Anti alles für immer: Koljah über NMZS // Feature

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Die Nachricht verbreitete sich schnell and schockierte nicht nur die Rap-Szene: NMZS (sprich: Nemesis) von der Antilopen Gang ist tot. Er verlor den Kampf gegen seine Depression and nahm sich am 20.03.2013 im Alter von 28 Jahren das Leben.

Wer die Texte des Düsseldorfer Rappers kennt, konnte hier and da erahnen, was in seinem Kopf vorgegangen sein mag – doch trotz aller Verzweiflung an der Welt und sich selbst war NMZS‘ Schaffen immer auch von einem feinsinnigen, klugen Humor getragen, aus dem andere Verzweifelte wiederum Hoffnung schöpfen konnten. Im bürgerlichen Leben hörte der schwermütige, doch warmherzige Nerd auf den Namen Jakob Wich, wurde von allen Menschen gemocht and beschrieb sich selbst als Chamäleon, das es allen recht machen will. Damit lag er zwar nicht gänzlich falsch, doch neigte er mitunter dazu, sich selbst grotesk zu unterschätzen.

Das Bachelorstudium der Sozialarbeit hatte er 2012 mit »sehr gut« abgeschlossen; seine wahre Profession jedoch war sicherlich – abgesehen von seinem erstaunlichen Talent als Comiczeichner – das Rappen, womit er 2001 nach einer von Fanta-Vier-Kassetten geprägten Kindheit begann. Als Rapper sozialisiert in der Icklack, dem legendären Düsseldorfer Freestyle-Treff, reifte NMZS über die Jahre zum vermutlich besten Freestyler der Stadt heran, dem sein Ruf vorauseilte and der bis zuletzt Battles gewann. Typisch für ihn war dabei, erst eher unscheinbar und zurückhaltend zu wirken, um dann alles zu zerbersten. Auf der Bühne war NMZS in seinem Element; dies gilt auch für seine letzten beiden Auftritte in den Wochen vor seinem Tod.

Zu ersten Aufnahmen war es bereits ab 2004 mit seiner damaligen Crew WDR (Wenn Dann Richtig) und auch solo gekommen. Ein Jahr später wurde es schon ernster, als NMZS der Anti-Alles-Aktion beitrat und sich mit Koljah & Tai Phun zum Geheimtipp L’avantgarde zusammenschloss. Etlichen JUZE-Auftritten folgte 2008 das Album .Gute Spruche 05-07., das von der JUICE zum »Demo des Monats« gekürt wurde. Zwischen 2007 und 2011 veroffentlichte NMZS drei EPs: Sein ungestümes Debüt »Trash«, dann »Robopommes« (mit Nikolai Szymanski von Stabil Elite) und schließlich, ganz wichtig, »Egotrip« – sein bis dato kohärentestes Werk. Dabei entwickelte er peu à peu seinen eigenen Style, der nicht nur von einem häufigen Bezug zu Müll und Dreck aller Art, sondern vor allem von einer comichaften, überzogenen Bildsprache à la Eminem geprägt war. NMZS textete auffallend pointiert, hatte ein absurdes Gespür für hitverdächtige Hooklines und schrieb im Prinzip immerzu – außer er spielte Videospiele, aß Tiefkühlkost oder, natürlich, las Comics.

Nachdem er 2009 mit Danger Dan, Koljah und Panik Panzer die Antilopen Gang gegründet hatte, erschien das Album »Spastik Desaster«, das vor allem aufgrund des unvermeidlichen YouTube-Hits »Fick die Uni« einige Aufmerksamkeit auf sich zog. Weitere Antilopen-Veröffentlichungen folgten: Da wäre zunächst das mit Koljah und dem befreundeten Produzetenduo Pitlab hingehuddelte Album »Motto Mobbing«. Aber besonders konnte das im Oktober 2012 erschienene, programmatische »Aschenbecher«-Album begeistern, auf dem NMZS und Danger Dan ihre Seelenverwandtschaft als in einem gleichermaßen metaphorischen wie reellen Aschenbecher vor sich hin vegetierende Lebensversager auf unvergessliche Weise zelebrierten. Sogar die HipHop-Welt reagierte immer euphorischer; traurigerweise musste sich NMZS erst umbringen, um eine Aufmerksamkeit zu erreichen, die ihm zu Lebzeiten verwehrt blieb. Dieser Tage werden überall in Deutschland Züge und Wände mit seinem Konterfei und Namen besprüht. Dass NMZS in seiner Musik weiterlebt, ist keine Phrase, sondern eine Tatsache. Er hinterlässt ein vollständig recordetes Album namens »Der Ekelhafte«, das im Laufe des Jahres erscheinen wird. Ruhe in Frieden, Jakob.

Text: Kolja Podkowik

Dieses Feature erschien erstmals in JUICE #151. Back-Issues können im Shop versandkostenfrei nachbestellt werden.

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