Macklemore & Ryan Lewis: »Ich sehe mich in einer langen Tradition von Storytellern« // Titelstory #152

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Macklemore-Ryan-Lewis

HipHop-Traditionalisten mögen die Nase rümpfen, wenn man Macklemore & Ryan Lewis in einer Reihe mit den legendären Rapper/Produzenten-Dreamteams wie Eric B. & Rakim, Pete Rock & C.L. Smooth und Gang Starr nennt. Das Team aus Seattle setzt im Genre jedoch just in diesem Moment Impulse, die ihnen eine Stellung in der Historie geben, die größer nicht sein könnte. Das gilt für ihren Ansatz auf ­geschäftlicher Ebene genauso wie für ihre Inhalte. Kein anderes HipHop-Duo hat in den letzten zehn Jahren ­vergleichbare Maßstäbe gesetzt. Und wenn irgendwann wirklich niemand mehr »Thrift Shop« hören kann, dann wird das auch den letzten Zweiflern klarwerden.

Das Wichtigste zuerst: Man spricht ­seinen Namen nicht wie »Mäckelmohr« aus, ­sondern »Mack-Le-More«. Zu Beginn seiner Laufbahn nannte sich Ben Haggerty noch Professor Macklemore. Nachdem ihm als Siebenjährigem HipHop in Form von Digital Undergrounds »Humpty Dance« begegnete, begann er selbst zu rappen. Er freestylete, hörte Del Tha Funkee Homosapien und Freestyle Fellowship und rutschte in die Poetry-Slam-Szene von Seattle. Natürlich, könnte man heute sagen: Er wuchs in behüteten Verhältnissen im liberal-bourgeoisen Stadtteil Capitol Hill auf und ging auf die Garfield High School für Hochbegabte, die einst auch Jimi Hendrix, Bruce Lee und Quincy Jones besuchten. Doch wie es mit den Über­kreativen manchmal so ist, suchte Haggerty nicht in Schulbüchern nach den Antworten auf all seine Fragen, sondern bereits früh bei halluzinogenen Pilzen und anderen Rauschmitteln. Er stürzte ab und wandelte fortan zwischen den Extremen – bekiffte Lethargie im Keller des Elternhauses und unbändige Motivation, dass das mit der Musik irgendwann mal was werden könnte. Sein Debüt »The Language Of My World« erschien 2005. Es war ein klassisches Brot-und-Butter-Rap-Album eines lokal verankerten Denkers, der Inhalte transportieren wollte – was ihm darauf mal mehr (»White Privilege«) und mal ­weniger (»Penis Song«) gut gelang. Macklemore hatte einen kleinen Buzz. Auch wenn er nicht ganz so groß war wie etwa der der lokalen Crew Blue Scholars. Er galt als der nächste größere MC einer Stadt, die noch nie einen großen MC hatte. Er genoss die Aufmerksamkeit. Doch in gleichem Maße gefielen ihm das Oxycontin und der Sizzurp. Die Drogen vereitelten den nächsten Karriere­schritt. Auf Anraten seines Vaters wies sich Macklemore selbst in eine Entzugsklinik ein.

Zur Zeit von »The Language Of My World« lernte Macklemore Ryan Lewis kennen, einen vier Jahre jüngeren Produzenten und Fotografen. Während seiner schwierigsten Lebensphase wurden sie enge Freunde. Lewis erinnert sich: »Ben war damals ein Mensch mit guten Absichten für sich persönlich und seine Karriere, er hat aber nicht an sich geglaubt. Nach seinem Entzug stürzten wir uns in die Arbeit an ‘The Vs. EP’ und ich glaube, dass ihn das in seinem Suchtverhalten stark veränderte. Er wurde zu einem extrem fokussierten Workaholic.« Und genau hier begann das Märchen vom Rapper aus Seattle, der über Nacht zum erfolgreichsten Indie-Künstler der letzten Jahre wurde, obwohl das natürlich viel länger als nur eine Nacht dauerte; über eine erst lokale, dann nationale und ­schließlich internationale Fangemeinde, die man mittels qualitativ hochwertigen Videos zu inhaltlich tiefgründigen Songs an sich band. Macklemore & Ryan Lewis spielten überall, wo sie durften. Die Highlights: SXSW, drei ausverkaufte Shows hintereinander in der Showbox in Seattle, vor 8.000 Menschen im WaMu Theater, vor 50.000 im örtlichen Baseball-Stadion, auf dem Splash! – und dann kam »The Heist«.

