Lucid Dreams: Wer Juice WRLD war und was er hinterlässt // Nachruf

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Mit Juice Wrld ist ein weiterer Rapper einer jungen Generation verstorben, die ihre Gefühlswelten zwischen Selbstzweifeln, Angstzuständen und Suizidgedanken konsequent und nahbar nach außen vermittelt. Genauso wie den teils übermäßigen Konsum von Drogen wie Lean, Xanax oder Mollys, der diese traurigen Gedanken vernebelt.

Juice Wrld schaffte 2018 die Entwicklung vom Soundcloud-Hype zu einem waschechten Rapstar, Songs wie »Lucid Dreams« und »All Girls Are The Same« von seinem Debütalbum »Goodbye & Good Riddance« spülten ihn weltweit in Playlisten. Der Chicago-Native mischte Trap konsequent mit Emo-Elementen und half dabei, die Soundintentionen von Lil Peep oder XXXTtentacion nachhaltig auch im Mainstream zu verankern. Beeinflusst wurde er dabei nicht nur von Rappern wie Post Malone, Young Thug, Travis Scott oder eben Lil Peep, sondern genauso von Rockmusik, die er in etlichen Gitarrenriffs in seinen eigenen Songs aufgriff.

Erinnerungen an Lil Peep und XXXTentacion

Es sind aber gerade Kollegen wie die ebenfalls verstorbenen Lil Peep (21) oder XXXTentacion (20), an deren Schicksal die Karriere von Juice Wrld erinnert. Einige Hits verhalfen den Rappern zu großer Bekanntheit und stellten sie ins Spotlight, in dem sie ihre mentalen Probleme und den häufigen Drogenmissbrauch thematisierten. Trotz (oder gerade wegen) der bedrückenden Inhalte wurden die noch jungen Künstler zu Vorbildern für Teenager, die oftmals selbst mit innerer Zerrissenheit kämpfen. Dass man trotz des Kampfes mit sich selbst und trotz eines Lebens mit Depression Großes schaffen kann, dass verkörperten alle drei Künstler gleichermaßen.

Ihre Karrieren wirken nun wie ein schlechter Film im Schnelldurchlauf: Der erste Hype, der raketenmäßige Aufstieg zum Stardom, der Tod. Die drei stehen stellvertretend für die erste Generation von Künstlern, die aus Altersgründen mit Social Media aufgewachsen sind – und damit auch mit den Zwängen und dem Druck, immer und überall sichtbar zu sein. So finden sich nun auch Videoaufnahmen im Internet, die Juice WRLD bei seinem letzten Flug nach Chicago zeigen. Kurz nach der Landung verstarb er, die genaue Todesursache ist weiter unklar. Laut »TMZ« seien an Board des Flugzeuges 30 Kilogramm Marihuana und eine Flasche Codein gefunden worden. Mitglieder von Juice WRLDs Team hätten der Strafverfolgungsbehörde mitgeteilt, dass der Künstler vor dem Flug »mehrere unbekannte Pillen« zu sich genommen hätte. Auch Lil Peep und Mac Miller sind allem Anschein nach auf Grund von Überdosierungen verstorben.

Juice WRLD hatte mit nur 21 Jahren bereits viel von dem erreicht, was man sich als junger Rapper von seiner Karriere erhoffen kann. Features von Superstars wie Young Thug, Lil Wayne oder Nicki Minaj hat der Chicago-Native von der Bucket Liste gestrichen – und ein Kollabo-Album mit Future – hinzu kamen plötzlich Shows auf der ganzen Welt. 2018 spielte Juice WRLD zum Beispiel in Berlin, die Broke Boys, Produzententeam und Macher der Partyreihe »Trap or Die«, haben ihn damals gebucht. »Für seinen neu errungenen Ruhm war er sehr cool und bodenständig. Er hat sich im Backstage mit allen Leuten unterhalten und hat sich nicht zurückgezogen. Er war eher interessiert an den Leuten und wollte wissen, was bei ihnen so geht«, sagt Beatsbya heute rückblickend. Greeny erinnert sich ebenfalls: »Wir haben quasi einen ganzen Tag mit ihm verbracht. Er war sehr down to earth, sehr freundlich. Seine Show war auch überkrass«.

Noch plötzlicher als der Aufstieg zum Billboard-Rapper vonstatten ging, erreichte das Leben und die Karriere von Juice Wrld ein dramatische Ende. Ein Ende, das ihn für viele Fans posthum zu der Legende machen wird, die er selbst nicht sein wollte. 2018 sagte er in einem Interview mit unserem Kollegen Anton Fahl für das splash! Mag: »Ich will gar keine Legende sein. Es scheint, als würden so viele Legenden sterben, als würden ihnen immer wieder irgendwelche schlimmen Sachen passieren. Und ich glaube, dass diese Leute wissen, wann sie sterben werden, dass sie das irgendwie im Gefühl haben. Ich will eine Legende sein, wenn ich 80 Jahre alt bin. I’m ready to leave this bitch when I’m 80 (lacht).« Anhand des Tracks »Legends«, den Juice WRLD nach dem Tod von Lil Peep aufnahm und den Song ihm und XXXTentacion widmete, erkenne man die Brutalität dieser Geschichte, sagt Anton. »Genau das, was er eigentlich verhindern wollte, ist jetzt bei ihm eingetreten.« Generell geistern gerade diverse Lines von Juice WRLD durch das Netz, die sich tragischerweise bewahrheitet haben:

Anton erinnert sich noch gut an das Interview, es war eines seiner ersten. »Ich bin damals zu Universal ins Büro gefahren und war super aufgeregt. Als ich ankam, saß Juice WRLD mit seiner Freundin und seinem Team zusammen da. Er hatte eine fast leere Flasche Jägermeister in der Hand, da war es ungefähr 18.30 Uhr. Ich musste sofort an die Lines aus ‚All Girls Are The Same‘ denken, wo er rappt: ‚Fuck sippin‘, I’ma down a whole bottle/ Hard liquor, hard truth, can’t swallow’«. Im Gespräch selbst habe Juice WRLD einen »offenen und extrem reflektierten« Eindruck gemacht: »Zwei andere Sachen wurden aber auch deutlich: Zum einen habe ich gemerkt, dass der Typ halt echt noch ein Kind war, er war damals ja nur 19 Jahre alt. Zum anderen hatte er auch einfach Probleme, das hat das Interview widergespiegelt. Darüber hat er auch sehr offen gesprochen.«

Es muss aufhören. Jetzt.

Blickt man auf die Dekade zurück, kann man durchaus festhalten, dass Rapper die neuen Rockstars geworden sind. Trotzdem stimmt es bedenklich, dass diese Rolle dazu führt, dass einige junge Künstler bereits in ihren frühen Zwanzigern an ihr zu scheitern scheinen. Drogenkonsum, Stress, eine durchs Internet extrem beschleunigte Musikindustrie und das überwältigende Gefühl, überall auf der Welt bekannt zu sein und die Privatsphäre zu verlieren – das kann ziemlich viel sein für Jungs und Mädchen, die noch irgendwo zwischen den Teenager-Jahren und den ersten Zwängen des Erwachsenseins feststecken und deren Probleme von vielen Seiten mehr als Kunst betrachtet werden als als das, was sie letztendlich sind: Extrem gefährlich für die eigene Gesundheit.

So geht mit Juice WRLD erneut ein viel zu junger Künstler, der sein Potential gerade erst andeuten konnte. Es ist so sinnlos. Und es muss aufhören. Jetzt. Rest in Power, Juice WRLD.

Text: David Regner & Louis Richter

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