Reality Check? So war der Red Bull SoundClash 2017 // Features

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Eines vorweg: beim Red Bull Soundclash 2017 hat sich nicht final offenbart, dass die Repräsentanten der neuen deutschen Rap-Generation, hier vertreten durch LGoony, Crack Ignaz und Soufian, HipHop nicht verstanden haben oder ihn gar verraten. Nein, es wurde auch nicht offenbart, dass der künstlerische Ansatz des Rap-Stils von Samy Deluxe, Eko Fresh und Afrob unzeitgemäß ist. Nur eines wurde klar: die deutsche HipHop-Szene hat sich diversifiziert.

»Sowas habt ihr nie gesehen, sowas machen HipHopper«

Aber der Reihe nach: Dem Warm-Up von Chefket folgte die Einführungsrunde des diesjährigen Red Bull Soundclash, in der die beteiligten Teams sich mit Hit-Medleys vorstellten. Es sollte bis zur ersten Wettbewerbskategorie »The Cover« dauern, bis sich herauskristallisierte, unter welchen Vorzeichen der Abend verlaufen würde. Die zwei Lager waren in jener Kategorie aufgefordert, Sidos »Mein Block« neuzuinterpretieren – und realisierten diese Aufgabe höchst unterschiedlich: während sich das Team New Level an eine gänzlich eigene Version im aktuelleren Soundgewand traute, konzentrierte sich Team Reality Check vermehrt auf die Live-Performance und rappte zu einer Art Beat-Medley den Originaltext der Vorgabe. Das zeigte hüben wie drüben die Stärken auf: Auf der einen Seite ein Haufen kreativer Energie, auf der anderen Seite geballte Live-Power. Ein erster Überraschungsmoment sollte folgen, als Sido die Bühne für eine unterstützende Beigabe betrat: für Team New Level.

»Ein bitterer Tag für Cloudrap«? Nein

Die Stimmungslage in der ausverkauften Alsterdrofer Sporthalle war unterdessen alles andere als ausgewogen. Eine deutliche Überzahl der Team-Reality-Check-Anhänger in Hamburg machte sich früh bemerkbar. Kein Wunder, sind schließlich zwei Drittel des Teams eng oder lose mit der HipHop-Geschichte der Hansestadt verknüpft. Andererseits schienen Crack Ignaz, LGoony und Soufian diesen Umstand berücksichtigt zu haben und begegneten ihren Kontrahenten mit kindlicher Ignoranz, spielerischen Ideen und jeder Menge Starpower: u.a. Trettmann, Haftbefehl, Celo & Abdi, Ahzumjot, Capo und Eno unterstützten New Level über den Abend hinweg mit eigenen Performances. Auch die Hamburger Lokalmatadoren Nate57 und Telly Tellz schauten vorbei und demonstrierten mit ihren Auftritten, dass es keine regionalen Barrieren für scheuklappenfreies Kunstverständnis gibt – Hamburg ist nicht die Realkeeper-Town.

Ein weiterer Höhepunkt des Abends war allerdings zweifelsohne das Acapella von Samy Deluxe in der »Wildcard«-Runde, der in bester »100 Bars«-Tradition das New-School-Trio vorführte: »Wir gehen hiernach in die Geschichte ein als biblische Helden/ Ihr geht hiernach geknickt heim und werdet euch untereinander nie wieder melden«. Ein überragender Affront von rund fünf Minuten, auf den Soufian letztlich nur noch mit aufgekratzten Zwischenrufen zu reagieren wusste. Ein anderer unterhaltsamer Clou gelang Team New Level, die in der Kategorie »Takeover« anstelle der geforderten Aufgabe, einen Song ihrer Kontrahenten zu performen, einfach eine vom wandelnden »Neo Magazin Royale«-Meme William Cohn vorgetragene Power-Point-Präsentation abspielten – Team Internet for the win! So stehen diese beiden Teile der insgesamt fast zweistündigen Show exemplarisch für die unterschiedlichen kreativen Ansätze von Team New Level und Team Reality Check: auf der einen Seite ging es um ein ganzheitliches Show-Konzept und effektvolle Überraschungsmomente, auf der anderen Seite standen verlässliche Live-Routine, hingebungsvolle Mic-Präsenz und ein Sack voll amtlicher Rap-Skills.

Style oder Swag? Beides.

Am Ende verließen LGoony, Crack Ignaz und Soufian noch während des Team-Reality-Check-Auftritts zum krönenden Finale »Sneak Preview« vorzeitig die Bühne. Aber nicht als geschlagene Verlierer, sondern als Repräsentanten einer Rap-Generation, die ihren Vorreitern und deren technisch makelloser Rap-Versiertheit mit unverblümtem, gerne auch mal spielerischem Dilettantismus entgegenstanden. Somit stand der Red Bull SoundClash 2017 nicht unter dem Zeichen von zwei auseinanderdriftenden Rap-Generationen, sondern vor allem der Frage: Kunstfreiheit oder Kunsthandwerk? Ob man diesen (und wenn dann welchen der) beiden Aspekte nun mag oder nicht, bleibt letztendlich eine persönliche Entscheidung.

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