Schoolboy Q hat eine Achterbahnfahrt hinter sich. Nach drei Album-Anläufen, einer Depression, mehreren Todesfällen und einer Lean- und Pillensucht ist er dank »Crash Talk« mit sich im Reinen.
Das Gras ist bekanntlich auf der anderen Seite des Gartenzauns stets grüner. Kein Wunder also, dass im Hause Top Dawg Entertainment nach einer Dekade Herrschaft über das Rap-Game nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen ist. Auch Schoolboy Q, seit jeher Nummer zwei hinter best rapper alive Kendrick Lamar, hatte in den vergangenen Jahren sein Päckchen zu tragen. In einem endlosen Marathon aus Studiosessions stellte der Hoover Crip im Anschluss an die hochgelobte »Blank Face LP« Album nach Album fertig – nur um das Geschaffene anschließend wieder zu verwerfen. Ein gefährlicher Zyklus, der zu Lasten seiner psychischen und physischen Gesundheit ging: Q quoll auf, wog zwischenzeitlich 110 Kilo (bei einer Körpergröße von 1,71 Meter) und bekämpfte seinen Kummer mit Hustensaft und Tabletten.
Frieden findet der ehemalige Gangbanger an einem unerwarteten Ort: dem Golfplatz. Mittlerweile spielt der 32-Jährige fast täglich, zusätzlich stehen Kraft- und Boxtraining auf dem Plan. Ein Dreivierteljahr nach dem Tod seines guten Freundes Mac Miller scheint Q seinen Frieden gefunden zu haben. Sprechen möchte er trotzdem weder über Mac noch den Ende März auf offener Straße erschossenen Nipsey Hussle, als wir ihn eine Woche vor Redaktionsschluss in einem Loft in Berlin-Kreuzberg zum Interview treffen. Überhaupt scheint es, als würde uns sein Jetlag einen Strich durch die Rechnung machen. Q, der erst am frühen Morgen aus Atlanta eingeflogen ist, fallen zum Beginn des Termins immer wieder die Augen zu. Doch Schoolboy ist Vollprofi: Als er sich schließlich fängt, möchte er gar nicht mehr aufhören zu reden.
Gibt es etwas, das du mit »Crash Talk« erreichen oder dem Zuhörer beweisen wolltest?
Nein. Ich mache Musik nur noch für mich selbst. Ich glaube, ich habe meine Sache gut gemacht.
Auf »Attention« sprichst du über die Props, die du von Nas und Jay-Z bekommen hast, über deine Studiosessions mit Dre und über die Freundschaft mit deinem Lieblingsproducer Alchemist. Gibt es irgendwas, das du als Künstler noch erreichen willst?
Nah. Ich bin an einem Punkt, an dem es mir einfach egal ist. Entweder fühlst du es oder nicht. Ich bin extrem selbstbewusst, es gibt keine Unsicherheiten mehr. Vergleich meine ersten drei Alben mit den ersten drei Alben von anderen Rappern: Jedes einzelne steht für sich. Viele Leute suchen sich ihre Nische, machen es sich gemütlich und droppen wieder und wieder den gleichen Mist. »Oxymoron«, »Blank Face« und »Crash Talk« sind drei komplett unterschiedliche Alben.
Der Begriff »Crash« im Albumtitel bezieht sich aufs Scheitern. Ist es also das absolute Ziel, nicht mehr zu crashen?
Ich will über die Bedeutung des Albums eigentlich nicht sprechen. Das lenkt die Leute davon ab, die Musik zu genießen und für sich zu interpretieren. Ich wusste nie, um was es bei Alben ging, wenn ich sie mir angehört habe. Ich musste das selbst rausfinden. Du willst ja auch keinen Spoiler hören, bevor du ins Kino gehst, verstehst du?
Wie wichtig ist dir Kritik an deiner Musik? Liest du Reviews?
Nein, nicht mehr. Früher war das so. Aber die Scheiße ist fake. Bei »Oxymoron« sind jede Menge Leute auf mich zugekommen und haben mir Props gegeben. »Blank Face« wurde dann von der Presse total abgefeiert, aber auf der Straße hat mir das niemand ins Gesicht gesagt. (lacht)
Also deckt sich die Meinung der Kritiker nicht mit der der Fans?
Genau. »Crash Talk« wurde lang nicht so gut besprochen wie »Blank Face«, aber jeden Tag will jemand mit mir über das Album sprechen. Ich habe in dem einen Monat, in dem »Crash Talk« jetzt draußen ist, mehr Liebe erfahren als in den drei Jahren seit »Blank Face«. Reviews kommen von Leuten, die sich deine Musik mit halbem Ohr anhören und dann zum nächsten Künstler springen. Die supporten deinen Stuff nicht, die kaufen deine Musik nicht. Sie geben nur eine Meinung zu etwas ab, von dem sie nicht mal Fan sind.
»Ich verstehe nicht, wie man als Schwarzer dem christlichen Glauben folgen kann«
Kendrick hat sechs Songwriting-Credits und ist auf drei Songs zu hören. Kannst du seinen Einfluss im Studio beschreiben?
Er hört sich an, was man gemacht hat, und baut dann einen Beat, fügt Hintergrund-Vocals hinzu oder haut seine Adlibs überall drauf, um alles etwas voller zu machen. Auf manchen Songs ist er nicht mal gecreditet, obwohl er da seine Finger im Spiel hatte.
Der Sound der letzten Dekade war geprägt von TDE. Was können wir in den nächsten zehn Jahren erwarten?
Mehr TDE. Hoffentlich entwickeln wir uns weiter und nehmen neue Künstler unter unsere Fittiche. Ich hab das Gefühl, dass unsere Zeit sich langsam dem Ende zuneigt. Wir werden immer älter, die Aufmerksamkeit schwindet von Jahr zu Jahr. Wir sind natürlich immer noch an der Spitze, aber es wird Zeit, das Feld zu räumen für die nächste Generation. Wenn du ein bestimmtes Alter erreichst, hast du gewisse Dinge hinter dir. Ich merke das schon jetzt. Ich mach es im Endeffekt nur noch für die Musik. Selbst zu touren und Live-Shows zu spielen ist mir inzwischen relativ egal. Ich will natürlich mein Geld mit dem Shit verdienen, aber vor allem will ich rappen – mehr als alles andere. Ich verstehe auch, weswegen ältere Artists keine Interviews mehr geben wollen. Ich hab mein Leben in diese Musik gesteckt. Hör sie dir an.