Bushido: »Klar, ich mache Gangstarap, aber ich wechsle auch die Windeln meiner Kinder.«

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Bushido, als Falk in einem Interview kürzlich meinte, er hätte keine Angst vor dir, meintest du: »Endlich mal einer.« Hast du den Eindruck, dass die Leute dich fürchten?
Bushido: Eine Zeit lang auf jeden Fall, weil sie mich immer mit Mafia-Clans und Salafisten in Verbindung gebracht haben. Viele Leute, die keine Ahnung von mir und von HipHop haben, scheißen sich immer in die Hose. Ob das immer Angst ist, weiß ich nicht, aber es gibt auf jeden Fall Berührungsängste und Vorurteile mir gegenüber. Und das geht mir auf den Sack, denn wenn ich mal mit jemandem Stress hatte, dann gab es immer einen Grund dafür. Ansonsten bin ich aber ein sehr vernünftiger, umgänglicher Typ ohne Starallüren. Klar, ich mache Gangstarap und sage, dass ich deine Mutter ficke, aber ich gehe auch auf Elternabende und wechsle die Windeln meiner Kinder. Ganz normal.

Gibt es denn Situationen, in denen ihr Angst habt?
Bushido: Nein. Angst habe ich vor nichts. Aber es gibt unangenehme Situationen, wenn ich zum Beispiel ins Krankenhaus müsste. Und es gibt Sorgen, die ich vor allem in Bezug auf meine Kinder habe.

Wächst diese Sorge mit jedem neuen Kind?
Bushido: Es werden zwar mehr Personen, um die man sich sorgt, aber glaub mir: Ein Kind reicht schon, um diese Sorgen zu fühlen. Ich weiß jetzt wirklich, dass es Menschen gibt, für die ich sterben würde. Solche Phrasen haut man ja gerne mal unbedarft raus, um seine Freundin zu beeindrucken, aber wenn es drauf ankäme, würden das die meisten nicht machen. Das ist auch vollkommen normal. Aber für meine Kinder würde ich sterben.

 
Trägst du Ängste mit dir herum, Shindy?
Shindy: Ich habe Höhenangst. Und ich habe Angst vor dem Tag, an dem meine Mutter sterben wird. Ich habe auch Angst, zu versagen und meinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht zu werden – das war bei dieser Platte besonders schlimm. Bei »NWA« hatte ich noch nichts zu verlieren, und weil das gut ankam, war ich auch bei »FVCKB!TCHE$GETMONE¥« entspannt. Für »Cla$$ic« habe ich mir nun zum ersten Mal richtig Druck gemacht und meine Ansprüche so hochgeschraubt, dass ich wirklich Angst hatte, sie nicht erfüllen zu können.

Also hatte das mit Bushido zu tun?
Shindy: Klar. Es war vorher ja schon krass, bei Bushido gesignt und mit ihm auf Tour zu sein. Aber ein Album mit dem Typen zu machen, der bereits alles gefickt hat, und vor dem du dich von deiner allerbesten Seite zeigen willst, das ist schon was anderes. Denn mir war klar, dass ich vermutlich nie wieder so viel Aufmerksamkeit auf mich lenken kann in meiner Karriere wie mit diesem Album. Und ich hatte Angst vor den Vorwürfen, die ich mir selbst machen würde, wenn ich meine Ansprüche nicht erfülle.

Ihr habt gesagt, das Album sei »ein ­bisschen Kunst«. Inwiefern?
Bushido: Na ja, wenn Gangstarapper auf ihren Songs darüber rappen, dass sie Mütter ficken, berufen sie sich ja immer dann auf die Kunst, wenn es deswegen Ärger gibt. Der Deckmantel der Kunst ist daher ein Schutzschild. Wir haben deshalb nie vorgehabt, auf »Cla$$ic« Kunst zu machen, aber wir wollten die Platte etwas unorthodoxer machen. Beim Gangstarap machst du normalerweise einen Beat an, rappst, und versuchst, bis zum Ende so viele Leute wie möglich zu beleidigen und selbst so dazustehen, als seist du übertrieben cool. Das haben wir diesmal nicht gemacht, sondern uns vom Ansatz ein wenig an »Watch The Throne« von Jay Z und Kanye West orientiert. Der Weg durch deren Album verlief nicht linear, und das war auch unser Ansatz. »Cla$$ic« ist dynamischer als meine anderen Alben, darin besteht das Künstlerische.
Shindy: Und was ich aus den Samples gemacht habe, das ist Kunst. Da muss ich mir mal selbst auf die Schulter klopfen. Das ist schon gar kein Samplen mehr, sondern so, als hätte ich ein Klavier gehabt, es komplett auseinandergenommen und aus den Bestandteilen…
Bushido: …ein neues Instrument gebaut.

Bushido, du bist jemand, der sich nicht davor scheut, in Interviews auch mal über sein Privatleben zu sprechen, wodurch du einerseits greifbarer, andererseits aber auch angreifbarer wirst. Gibt es private Dinge, die du im Nachhinein lieber nicht öffentlich gemacht hättest?
Bushido: Nein. Und so viel habe ich ja auch gar nicht erzählt – außer dass ich Kinder habe, es meinem Vater nicht gut geht und meine Mutter gestorben ist.

Aber das sind doch immens persönliche Informationen aus deinem Privatleben.
Bushido: Mag sein. Aber es ist ein Unterschied, ob ich erzähle, dass meine Mutter gestorben ist oder ob ich mit Leuten darüber rede, was der Tod meiner Mutter für mich bedeutet. Mit Shindy und meinen anderen Freunden habe ich natürlich viel darüber geredet, aber das wiederum muss ich nicht öffentlich machen.