Man mag von einem Album voller Pop-­Anthems im HipHop-Gewand halten, was man will. Man kann »Thrift Shop« hassen. Genau wie diesen Banjo-Beat und manchmal diese überakzentuierte Stimme. Dennoch bleibt »Wings« eine der ehrlichsten Sneaker-Oden überhaupt, »Can’t Hold Us« eine der raren Back­packer-Stadionhymnen und »Same Love«, das emotionale ­Plädoyer pro gleichgeschlechtliche Ehe, ein ­Meilenstein für ein gesamtes Genre. Insgesamt ist »The Heist« ein Beweis dafür, wie Liebe zum Detail, Arbeitseifer, ­langer Atem sowie ein Gefühl für Pop und ein Verständnis für HipHop szeneüber­greifend relevante Musik schaffen kann.

Eigentlich wollte Macklemore immer nur Geschichten schreiben, gemeinsam mit Ryan Lewis schreibt er nun Geschichte. »Thrift Shop« ist einer von zwei Songs, die jemals ohne Major-Label im Rücken auf Platz eins der amerikanischen Charts landeten. (Lisa Loeb, einer Folk-Pop-Sängerin, gelang dies vor 20 Jahren.) Kein Song wurde dieses Jahr öfter legal heruntergeladen, die Gesamtverkäufe liegen derzeit bei 6,5 Millionen. Mit dem Einstieg von »Can’t Hold Us« auf Platz eins der Charts ist Macklemore & Ryan Lewis das erste Duo überhaupt, das zwei aufeinanderfolgende Singles auf der Pole-Position platzierte. Als ob die Erstwochenverkäufe von »The Heist« mit knapp 80.000 (83 Prozent davon per Download!) und Platz zwei nicht schon überraschend genug gewesen wären, sind es mittlerweile zehnmal so viel. Tendenz, natürlich, steigend. Wie war das gleich noch mal mit der darbenden Musik­industrie? Richtig, die großen Player hatten mit dem einzigartigen Erfolg wenig bis gar nichts zu tun. Das Phänomen Mackle­more & Ryan Lewis fußt komplett auf einer Independent-Basis. Auf dem Song »Jimmy Iovine« liefert Macklemore dafür die Hintergründe und die kämpferische Losung: »I’d rather be a starving artist than succeed at getting fucked.« Mittlerweile kann weder von »starving« noch von »getting fucked« die Rede sein.

Wie unvorstellbar dieser Independent-Erfolg tatsächlich ist, manifestiert sich in den Reaktionen überschwänglicher Blogger und Online-Kommentatoren (und sogar respektierten Medien wie »NPR«), die in verschwörungsverliebtem Aufruhr das Independent-Märchen zerschießen. Der kommerzielle Erfolg von Macklemore & Ryan Lewis im Allgemeinen und »Thrift Shop« im Speziellen sei alles andere als hausgemacht, die ritterliche Ablehnung nur Fassade. Der Beweis: Die Stationen des umfassend durchkommerzialisierten US-Radios konnten nur deswegen geentert werden, weil Macklemore einen Pakt mit dem Major-Beelzebub in Form eines Vertrags mit der Alternative Distribution Alliance, einem amerikanischen Musikvertrieb, geschlossen habe. Nur mit Hilfe der ADA konnte »Thrift Shop« überhaupt in die Playlists der Radio-Konglomerate gelangen. Und ADA ist ja schließlich ein Subunternehmen der teuflischen Warner Music Group. Aufschrei. Oder halt auch nicht.

