»Die Welt zerbricht in zwei Teile/Mar und Cas – wir nehmen sie uns beide«, hieß es 2009 auf dem ersten gemeinsamen Track »Rock’n’Roll« von Casper & Marteria. Ansage. Doch wie wahr ihre gemeinsame Deutschrapweltherrschaftsfantasie bereits kurze Zeit später werden würde, das hätten beide sicher nicht im Entferntesten gedacht. Nun, Hunderttausende verkaufte Platten, Millionen gestreamte Songs und unzählige vor Menschenmassen absolvierte Komplettabrisskonzerte später setzen die beiden diesem wahrgewordenen Traum mit ihrem Kollabo-Album »1982« ein akustisches Denkmal. Auf zehn Tracks ballern uns die beiden die aufhörenerregenden Erfolgsgeschichten ihres Lebens auf der Überholspur vor den Latz, verschweigen – Ehrlichkeit war schließlich immer schon eine große Stärke beider – dabei aber auch nicht den Feinstaub, der sich bei derlei Karriereabfahrten in Lichtgeschwindigkeit schnell mal in die Lungenflügel brennt. »Zwischen Kaffeebechern und Schlaftabletten/Endlosen Fahrbahnflächen und Rasttoiletten/Verblasste Sanifair-Fetzen im Portemonnaie«, umzüngelt Cas im flirrenden »Ich denk an dich« das zehrende Hin und Her und Auf und Ab zwischen Familienleben und dem life of a popstar. »1982« ist – der Titel deutet es bereits an – thematisch jedoch in erster Linie eine Rückschauplatte, die ihre kluge Kraft allerdings erst aus dem kreativen Abgleich mit der Jetztzeit schöpft. Es wird einem unweigerlich warm ums Herz, wenn Ben und Marten auf einem warmen Loop zwischen Italowestern, Seventies-Soul und Desert-Rock über den Pfad der Geschichte in die Platte einreiten oder sie im kreisschließenden Albumfinale »1982 (Gratulation)« über das Glück drückender Bässe dozieren. Bester, weil unvorhersehbarster Track des Albums aber: das bleischwer-dystopische »Willkommen in der Vorstadt«, auf dem Cas und Mar über einen bedrohlich umherwabernden Glockenbeat und gedankliche Versatzstücke aus »6 Feet Deep«, »The Warriors« und »Dorfpunks« das Tor in ihre ureigenen Provinzhöllen öffnen. »Ein Blockbuster-Album mit der Herangehensweise eines Mixtapes« zu kreieren, das sei laut Marteria die Intention bei der Arbeit an »1982« gewesen. Und was soll man sagen? Ziel erfüllt, Fans glücklich. Das düstere Lichtspieltheater Deutschrap ist um einen Straßenfeger reicher.
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Bisher waren alle Casper und Marteria Soloplatten stimmig, eigen und einen Schritt weiter als Ihre Vorgänger. Hier riecht es nach Stagnation und Altersmilde. Halbwertszeit gleich null.
3/6