Bezüglich meiner Karriere orientiere ich mich in fast allen Punkten an Bushido. Ich bin ja mit ihm und seinen Ansagen in der Presse aufgewachsen. Dahingehend ist er einfach der Beste. – Shindy

Shindy, versuchst du, dich diesbezüglich an Bushido zu orientieren? Du wirkst ­zumindest etwas verschlossener.
Shindy: Bezüglich meiner Karriere orientiere ich mich in fast allen Punkten an Bushido. Ich bin ja mit ihm und seinen Ansagen in der Presse aufgewachsen. Dahingehend ist er einfach der Beste. Was mein Privatleben angeht, bin ich sicherlich zurückhaltender als er. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es mir etwas Positives bringen würde, über mein Privatleben in der Öffentlichkeit zu sprechen. Als mein Vater gestorben ist, habe ich das auch nicht wirklich öffentlich gemacht, obwohl ich kurz darüber nachgedacht habe. Aber was bringen mir 2.000 Beileidsbekundungen auf Twitter – selbst wenn die Leute es nur gut meinen.

Klingt nachvollziehbar.
Shindy: Allerdings habe ich es viel leichter, meine Privatangelegenheiten unter Verschluss zu halten. Bei Bushido ist das Interesse ja viel größer.

Bushido, du musst bestimmt häufig ­abwägen, ob du bestimmte Dinge selbst publik machst oder darauf wartest, dass es ein anderer für dich tut.
Bushido: Klar, wie bei der Geburt meines jüngsten Sohnes im August dieses Jahres. Darüber habe ich öffentlich gar kein Wort verloren. Auch vorher schon nicht über die Schwangerschaft meiner Frau – die es übrigens immer hinbekommt, unsere Kinder genau am voraussichtlichen Geburtstermin auf die Welt zu bringen. Wir sollten dann um 9 Uhr morgens im Kreißsaal sein, sind um 8:45 Uhr über den Krankenhaus-Campus gelaufen – und eine Stunde später stand das schon im Netz. Genauso der Besuch ihrer Schwester Sarah Connor, die bei der Geburt dabei war. Ich muss also gar nichts publik machen, das passiert von ganz alleine. Den Tod meiner Mutter hingegen habe ich selbst öffentlich gemacht – in der Hoffnung, dass mich die Leute daraufhin in Ruhe lassen und mir nicht undercover auf dem Friedhof auflauern.

Hat das funktioniert?
Bushido: Ja. Und die Leute haben gut daran getan, denn da hätte ich keine Tabus gekannt. Mich hat ja auch mal jemand von »Akte 09« gefilmt – der stand bei mir vor der Tür, als meine Mutter gerade von der Chemo kam. Und da habe ich dem auch gesagt, dass er sich ­verpissen soll, ansonsten würde ich ihn ­kaputtschlagen. Dabei lief die Kamera, und dann hieß es natürlich: »Bushido bedroht Reporter«. Aber das sind Situationen, die dulde ich einfach nicht. Die können sich von mir aus tausend Geschichten über mich ausdenken, aber meine Familie haben die in Ruhe zu lassen.

Bushido, du meintest mal, dass du ein sehr zielstrebiger Mensch bist.
Bushido: Ja, absolut. Es gibt heute aber auch mehr Momente, die ich genieße, wenn ich mit meinen Kindern am Wochenende zum Beispiel in den Dinopark fahre. Dann verfolge ich nicht das Ziel, da möglichst schnell durchzukommen, sondern Zeit mit meinen Kindern zu verbringen. Aber in beruflichen Dingen bin ich nach wie vor zielstrebig, alles andere macht gar keinen Sinn.

Würdest du dich auch als zielstrebig ­bezeichnen, Shindy?
Shindy: Auf jeden Fall. Man sagt mir zwar nach, ich sei faul – aber nicht in Bezug auf die Musik. Und: Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, dann setze ich das auch um.
Bushido: Shindy schläft auch gerne lang, aber das darf man nicht mit Faulheit verwechseln. Ich habe früher auch von sieben Uhr morgens bis 16 Uhr nachmittags geschlafen, war in der restlichen Zeit aber übertrieben busy.

 
Bushido, haben sich deine Ziele über die Jahre verändert? Oder willst du nach wie vor »lediglich« der erfolgreichste Rapper Deutschlands sein?
Bushido: Das will doch jeder Rapper. Aber es gab auch mal eine Zeit, in der ich dieses Ziel etwas weniger verfolgt habe.

Wann war das?
Bushido: So zwischen 2009 und 2012. Da war ich bekannt, konnte machen, was ich will, war dadurch aber nicht mehr so fokussiert. Als Shindy dazukam, hat mich das hat wieder zielstrebiger gemacht. Früher habe ich mich häufig als einzigen Menschen auf der Welt wahrgenommen und konnte gar nicht dulden, dass neben mir noch andere Rapper existieren und gut verkauft haben. Heute bin ich da viel entspannter. Von mir aus können andere Rapper genauso viele Platten verkaufen wie ich – solange ich dadurch nicht weniger verkaufe, habe ich kein Problem damit. ◘

Foto: Sascha »HEKS« Haubold

Diese Titelstory erschien in JUICE #171 (hier versandkostenfrei nachbestellen).Cover_171_ohneBR.indd

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