Dendemann im Interview: »Wenn deutscher HipHop ein Eukalyptusbaum ist, bin ich das ätherische Öl« // Titelstory

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Was kannst du denn am besten?
Ich gehe härter ins Detail, habe eine eigene Sprache. Ich habe Lines, die sich im Kopf entwickeln.

Aber das haben andere auch.
Schon, aber anders. Früher hatte ich immer so eine rhetorische Mittelstandsdenke: Battlerap, schön und gut. Aber du musst doch innerhalb der Behauptung, der Beste zu sein, ein dafür zugängliches Stilmittel benutzen: einen guten Reim, ein interessantes Wortspiel, einen tollen Vergleich. Ich musste auch erst begreifen, dass es Rapper gibt, bei denen es nicht darum geht, wie viele Silben sie benutzen. Kann es gar nicht. Das würde alles zerstören.

Bei wem zum Beispiel?
Nimm nur mal Prodigy – für mich einer der besten Rapper aller Zeiten. Aber mir fällt nicht ein vernünftiger Reim von dem ein. Und da musste ich auch im Deutschen durch. Aber wenn jemand hölzern rappt, dann erwarte nicht von mir, dass ich das gut finde, nur weil die Kids es lieben und es ehrlich und raw ist. Das reicht nicht immer. Zumindest nicht mir.

»Endlich wieder Zeit, Stellung zu beziehen«

Deine Platte ist unerwartet politisch. Warst du am Ende selbst überrascht?
Nein, gar nicht. Aber nur weil es auf dem Album zwei Songs mit Nazi-Disses gibt, macht es die Platte nicht politisch. Politisch sind die Sozialstücke wie »Menschine« und »Zauberland«. Und »Keine Parolen«, der sich mit der Nicht-Politik in unseren Köpfen beschäftigt.

Der Refrain von »Keine Parolen« ist angelehnt an den Song »K.E.I.N.E.« von den damals noch absoluten Beginnern…
…der wiederum von Slimes »Wir wollen keine Bullenschweine« inspiriert ist. Und der zweite Teil von »Keine Parolen« ist eine Referenz an die Goldenen Zitronen: »Alles was ich will (ist die Regierung stürzen)«.

Im Song ist also alles drin, was früher in der Roten Flora ein- und ausging.
Das ist die große Gemeinsamkeit der neuen Platte mit der letzten: die popkulturellen Referenzen.

Ist dir das Politische schwergefallen?
Früher ja. Ich habe einmal einen politischen Free-Track geschrieben zu Zeiten von »Die Pfütze des Eisbergs«: »Pimmel, Arsch & Hirn« heißt der, und der ist nicht sehr gut geworden. Daraufhin hatte ich mich von Politik in meinen Songs vorerst verabschiedet. Auf dem neuen Album gibt es aber auch keine puren Anti-Rechts-Tracks, nur einige Lines, und das makes you feel like you say something.

Wo man aber stets aufpassen muss, dass es nicht preachy wird.
Mir ging es gar nicht darum, wertvollen Inhalt zu vermitteln, sondern nicht immer nur in Ich-Form zu schreiben; den Zeigefinger zwar in der Hosentasche zu haben, aber trotzdem hörbare Musik zu machen, bei der man sich nicht ständig fragt: »Warum werde ich denn jetzt die ganze Zeit angeschnauzt?«

»Du kriegst mich aus dem Dorf, doch das Dorf nicht aus mir«

Im Song »Wo ich wech bin« thematisierst du deine Kleinstadtsozialisation. Bist du noch oft in deiner Heimatstadt Menden? Hast du noch Leute da?
Nee, nur meine Eltern. Ich war in der »Neo Magazin«-Zeit oft da, weil Menden von Köln nur anderthalb Stunden entfernt ist, aber es ist dann doch schöner, wenn meine Eltern zu mir kommen. Schon bei der Frage, wo man zusammen was essen geht, wird es bei einem so verwöhnten Großstadtkind wie mir schwierig.

Warum war es dir ein Bedürfnis, einen Song über Menden zu schreiben?
Die Stadt hat mich ganz stark geprägt – auch die ganzen negativen Sachen wie die Kirche. Du musst dir mal vorstellen: In Menden wurde jedes Jahr ein Sünder auserkoren – eine Stelle übrigens, für die man sich bewerben konnte –, und der hat Ostern immer ein Holzkreuz auf einen Berg geschleppt – mit Leuten, die hinter ihm hergelaufen sind. Diese Selbstgeißelung, was für ein Schwachsinn!

War die Kirche dein Feindbild?
In erster Linie waren es die Spießer. Die haben mich wahnsinnig gemacht. »Zieh die Hose hoch, du Skaterschwein« – wie oft ich diesen behinderten Satz in meinem Leben gehört habe. In »Wo ich wech bin« verarbeite ich das.

Gab es denn so viel aufzuarbeiten?
Ich will mich natürlich mit keinem Straßenrapper vergleichen, der unter Umständen ohne beide Eltern groß geworden ist und nur auf der Straße rumhing. Meine Eltern sind noch zusammen, ich bin sehr behütet aufgewachsen. Diese Sprüche waren wirklich das Schlimmste, was ich in Menden erlebt habe. Nicht sonderlich viel Futter für Raptexte. Aber diese Engstirnigkeit, dieses Schubladendenken der Leute hat mich irre gemacht.

Apropos Spießer: In »Nochn Gedicht« sampelst du Heinz Erhardt, der seine große Zeit in den Fünfziger- und Sechzigerjahren hatte. Hast du einen Bezug dazu?
Ja, habe ich: In meiner Plattenkiste im Proberaum meiner alten Band Arme Ritter hatte ich eine Heinz-Erhardt-Platte, weil da der Sketch »Der Ritter Fips« drauf war und wir einen »Ritter«-Scratch brauchten. So wie die Fantas damals von »Bernhard & Bianca« und »Star Wars« ihre Vocal-Cuts genommen haben, haben wir eben auch Hörspielplatten benutzt. Und ey: Heinz Erhardt hat immer wichtige Doppelrhymes gekickt. Genau wie Otto Waalkes.

Seit damals ist viel Zeit vergangen. Du machst jetzt schon 25 Jahren Musik…
Ja. Ende ’93 habe ich den ersten Text geschrieben, ’94 hatte ich den ersten Auftritt und ’95 bereits den ersten Major-Deal bei Epic mit Arme Ritter – und wir waren bestimmt ein halbes Jahr gesignt! (lacht)

Nun bist du wieder bei einem Major unter Vertrag. Da darf man sich doch sicher Hoffnung machen, dass man nicht wieder acht Jahre auf ein neues Album von dir warten muss.
(grinst) Ich respektiere den Versuch.

Text: Daniel Schieferdecker
Foto: Nils Müller

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