»Thrift Shop« war bereits vor den Plays im Mainstream-Radio auf Platz eins der amerikanischen iTunes-Charts, »The Heist« auf dem Billboard-Treppchen, #sharkfacegang schon Trending Topic bei Twitter und die Konzerte hüben wie drüben restlos ­ausverkauft. Die Firma Macklemore baggerte längst so viel YouTube-, Merch- und Live-Money, wie es Künstler mit lob­gepriesenen 360-Grad-Deals noch nie auf ihren Kontoauszügen gesehen haben. Mehr noch: Macklemore & Ryan Lewis konnten unter diesen Voraussetzungen einen Deal mit der ADA eingehen, bei dem der Major-Alliierte ausschließlich als Dienstleister auftrat, ohne jeglichen Einfluss auf kreative Kontrolle, Image-Ausrichtung oder die Farbe der Schnürsenkel. Wieso auch? »Thrift Shop« war ja bereits ein Pop-Hit aus dem Lehrbuch und die dahinterstehende ­Künstlerpersona Macklemore ein perfekt vermarktbares Produkt aus sinuskurvigster Biografie, Star-Verrücktheit, manischer Motivation und überbordendem Talent. Und all das eben über Jahre höchstselbst fabriziert.

Wofür steht der Künstler Macklemore?
Ich stehe für gute Musik. Und ich glaube, dass gute Musik entsteht, wenn man real, ehrlich, echt und verletzlich ist und dadurch alle Facetten seiner Persönlichkeit zeigt. Als Künstler hat man die Möglichkeit, nicht nur sich selbst, sondern auch andere zu inspirieren. Das bedeutet für mich Realness und das verkörpere ich als Künstler, der Musik macht.

Musstest du dir darüber Gedanken machen oder kam diese Erkenntnis eher natürlich?
Das kam sehr natürlich. Seit ich ­Musik ­mache, war die Kunst für mich ein ­Instrument, um herauszufinden, wo mein Platz hier auf der Erde ist und welche Ziele ich in meinem Leben verfolgen möchte. Durch die Musik kann ich in erster Linie mich selbst verstehen lernen.

Was waren die musikalischen Referenzen für »The Heist«?
Ich bin ein Künstler, der sich ständig neue Musik anhört. Es gibt also keinen bestimmten Künstler, den ich besonders viel während der Albumproduktion gehört habe und der das Album direkt beeinflusst hat. Ich konsumiere ständig aktuelle Musik. Im Fall von »The Heist« war es aber eher so, dass ich mich zurückgezogen habe und mich von Einflüssen freigemacht habe. Es kann dich schnell mal aus der Bahn werfen, wenn du dich zu sehr am aktuellen Geschehen orientierst. Für mich war es sehr wichtig, einen eigenen Sound zu schaffen und mich davon freizumachen, was jeden neuen Tag auf den Blogs passiert.

Das Album ist ja auch im Laufe von drei Jahren entstanden, dennoch klingt das Album sehr aktuell.
Ja, finde ich auch. Es ist schon krass, »Can’t Hold Us« ist gerade auf Platz eins der amerikanischen Charts. Ryan hat bereits 2007 angefangen, den Beat dafür zu produzieren. Natürlich muss man dazu sagen, dass wir immer weiter an dem Song gearbeitet und ihn bis letzten Sommer immer weiter verfeinert haben.

Gibt es bei euch manchmal die Tendenz, dass ihr zu viel an einem Song arbeitet?
Ja, das könnte man bei uns beiden sagen. Es gibt von »Wings« sicher über 200 ­Versionen und die finale Version war ­wahrscheinlich sogar nicht mal die beste. Wir denken teilweise auf jeden Fall viel zu viel über unsere Musik nach. Wobei das
die Musik auch sehr voll und lebendig klingen lässt. Durch die verschiedenen Bausteine und Sounds sowie die Aufs und Abs klingt die Musik einfach nach mehr. Es hat also durchaus etwas Positives und Negatives.

