»Ich möchte, dass die ganze Welt versteht, was ich sage« // Serious Klein im Interview

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Um als deutscher Artist auf Englisch erfolgreich zu sein, muss man mithalten können. Serious Klein kann das. Im Oktober 2018 erscheint das Debütalbum »You Should’ve Known« des Bochumers. International sammelt er schon seit Jahren Anerkennung wie Werbedeals. Jetzt war die Zeit reif. Wir haben uns mit ihm getroffen und über das Album, Glaube und Rassismus gesprochen.

Wie ist das, wenn Alicia Keys einen feiert?
Das ist diese most random question – jeder fragt das! Wir waren in Paris, da bin ich aufgetreten. Dort habe ich von unserem damaligen Booker die Mail gekriegt: »Yo, Alicia Keys will mit dir am Montag performen.« Ich dachte erst, der will mich verarschen. Dann bin ich zu Google gegangen und habe geguckt, ob es vielleicht noch eine andere Alicia Keys gibt. (lacht) Sie hat mich dann bei meinen Proben gesehen, ist zu mir gekommen und hat gesagt: »Ey, ich feiere deinen Stuff!« Die Show war auch krank. Eins der heftigsten Erlebnisse überhaupt.

Dazu gab es für dich Werbedeals mit Nike, Adidas und Mercedes. In Deutschland fliegst du teilweise noch unter dem Radar. Liegt das daran, dass du auf Englisch rappst?
Viele haben mich hier tatsächlich noch nicht auf dem Schirm. Aber in der Szene wissen die Leute, wer ich bin. Viel habe ich ja auch noch nicht gemacht. Aber wenn, hatte das immer so einen Kratereffekt – wie als »91 Flex« rauskam. Da schrieb mir Casper, dass er meine Musik krank findet. Ich bekam eine Nachricht von Robin Schulz, plötzlich meldete sich Def Jam bei mir. Ich würde daher niemals auf Deutsch switchen.

Wenn jemand in Deutschland auf Englisch rappt, denken viele in Klischees. Muss man dagegen ankämpfen?
Ich sehe das so: Wenn ein Künstler aus den Staaten herkommt, gehen alle Leute zu den Konzerten. Aber bei einem Deutschen mit gleicher Qualität und ähnlichem Soundbild ist den Leuten das anscheinend zu anstrengend. Englisch ist aber meine zweite Muttersprache. Ich komme aus Ghana und ich habe mich dazu entschlossen, den internationalen Weg zu gehen. Ich möchte nicht, dass meine Musik nur in Deutschland gehört wird, sondern dass die ganze Welt versteht, was ich sage. Ich finde außerdem: In Deutschland gibt es ein paar krasse Künstler, die auch auf Englisch rappen.

Ist einer davon JuJu Rogers, der auch auf deinem Album vertreten ist?
Ja, genau! JuJu Rogers ist für mich übertrieben gut. Mega underrated.

Du bildest ein Team mit deinem Produzenten Rascal. Der hatte in letzter Zeit Produktionen für Mick Jenkins, Little Simz sowie einen Track auf »Coloring Book« von Chance The Rapper, das sogar einen Grammy bekommen hat.
Für mich ist das der beste Producer der Welt. Nicht weil das mein Produzent ist, sondern weil das, was der macht, momentan auf dem Markt fehlt. Ich habe auch einen anderen Produzenten, Shove Island. Für mich war er schon der Beste. Dann kam Rascal, hat mir nachts bei Facebook geschrieben. Ich wollte so was eigentlich nie. Aber irgendwann hab ich gesagt: »Ey, komm, schick mal was.« Er meinte dann, dass noch nie jemand was auf seinen Sachen gemacht hat und ob ich mal gucken will. Was krass war, waren seine Drums. Die waren krank! Seine Art von Beats, diese Vielfältigkeit, das hat dafür gesorgt, dass ich mich als Künstler nochmal auf eine ganz andere Ebene begeben konnte. Seitdem sind wir eine Squad.

Du bist seit 2010 am Start, hast ­mehrere EPs und Mixtapes rausgebracht. Im Oktober kommt jetzt dein erstes Album. Wieso hat das so lange gedauert?
Ich sitze seit sechs Jahren an dem Album, aber bin sehr froh, dass ich es erst jetzt rausbringe. Ich hatte es immer wieder verworfen oder eine EP aus den Songs gemacht. Aber jetzt ist es fertig, es fühlt sich nun richtig an.

»Wenn du dich selbst liebst, dann weißt du, wie du andere zu lieben hast.«

Worum geht’s auf dem Album?
Vor allem um Liebe. Nicht nur um die romantische Form von Liebe, sondern um das Verständnis von Liebe, ihren Reichtum und ihre Konsequenzen. Es ist auf mich selbst bezogen, auf Leute, zu denen ich aufgeschaut habe, auf das Leben an sich.

