Die 20 wichtigsten Rap-Alben der Dekade // Reviews

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2017
Trettmann – #DIY
(Soulfource Records)

Um gleich zu Beginn die ganz großen Geschütze aufzufahren: Ja, die Geschichte von Trettmann ist eine der spannendsten, die die hiesige Szene jemals produziert hat. Vom sächselnden Dancehall-Ronny zum deutschlandweit bekannten Autotune-Chanteur. Von Gigs in leeren Kellerclubs zu Auftritten zum 30-jährigen Fall der Berliner Mauer beim Brandenburger Tor samt der Kanzlerin im Publikum. Es ist so einiges passiert. Trettmanns Geschichte wurde nun schon einige Male erzählt, nicht zuletzt als Titelstory in JUICE 194. Und sie wird weiterhin erzählt werden, denn ihr Ende ist noch längst nicht in Sicht. Nur eines scheint dabei sicher zu sein: »#DIY« wird auch noch in Jahren als ihr unverrückbarer Cornerstone gelten und stehen bleiben. Natürlich: Als sich im Januar 2016 der Himmel lila färbte und ein dabbender Trettmann mit dem Visual zu »Skyline« den Startschuss für die schon jetzt ikonischen »Kitschkrieg«-EPs abfeuerte, war der Grundstein gelegt. Als das selbstbetitelte Album »Trettmann« in diesem Jahr dank ausgefeilter Eingängigkeit und Böhmermann-Support um ein Haar den Volksrocker Andreas Gabalier von der Pole-Position der Album-Charts chokeslamte, war spätestens klar, dass dieser sonnenbebrillte Karl-Marx-Städter so schnell nicht weggehen wird. Aber: Die Essenz von dem, was Trettmann zu einem Phänomen macht, findet sich nirgends so klar destilliert wie auf »#DIY«. Ohne vor Pathos triefenden Metaphern und einer angenehm simplen Sprache erschafft Tretti darauf Bilder, die wirken und bleiben. Da ist der Track »Grauer Beton«, der den Struggle der ostdeutschen Wendekinder vor und nach dem Mauerfall erlebbarer macht als so einige Vor-Ort-Reportagen. Da ist »Knöcheltief«, DIE Turn-Up-Hymne des Jahres 2017 (und für nicht wenige Hörer auch für 2018). Da ist »New York«, auf dem Trettmann mit all seiner Songwriter-Qualität eine transatlantische Fernbeziehung so intensiv und szenisch beschreibt, dass es wehtut. Da ist nicht zuletzt »Geh ran«, die absolut unpeinliche Aufarbeitung des tragischen Suizids eines ehemaligen Freundes. Inhalt und Vibe, bitterer Kummer und ansteckende Ekstase, musikalische Intuition und ausgeklügeltes Sounddesign – auf »#DIY« halten sich all diese Aspekte unverschämt leicht die Waage.

Text: Louis Richter

2017
Migos – Culture
(300 Entertainment / Sony)

»Do it for the culture, they gon’ bite like vultures«, rappten drei goldbehangene Jungs aus Nord-Atlanta Anfang 2017 auf ihrem zweiten Studioalbum. Treffender hätten die Migos ihren kulturellen Impact und den ihres Quasi-Debüts »Culture« kaum prognostizieren können. Die Wichtigkeit der Migos für die globale HipHop-Kultur in seine Einzelteile zu zerlegen und zu analysieren, warum sie sich mit ihrem Magnum Opus zu den die prägendsten Figuren im Game der letzten Dekaden gemacht haben, sprengt den Rahmen. Vielleicht reicht es, sich an Donald Glovers Rede bei den Golden Globes zu erinnern, in der er die Bando-Boys im Vorlauf des Releases von »Culture« als »the Beatles of this generation« bezeichnete. So vermessen das zunächst klingen mag, so definitiv ist die Tatsache, dass dieses Album HipHop verändert hat. Das lässt sich nicht nur durch diverse Platinauszeichnungen belegen, es reicht 2017 ein Blick ins Internet, um die kulturprägende Rolle des Trios zu verstehen. Der Dab, der omnipräsente »Migos-Flow«, Catchphrase-Lyrics und holprige Erklärungsversuche deutscher Feuilletonisten, was es denn nun mit dem Trend Trap auf sich hat, der die Popwelt beherrscht: Auf »Culture« fand das alles erstmals in einem so griffigen Rahmen statt, dass es einer Standortbestimmung von Rap gleichkam. Und das ohne revolutionären Wow-Charakter. Trap-Sound wird hier nicht neu gedacht, dafür aber perfektioniert. Auf der einen Seite musikalischer Minimalismus, bestehend aus Zaytoven- Keys im Themeneintopf, auf der anderen Seite der größere Pop-Approach, die Larger-than- life-Attitüde. Trotz der memehaften Momente sind die Performances von Quavo, Offset und Takeoff düster genug, um den Hörer daran zu erinnern, dass die knallbunten Outfits nicht über die Hood-Vergangenheit der Cousins hinwegtäuschen sollen. Abseits von blödelnden Stadtrundfahrten mit James Corden und dem ein oder anderen unklaren Feature bleibt der kommerzielle Sellout bis heute aus. Im Jahr drei nach »Culture« sind Migos noch immer hundert Prozent HipHop. Rapper, die Schmuck im Wert von 2 Millionen Dollar tragen und dabei nicht lächerlich wirken, weil jeder Move sitzt. Fashionikonen, die selbst in hautengen Lederhosen und mit Balenciaga-Klötzen an den Füßen verdammt swaggy aussehen, weil die Attitüde stimmt. »Culture« steht als Fundament für alles, was Migos in den Folgejahren zu den größten Rap- Superstars, zu den Black Beatles macht; die Blaupause für kommerzielle Trapmusik, die ausgereifter und hittiger klingt als das Mixtape- Sammelsurium und das Debütalbum zuvor. Der Beifall, der von Szenehanseln und Kulturkritikern gleichermaßen kommt, machte 2017 klar: Migos sind larger than HipHop.

