Kuchenmann – Lugia / Mewtwo

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kuchenmann
 
Bamberg steht für Bier und Basketball. Ansonsten passiert nicht viel in der gemächlichen Mittelstadt. Wenige gute Veranstaltungen, wenig Subkultur und um 2 Uhr werden die Bordsteine hochgeklappt. Nicht die beste Grundlage für freigeistige Rapmusik. Oder gerade ein Antrieb, etwas Eigenes zu kreieren? Definitiv, denn zwischen Erlangen und Bamberg brodelt es und spätestens seit der im Januar veröffentlichten »Lisa«-EP von Kuchenmann und dem damals erst 15-jährigen Produzenten Vertiqua ist der Topf endgültig übergekocht. Warme Lo-Fi-Beats und hungriger Rap sind längst über die fränkischen Grenzen hinausgeschwappt.
 
Die EP, die so erfrischend daherkam und zahlreiche Einflüsse von Dilla bis Brick Squad erahnen ließ, ist jedoch lange nicht alles im Kuku-Kosmos. Vor drei Jahren hatte Kuchenmann mit der Gruppe Spark The Mic einen kleinen Hype. Wenig später lernte er in New York Physical Graffiti und Henry Quester kennen, mit denen schnell gemeinsame Musik entstand. Mittlerweile legt er das Hauptaugenmerk aber auf die Zusammenarbeit mit Freunden aus der Umgebung, die sich unter dem Namen Smiling Street organisieren. Der Weg von Erlangen nach Bamberg gehört zur Routine.
 
Ich bin in Bamberg Ost. Aus einer Neubauwohnung sind mit etwas Fantasie die lallenden Töne eines DJ-Screw-Tapes zu erahnen. Die Wohnung, in die mich Kuchenmann gebracht hat, gehört den Smiling-Street-Produzenten Beatinyo und Emrou. Ebenfalls anwesend ist der Rapper Robanzee und einige ­weitere Freunde, die nichts mit ­Musik am Hut haben. Wir ­verziehen uns auf den Balkon, um etwas zu essen. Ein bisschen Smalltalk mit vollem Mund: »Und was haltet ihr vom neuen Kendrick-Album?« Die Frage entfacht eine heftige Diskussion zwischen Kuchenmann und Robanzee, darüber, ob Kendrick der beste Rapper zur Zeit ist. Keine Einigung, doch ein freundschaftliches Ab­fausten sind das Ergebnis. ­Ohnehin ­scheinen alle ein sehr gutes und enges Verhältnis miteinander zu pflegen. Gesunde Reibung gehört dazu. Diskutiert wird jedenfalls ­gerne und viel. Auch über Politik und die Generation Y. »Ich finde, man muss mit Rap ­etwas vermitteln und die Leute dazu bewegen, etwas zu schaffen. Mit Musik hat man seiner Generation gegenüber eine Verantwortung.« Kuchenmann, mit ­Buckethat und leicht verpeiltem Blick, entpuppt sich schnell als überaus reflektiert und politisch interessiert. Die Texte sind weit entfernt vom deutschrap­typischen Hedonismus und Geltungsbedürfnis.
 
Mit Rap aus dem Lande hat er sich ohnehin kaum ­beschäftigt. Ihn ­faszinieren eher die ­kodeingetränkten ­Soundlandschaften von Pimp C oder Hysterie-Entgleisungen von Waka Flocka Flame. »In Erlangen waren viele US-amerikanische ­Soldaten stationiert und dadurch wurde ich schon immer von Musik aus den Staaten beeinflusst«, erklärt er seine Sozialisation. Wenig später finden wir uns im 7-qm-Zimmer von Beatinyo wieder. Er möchte Musik vom anstehenden Smiling-Street-Album ­vorspielen. Draußen verschwimmt die Sonne langsam hinter historischen Häusern und die ersten Töne erklingen. Ein düsterer Beat setzt ein und erinnert an eine Mischung aus kontemporärem Trap und der entschleunigten Ästhetik des Raider Klan. Kuchenmann steht mit halbgeschlossenen Augen und Handy in der Hand vor den Boxen und rappt mit. Der Beginn eines halbstündigen Wohnzimmerkonzertes: bis auch der letzte euphorisch mitnickt. Eine angenehme Energie umhüllt den Raum, während sich der Rapper und seine Freunde vollends in der Musik verlieren. Gehört hat man derartig benebelte, gleichzeitig energetische Soundlandschaften mit Texten zum Nachdenken in Deutschland in dieser Form bisher nicht.
 
Vom Boombap hat sich Kuchenmann mittlerweile verabschiedet. Er hat sich emanzipiert, doch ein Nachfolger mit Vertiqua und ein weiteres Kollaboalbum sind neben dem Crew-Projekt dennoch in ­Planung. Wie man all das ­einordnen soll? »Ich ­mache ­Frankonia Phunk. Unsere Einflüsse haben wir zum ­Beispiel aus Houston gezogen, von Leuten wie Pimp C, Slim Thug und UGK, denn das ­waren Leute vom Land – ­genau wie wir. Durch das Landleben hat sich unsere Eigenständigkeit ­entwickelt, die uns im Vergleich zu den Städtern so frisch und anders klingen lässt.« ­Frankonia Phunk lautet sie also, die dritte Säule neben Bier und Basketball – und mit Abstand die spannendste.
 

 
Text: Johann Voigt
 

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