Wo positionierst du dich selbst in der HipHop-Szene?
Ich bin ein Rapper und mein Partner ist ein Produzent und DJ. Ein Team aus ­Produzent und DJ ist HipHop in seiner reinsten Form. Ich bin in der goldenen Ära von HipHop aufgewachsen. Das war die Rawkus-Ära. Ich würde sagen, dass ich als ganz klassischer Backpack-Rapper groß geworden bin. Ich bin ganz klar durch eine Vier-Elemente-Sozialisation gegangen. Das ist meine Basis. Von dort komme ich her. In erster Linie bin ich ein MC. Ob man unseren Ansatz mit dem vergleichen kann, was derzeit im Radio läuft? Vielleicht nicht. Vielleicht klingt unser Sound ganz anders. Ich bleibe aber ein MC. I move the crowd. Ich sehe mich in einer langen Tradition von Storytellern. Ich bin ein Nachkomme dieser Lehre.

Du machst Musik ja nicht erst seit gestern. Warst du früher mehr HipHop?
Durch meine Zusammenarbeit mit Ryan ist tatsächlich ein gewisses Pop-Element eingezogen. Ryan ist auf jeden Fall in der Lage, einen Pop-Song zu machen, im Gegensatz zu den Produzenten, mit denen ich früher gearbeitet habe. Daran war ich früher einfach nicht so interessiert. Aber ich will eben Musik machen, die für eine breite Masse zugänglich ist, dabei aber inhaltliche Tiefe hat. Deswegen sind Ryan und ich so ein gutes Team.

Wie sehr HipHop möchtest du denn ­überhaupt sein?
HipHop ist aktuell wahnsinnig umfassend. Es gibt so eine riesige Menge an HipHop, dass du es eigentlich in verschiedene Subgenres herunterbrechen müsstest. Ich finde, dass HipHop derzeit so offen und frei ist, wie noch nie zuvor. Aber auf der anderen Seite ist HipHop wahnsinnig festgefahren. Man hört so viele recycelte und aufgebrühte Songs. Es klingt immer noch viel zu viel gleich. Ich glaube, dass auch das zu dem Erfolg von »The Heist« und »Thrift Shop« beigetragen hat, weil es einfach nach nichts klingt, was es derzeit gibt. Aber wir bauen zu 100 Prozent auf HipHop. Grundsätzlich gibt es absolut ­keinen Unterschied zwischen unserer Musik und dem restlichen HipHop.

Wo fühlst du dich wohler? Auf dem »XXL«-Cover oder in der »Ellen«-Show?
»XXL«! Da bin ich zu Hause und da gehöre ich hin. Seit ich mit der Musik begonnen habe, wollte ich auf da drauf. Das Cover war eine der besten News in meiner ­bisherigen Karriere. »Ellen« war groß­artig. Das war das erste Mal, dass wir im Fernsehen waren. Außerdem haben wir dort »Same Love« performt. Einen Song, auf den ich sehr stolz bin. Wahrscheinlich mehr als auf alles andere, was ich bis jetzt getan habe.

Welche Rapper inspirieren dich noch?
Die Hieroglyphics und Freestyle Fellowship waren Pioniere und haben definitiv meinen Sound beeinflusst und mich inspiriert, noch kreativer zu sein. Einen sehr großen ­Einfluss auf meine Kunst hatten zudem meine Erfahrungen mit halluzinogenen Pilzen. Ich habe dabei Dinge erfahren, die größer sind als ich selbst. Das ­Universum hat sich mir dabei erschlossen. Wie du wahrscheinlich weißt, habe ich große Schwierigkeiten mit Rauschmitteln. Ich habe es definitiv übertrieben, aber als ich mit Rap ­begonnen habe, hat sich durch die Pilze mein Fokus verändert. Es hat mir dabei geholfen herauszufinden, wer ich wirklich bin. Und darüber habe ich dann geschrieben.

Und die Rhymesayers-Clique? Oft klingst du sehr nach Slug von Atmosphere.
Ja. Ich hatte immer sehr großen Respekt vor Slug. Ich hab ihn nicht besonders viel gehört, aber ich sehe auf jeden Fall die Ähnlichkeiten im Storytelling oder auch im Tempo und wie wir teilweise an einen Beat rangehen. Absolut.