Es scheint auch viel um Glaube und ­Sünde zu gehen. Auf »Coochie Money« rappst du: »Fuck the talk I mean God knows your heart/So why would you ask to be saved from that shit that pleases?« Verhalten sich viele Menschen scheinheilig?
»Coochie Money« ist auf jemanden bezogen, zu dem ich sehr aufgeschaut habe: mein Cousin. Das, was er gemacht hat, das habe ich stets als richtig angesehen – auch wenn es extrem falsch war. Die Line ist ein Zitat, das er mal im Auto von sich gegeben hat. Mein Cousin ist sehr bekannt, hatte halt das Geld und die Frauen, hatte Macht. Das wollte ich auch. Als ich älter geworden bin, habe ich begriffen, dass das Quatsch ist.

Bei deinem Kollektiv Family Tree/555 steht die Zahl 555 für einen Bibelvers, der Bruderschaft, Loyalität und Familie suggeriert. Wie wichtig ist Glaube für dich?
Glaube ist für mich alles. »You Should’ve Known« ist kein Gospelalbum, aber es wird sehr real. Und wenn du glaubst, verstehst du das. Es geht um das Verständnis von Liebe. In der Bibel steht: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst«. Und ich glaube, wenn der Mensch wirklich verstehen würde, was Liebe bedeutet, würden viele Sachen nicht passieren. Das fängt bei dir selbst an: Wenn du dich selbst liebst, dann weißt du, wie du andere zu lieben hast. Aber dazu gehört extrem viel.

Ist es heutzutage schwieriger denn je, zu glauben oder zu lieben?
Auf jeden Fall! Genau deswegen entsteht so ein Album. Ich verstehe ja, wenn die Leuten sagen: »Wo ist Gott, wenn etwas Schlimmes passiert?« Ich verstehe aber auch, dass die Welt gerade nicht weiß, was Liebe bedeutet. Es fängt immer so an: »Wenn es einen Gott gibt, warum sterben Menschen?» Ich gebe dir ein kleines Beispiel, darüber kannst du nachdenken: Wenn ein reicher Mensch wie Bill Gates sein ganzes Geld auf der Welt verteilen würde, hätte jeder oder jeder zweite Mensch mindestens 50 Cent in der Tasche. Ich sage jetzt nicht: »Verteil dein Geld auf der ganzen Welt«, aber stell dir vor, mehrere Menschen würden diesen Mindset haben. Würden dann nicht auch weniger Menschen sterben? Das ist das, was ich meine. Ich bin nach Ghana geflogen, und da habe ich nochmal gemerkt, was Liebe überhaupt bedeutet. Ich habe nochmal gelernt, was es heißt, dankbar zu sein. Deswegen halt auch dieses 555. Meine Jungs nenne ich nie Freunde, das sind Brüder. Das ist uns extrem wichtig.

Bist du oft in Ghana?
Ich war letztes Jahr in Ghana und vor kurzem nochmal, hatte da auch ein bisschen mehr Zeit. Davor war ich zuletzt als kleines Kind dort. Jetzt bin ich viel rumgefahren und habe gesehen, wie die Menschen dort leben. Was ich krass fand: Es gibt dort keine Mittelschicht. Entweder bist du reich, oder du bist arm. Und jemand wie ich, der aus Deutschland kommt, ist automatisch reich.

Du kommst aus dem Ruhrpott, aus Bochum. Wie viel Ruhrpott steckt in dir?
Sagen wir so: Ich würde nicht hierherziehen, aber auch nicht mehr wegziehen. Ich represente das jetzt nicht übertrieben, aber das ist nun mal meine Heimat; der Ort, an dem ich großgeworden bin.

»2012 habe ich Kendrick Lamar mal meine EP in die Hand gegeben. Ich hoffe, er hat sie sich nicht angehört!«

In deinen Texten geht es unter anderem um rassistische Erfahrungen. Wie war das in den letzten Jahren: Ist das hierzulande schlimmer geworden?
Es ist auf jeden Fall sichtbarer geworden. Das fängt bereits damit an, dass Leute mich automatisch auf Englisch ­volllabern. Ich verstehe das ja auch irgendwo, insbe­sondere durch die ganze Flüchtlingsthematik – da hat man keinen wirklichen Überblick mehr. Aber ich finde das dann voll geil, wenn Leute merken, wie gut ich Deutsch spreche. Das ist für die wie ein Diss. Was aber immer schon so war: Ich setze mich in einen Zug, und Leute setzen sich von mir weg – und sind sauer!

Lass uns zum Schluss nochmal über etwas Positives sprechen: Alicia Keys zu treffen, wäre für viele sicher schon das Erlebnis. Du hast in letzter Zeit aber auch noch einige andere internationale Acts kennengelernt. Welches Treffen ist dir besonders in Erinnerung geblieben?
2012 habe ich Kendrick Lamar mal mein Tape in die Hand gegeben. Das war im Index in Schuettorf. Vorher war ich schon in Köln auf dem Konzert, dann bin ich extra ins Index gefahren und habe ihm meine EP gegeben. Ich hoffe aber, der hat sie sich nicht angehört! (lacht)

Text: Niklas Potthoff
Foto: Martin Eklund

Dieses Interview erschien erstmals in JUICE #188 (jetzt versandkostenfrei nachbestellen).

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