Zweitausendachtzehn reicht im Rap jegliche Form von Viralität, um allerorts Türen aufzustoßen. Bei BlocBoy JB waren es ein Song, ein Video und ein ikonischer Tanz, die ihm ein Feature mit Drake einbrachten und ihn zum Lieblingskollaborateur der oberen US-Rap-Riege machten. Und wie so oft stellt sich die Frage: rappendes Meme oder ernstzunehmender Künstler?
Stöbert man die derzeitigen US-Charts durch, ist der Einfluss des Südstaatensounds nicht zu übersehen. »Powerglide« von Rae Sremmurd zitiert »Side 2 Side« von Three 6 Mafia, »Bickenhead« von Cardi B ist eine Neuinterpretation von Project Pats »Chickenhead«. Auch die neue Memphis-Schule um Moneybagg Yo, Blac Youngsta und BlocBoy JB profitiert von dieser Entwicklung. Die Erfolgsgeschichte von BlocBoy fußt primär jedoch auf etwas viel Banalerem: einem Viral Hit.
Es ist ein Tanz, der beim Durchschnitts-Alman zum mittleren Koordinationsdesaster führt, Anfang des Jahres durch Streuung auf Social Media jedoch zum weltweiten Phänomen wurde. Von bleichgesichtigen Teenagern aus Mitteleuropa bis hin zu Childish Gambino in seinem monumentalen Statement »This Is America« griff jeder den »Shoot«-Dance aus BlocBoys gleichnamigem Hood-Hit auf. Ein viraler Treffer als Kickoff für eine Rapkarriere? Längst keine Seltenheit mehr, Stichwort Bhad Bhabie, Stichwort Rich Brian – Internet eben. Natürlich stehen auch beim 22-Jährigen bereits Zweifler bereit, die das Haltbarkeitsdatum des Hypes datieren. BlocBoy kümmert das herzlich wenig. Er holte sich Anfang Mai YG, 21 Savage und Lil Pump auf sein Quasi-Debüt »Simi« und landet weiter Hits für den Bloc(k). Das Tape wurde nach Erscheinen durch die Bank gelobt, bekam von der Meinungsinstanz Pitchfork 7,7 Punkte. Warum? Weil er keinen Fick gibt.
BlocBoy JB ist kein talentierter Rapper im klassischen Sinn. Seine impulsiven Stotter-Raps sind immer etwas zu schnell, balancieren auf dem schmalen Grat zwischen gewitzten Flows und anstrengendem Off-Beat-Gebrabbel, die Hälfte des Gesagten verschluckt er. Sein Langzeitpartner Tay Keith steuert banalen Beat-Minimalismus bei. Trotzdem wird der Lulatsch mit der vergoldeten Kauleiste als das nächste große Ding gefeiert. Denn seine energetische Performance ist pur, echt und unterhaltsam.
Was vielleicht aber wichtiger ist: BlocBoy JB bietet mit seinem impulsiven, puren Sound Einblicke ohne Filter – in die (schwarze) Jugendkultur der USA; in einen koexistenten Teil einer gespaltenen Gesellschaft, der sich, von der Mehrheitsgesellschaft noch immer weitgehend ignoriert, seine eigenen kreativen Outlets sucht. Ob man dem 22-Jährigen mit dieser Dimension seiner Künstlerperson zu viel gesellschaftspolitischen Ballast auferlegt, den er womöglich gar nicht schultern kann oder will, ist eine andere Frage. Doch BlocBoy JB diversifiziert mit seinem Erfolg den Querschnitt des glattgebügelten HipHop-Mainstreams. Und das ist in jedem Fall zu begrüßen.
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