Wo liegen denn deine Stärken als Rapper?
Ich bin in der Lage, Inhalte und bestimmte Konzepte rüberzubringen, mit denen sich das Publikum identifizieren kann. Mein Ziel ist es immer, Bilder mit Hilfe von Wörtern zu malen, die greifbar für den Hörer sind. Ich möchte, dass meine Hörer mich nicht nur verstehen, sondern erkennen, wer ich wirklich bin.

Bist du jetzt gerade inspiriert, wo du die ganze Zeit unterwegs bist?
In erster Linie sind wir ziemlich beschäftigt. Für kreatives Arbeiten bleibt da nicht wirklich Platz. Wir spielen fast jeden Abend eine Show. Wir waren ewig nicht mehr im Studio. Bei der Tour im Herbst werden wir hoffentlich ein Studio im Bus haben, weil die Shows ja nicht aufhören werden.

Hast du all die Jahre auf diesen Moment hingearbeitet?
(überlegt lange) Ja, habe ich. Es kommt zwar immer anders, als man denkt und der Erfolg bringt auch Probleme mit sich, genau wie das liebe Geld. Der Erfolg löst eben keine Probleme. Man gewöhnt sich ja auch sehr schnell daran, Nummer-eins-Singles, ein erfolgreiches Album und riesengroße Shows zu haben. Es wird zur Norm. Und all das macht mich nicht glücklich. Der Erfolg ist zwar großartig – ich wollte schon immer, dass die Welt meine Lieder kennt und dass ich von meiner Kunst leben kann. Aber ich muss auf jeden Fall Opfer bringen – ich schlafe kaum, ich sehe meine Familie sehr selten und jeder will irgendwas von mir. Du hoffst immer auf den Ruhm und wenn du ihn hast, merkst du erst, was er bedeutet. Die Balance zu halten, ist auf jeden Fall eine große Herausforderung.

Die Balance zu halten, ist dir ja schon immer schwergefallen. Es ist sicher nicht leicht für dich, in all dem Trubel clean zu bleiben.
Absolut. Meine Musik, meine Kunst hat mir aber einen Grund gegeben, ­nüchtern zu sein und es zu bleiben. Wenn ich nicht nüchtern bin, kann ich keine Kunst ­machen. Ich habe gelernt, dass ich ­betrunken oder auf Drogen nicht kreativ sein kann.

Es gab Gerüchte, dass du kürzlich einen Rückfall hattest. Stimmt das?
Nein, die Gerüchte, dass ich mich wegen Drogenproblemen in eine Entzugsklinik ­einweisen lassen musste, stimmen nicht. Ich war vor fünf Jahren in Rehab, aber seitdem nie wieder.

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Ryan Lewis im interview

Ryan Lewis wollte immer kreativ sein und damit sein Geld verdienen. Er baute Beats, spielte in verschiedenen Rock-Bands, fotografierte und drehte Videos. HipHop war immer nur eines von vielen kreativen Outlets. Seine Lieblingsproduzenten sind Kanye West, Timbaland, Dr. Dre und Rick Rubin, aber er liebt auch Sufjan Stevens, Yann Tiersen und The Arcade Fire. Dennoch ist er aktuell einer der erfolgreichsten HipHop-Produzenten, ohne jemals eine Beat-CD verschickt zu haben.

Welchen Part nimmst du im Kosmos Macklemore & Ryan Lewis ein?
Ich bin eine der beiden Hälften. Zu allererst muss man sagen, dass wir wirklich fast alles zusammen machen. Ben hilft mir sehr stark bei den Produktionen und ich helfe ihm bei den Lyrics. Grundsätzlich bin ich der Produzent der kompletten Musik, ich filme unsere Musikvideos, schneide sie und bearbeite sie nach. Ich kümmere mich um unsere Pressebilder, alle Design-Aspekte und ­produziere die Videos für unsere Live-Shows. Im Grunde ­genommen ­übernehme ich die Hälfte aller Tätigkeiten einer Plattenfirma und bin damit verantwortlich für das kreative Produkt Macklemore & Ryan Lewis.