Text: Juri Andresen

29 Kommentare

  1. Juice was da los?? Mit raop hat cro den heutigen sound so verändert. Das ist mit abstand das wichtigste/einflussreichste Album der letzten 10 jahre. Nach diesem album hat jeder irgendwelche gesgangshooks gehabt.

  2. Schwache Liste, was für ein Witz.

    Und was geht mit der TPAB review, wo spekuliert wird warum wohl Kendrick diesen künstlerischen Weg nach GKMC eingeschlagen hat – „die Antwort bleibt unklar“. Nein, die Antwort ist literally im Album und eine konzeptionelle Essenz von TPAB.
    Ums kurz zusagen, too long didn’t listen: Er will nicht gepimped werden von der Musikindustrie.
    Hat sich der Autor überhaupt mit dem Album beschäftigt?

  3. Cardie B passt meiner Meinung nach nicht wirklich rein:/ Sie hat sich im Bereich Entertainment einiges erabeitet aber das wars auch. Das Cro allerdings nicht dabei ist finde ich komplett verständlich. Keins seiner Alben war wirklich prägend…

  4. PNL mit QLF oder dans la légende? Diese Alben haben den Rap verändert und spätestens mit deux fréres sollte das auch in Deutschland angekommen sein!

  5. Jeder der sich auch nur ansatzweise mit Rap auseinandersetzt wird diese Liste ( wie nahezu jeden Scheiss! den ihr so auskackt ) mindestens auslachen!!! Kann mich Hans-Wurst nur anschließen bezogen auf die Printausgabe. Ihr pusht eh nur diejenigen die euch am besten entlohnen.

  6. Kein clipping., kein Death Grips, kein lil Peep, kein Prezident, kein Ho99o9, kein Degenhardt, wo ist Rotten Monkey ach und Dope D.o.d.?
    Ich kann die Liste tatsächlich ewig weiter führen.
    Und 20 Alben sind für dieses Jahrzehnt wirklich zu wenig. Allein der englischsprachige Bereich hat eine 100er Liste zu gebrauchen.
    Im deutschen könnte man das wiederum etwas runterbrechen, dank immer ewig gleichbleibend klingenden Künstlern die über immer das selbe Sprechen. Schablonenrap. Lel. Aber ja. Selbst ich muss sagen, ein Cro fehlt hier eindeutig. Selbst Alligatoah hat mit Triebwerke wichtiges abgeliefert.

  7. Das Album von Cardi B sozusagen als bestes Female rap album des Jahrzehnts zu bezeichnen finde ich unmöglich. Wenn man Delivery, Flow und Wordplay mit Nicki Minaj in The Pinkprint, Pink Friday oder in Queen vergleicht, ist diese Entscheidung nicht nachzuvollziehen. Rap-technisch ist Nicki einfach um Welten stärker. Außerdem war sie es die Femalerap wieder Mainstream gemacht hat, nachdem es seit Lil Kim keine erfolgreichen Females mehr gab.

  8. King von Kollegah?? Ich weiß ja dass die Juice ihn boykottiert, aber ohne wenn und aber war King eines der Alben die Deutschrap geprägt haben in den letzten 10 Jahren.

  9. Wird die JUICE nach der Einstellung des Printmagazines jetzt nur noch von Praktikant/innen betrieben? Was für eine in jeder Hinsicht beschränkte Auswahl…

  10. MHD gehört mit seinem ersten Album definitiv dazu. Von wegen RAF Camora & Bonez MC mit Palmen aus Plastik – Scheiß. Wer von den Beiden war zuerst mit dem Style am Start?

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