum, der in Erfüllung ging. Klar kennt man meine offensichtlichen Einflüsse wie Ice Cube oder Run DMC. Ich bin aber schon immer ein großer Fan von guter Rockmusik gewesen, seit mein Vater mir Songs von Led Zeppelin vorspielte. Vor allem in den Neunzigern fand ich vieles spannend, weil es keinem anderen Musikgenre gelang, ­Aggressionen und Wut in Musik so zu bündeln und auszudrücken. Die Bedeutung dieser Zusammenarbeit könnte nicht größer sein, auch weil El und Zack sich ­persönlich kannten und so die Studiozeit super ­entspannt war und alles organisch entstand.
 

 
Wie war das in deiner Hood in Atlanta, Mike? Musstest du dich damals dafür rechtfertigen, Rockmusik zu hören?
El-P: Du weißt schon, dass Zack halb schwarz ist, oder?
Killer Mike: Und Tom, der Gitarrist auch. Trotzdem ist das eine wirklich gute und ­mutige Frage. Es stimmt tatsächlich, dass man als Schwarzer in der Community bestimmten Vorurteilen ausgesetzt ist und sich viele schwer damit tun, mit diesen zu brechen. Zuerst war es wirklich hart, mit dieser Musik auf offene Ohren zu stoßen, da spielt auch viel Ignoranz mit rein. Viele hat das auch zu Außenseitern gemacht, aber bei Rage Against The Machine war das anders. Sie widmeten sich konkret den Problemen der Unterschicht und wurden somit auch zum Sprachrohr des Ghettos. Sobald die Musik in der Highschool rumging, bei jedem Football-Spiel aus den Autos tönte und die Band ihren legendären Lollapalooza-Auftritt hatte, war sowieso alles aus und jeder mit der Band und ihrer Musik infiziert.
 
Ein Phänomen, das man auch lange Zeit beim Skateboarding feststellen konnte.
Killer Mike: Genau, als Schwarzer war es einfach nicht cool zu skaten. Als dann meine Jungs anfingen, sich für Skateboards zu interessieren, bin ich sofort zum Skate-Dad geworden. Ich unterstütze sie dabei, gegen ­Vorurteile anzugehen – so wie mein Vater das mit mir und Rockmusik tat. Ich denke schon, dass sich diesbezüglich in den letzten Jahren einiges zum Guten verändert hat.
 
Mit Travis Barker von Blink 182 und Diane Coffee habt ihr zwei Live-Drummer auf dem Album. Ist das ein neues Element, das ihr herausstellen wolltet?
El-P: Oh, ja, aber das kann man falsch verstehen. Coffee ist zwar Schlagzeuger der Indierock-Band Foxygen, nebenher aber auch als Singer/Songwriter unterwegs – auf dem Song »Crown« hat er gesungen und ein wenig Klavier eingespielt. Und Travis und Mike sind schon lange befreundet, er ist ein großer Fan und Supporter von Mikes Musik. Er liebte das erste Run-The-Jewels-Album. Es ging ­eigentlich nie darum, einen gemeinsamen Track zu machen, letztlich kamen wir dann aber einfach nicht dran vorbei. Er ist eine der coolsten, nettesten und einzigartigsten Typen, die ich je treffen durfte. Ich schickte ihm einige Beat-Skizzen, er nahm dazu auf, schickte mir die Spuren zurück. Ich integrierte ihn in den Song, flippte seine Breaks und spielte damit wie mit einem Sample. Für mich ist er einer der besten Schlagzeuger unserer Zeit.
 
Ihr habt euch im Vorfeld einen Scherz erlaubt und eine limitierte Fanbox, die ausschließlich aus Katzengeräuschen besteht, für 40.000 Dollar angeboten. Die »Meow The Jewels«-Box könnte jetzt wirklich stattfinden, Fans haben eine Crowdfunding-Aktion eingerichtet, die aktuell bei über 12.000 Dollar steht.
El-P: Unfassbar, oder? Ich fange an, daran zu arbeiten, wenn das Funding bei 20.000 steht, habe aber schon begonnen, Katzen dafür zu casten. (Gelächter)
Killer Mike: Wir müssen diese Platte machen, alleine wegen dieser verrückten Kickstarter-Aktion.
 

 
Und das Geld soll ja auch gespendet werden, richtig?
El-P: Genau, das habe ich ja gleich über ­Twitter deutlich gemacht. Wir unterstützen damit die Familien von Erik Garner und Mike Brown, die beide durch fahrlässige und ­korrupte Polizeibeamte ermordet wurden. Garner wurde dieses Jahr in New York erschossen, Brown in Ferguson, was zu den Aufständen und Unruhen in Missouri geführt hat. Wenn wir den anfänglichen Witz zu etwas Wohltätigem nutzen könnten und der Familie damit etwas Gutes tun, würde uns das glücklich machen. Der Junge, der den Kickstarter initiierte, verfolgt damit wirklich gute Absichten, deshalb versprach ich ihm, mich für die Aktion stark zu machen. Unter normalen Umständen würde ich keine 40.000 Dollar verlangen, um ein Album aus Katzengeräuschen zu ­komponieren. (Gelächter) Sollte es dazu kommen, werden wir das ­Versprechen definitiv einhalten. Durch diese Aktion hat ja keiner einen Nachteil. Im ­schlimmsten Fall kommt dadurch die ­verrückteste Rap-Platte aller Zeiten zustande. ◘
 
Text: Carlos Steurer
Foto: Presse
 
Dieses Interview erschien als Titelstory in JUICE #163 (hier versandkostenfrei nachbestellen).
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