Könnte man sagen, dass du die treibende Kraft hinter der ­Entscheidung warst, alles selbst zu machen?
Nein. Darüber waren wir uns eigentlich schon immer einig. Wir haben in den letzten Jahren unglaublich viel dazugelernt: was es heißt, wirklich independent zu sein, was es bedeutet, einen Plattenvertrag zu unterschreiben und wie schwierig es ist, dann die kreative Kontrolle zu behalten. Wir hatten ja etliche Angebote von Indie-Labels und Majors auf dem Tisch und waren da auch nicht sofort dagegen. Erst als wir langsam verstanden haben, wie das Geschäft läuft, haben wir uns dagegen entschieden. Das bleibt wahrscheinlich die beste Entscheidung, die wir je gefällt haben. Wobei diese Entscheidung natürlich auch einen unglaublich anstrengenden Lifestyle mit sich bringt. Wir haben das nur mit Hilfe unserer Familien und unseres Teams geschafft. Natürlich konnten wir dadurch auch sehr viel mehr Geld selbst einstreichen.

Was ist deine Erklärung für die relativ lange Halbwertszeit von »The Heist«?
Ich würde mir natürlich wünschen, es läge daran, dass es ein ziemlich gutes Album ist. Ein Grund, wieso Musik so schnell kommt und wieder geht, ist ja, dass sich die Leute bei der Produktion nicht wirklich Zeit lassen. Der Ansatz, dass man viel Zeit investiert, um große Musik zu erschaffen, passt derzeit nicht in den Plan vieler Rapper und HipHop-Produzenten. Der Ansatz von Ben und mir war immer anders: Wir veröffentlichen lieber weniger und achten dabei aber darauf, dass das so gut wie nur möglich ist. Das gilt für die Musik, die Beats, Lyrics, Videos und die Gestaltung des Booklets. »The Heist« ist dadurch sehr vielschichtig geworden. Ein Album zu überstürzen und in nur wenigen Monaten ­aufzunehmen, bringt einfach zu viele Nachteile.

Wie erklärst du dir, dass eure Songs nicht nur im Mainstream- und College-Radio laufen, sondern auch im sogenannten Urban Radio?
Ich habe keine Ahnung. Das ist ja sowieso alles verrückt, weil wir dachten, dass überhaupt keine Radiostationen uns spielen würden. Darauf haben wir bei der Produktion niemals abgezielt. Vielleicht liegt es einfach daran, dass sich die Songs untereinander sehr unterscheiden, weil wir keinen der Songs als Single gesehen haben. »Same Love« kann bei einer Alternative/Indie-Station laufen und »Thrift Shop« und »Can’t Hold Us« eher auf der Pop-Schiene.

Bekommst du mittlerweile viele Anfragen von anderen Rappern?
Lustigerweise nicht. Ein paar waren dabei, dich mich richtig umgehauen haben – die kamen aus ganz unterschiedlichen Ecken und waren sehr schmeichelhaft. Ich bin aber dank »The Heist« nicht zum neuen Hit-Boy avanciert. (lacht) Macht ja auch irgendwie Sinn. Man kann mich eben nicht in eine bestimmte Schublade ­stecken. Ich mache keine konventionellen HipHop-Beats mit einem bestimmten Sound, auf den sich ein MC dann sofort einstellen kann. Aber ich bin eben auch ein Produzent für einen MC. Es kommen also auch keine Pop-, Indie- oder Rock-Bands auf mich zu. Aber eigentlich bin ich ganz froh darüber. Wir spielen dieses Jahr knapp 240 Shows – ich müsste also wahrscheinlich die krassesten Anfragen zumindest für 2013 absagen. Längerfristig liebäugle ich damit, ein Produzent wie Rick Rubin zu werden. Der Typ ist eine Legende, der in fast allem, was man sich vorstellen kann, seine Finger hat. Sein Horizont in Sachen Sounds, Künstler und Genres ist extrem breit. Er hat Unglaubliches für HipHop getan, aber eben auch Johnny Cash und wahnsinnige Metal-Alben produziert. Er ist eine riesengroße Inspiration.

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