SSIO – Messios // Review

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(Alles oder Nix/Chapter One)

Wertung: Viereinhalb Kronen

Es ist eine paradoxe Situation, in die sich SSIO durch seine Konsensalben »BB.U.M.SS.N« und »0,9« gebracht hat. Der Bonner erarbeitete sich den Ruf des witzigen Deutschrap-Onkels, der zu 95 Prozent seiner Zeit mit der Szene nichts zu tun hat, doch bei Release eines Albums dank der zuverlässigen Flut von Quotables, AON-Qualitäts-Sound und gelebter wie authentischer Anti-Trends-Attitüde zu einem Hauptgesprächsthema wird. Alles gut also, einfach weitermachen, oder? Naja: So sehr SSIO sich seinen ganz eigenen Status erarbeiten konnte, so sehr drängten sich nun doch Fragen auf. Würde auf »Messios« mehr zu hören sein, als die nächste unterhaltsame Geschichte aus Bonn Sibiebzehn über ein weiteres, überragend produziertes, Reafstrumental? Ist da mehr als ein präzise vorgetragener, ansteckender Humor über staubige Snares und trockene Kickdrums? Und wenn ja: Es ist das überhaupt wert, die eigene Erfolgsformel umzuschreiben, nur um prophylaktisch die vermeintliche Gefahr der Eintönigkeit mit Innovation zu bekämpfen? »Messios« gibt dazu klare Antworten: Denn SSIO hat es geschafft, seinem Sound ein Update zu verpassen, ohne auch nur einen Prozent seiner künstlerischen Identität zu veräußern – oder sich gar an aktuellen Entwicklungen zu orientieren. »Messios« kommt phasenweise in einem elektronischeren (No Technopiloten) Gewand daher, viele Drums klingen mehr nach Computer als nach Trockenholz und so flirtet mancher Song schüchtern eher mit Grime als Soul oder Jazz, während das stilvolle Gerumple auf »Hochzeitskorso« nicht aus der Zeit fällt, sondern sich hervorragend in den Albumkontext einfügt. Das ist spannend und mit viel Fingerspitzengefühl gemacht. Einen ähnlich unterschwelligen Hang zur Neufindung hätte SSIO aber auch als Texter gut gestanden. Natürlich: Lachkick-Lines à la »Der Bulle hat Bart wie Leonidas / Sagt zu mir ‚Hallo, mein Name ist Tobias’« funktionieren immer noch exzellent. Die skurril-unterhaltsamen Alltagsstories, die deutliche Szenekritik (»Alte Rapkollegen haben jetzt Ufo-Stimmen/ Wenn nicht, würden die heute noch Schuhe binden, Nuttööö«), das, aller Ironie zum Trotz, oftmals sehr plump dargestellte Frauenbild – das ist alles verdammt gut gerappt, kann sich aber nicht gänzlich dem Eindruck entziehen, schon mal gehört worden zu sein. Sich musikalisch selbst neu zu erfinden, ohne sich zu verändern – darin steckt letztendlich die Leistung dieses guten Albums.

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