Prinz Pi: »Der Pi von damals würde mich nicht verstehen« // Feature

-

Drittes Cover // JUICE #150 (2013)

Das nächste Cover hieß »Rap mit Weitsicht«.
Es ist eigentlich seltsam, dass dieses Cover den Titel »Rap mit Weitsicht« trug. Weitsicht bedeutet ja nach vorne gucken – dabei war mein damaliges Album Kompass ohne Norden ja ein sehr retrospektives Album über meine Abiturzeit.

Es war vor allem das Cover vor deinem ersten Nummer Eins-Album. Inzwischen hast du mit deiner Musik Geld verdient: Was war das für eine Zeit?
Nie in meiner Karriere habe ich so viel Zuspruch für meine Musik erfahren wie damals. Wir Musiker sind ja immer leidende und missverstandene Künstler, die der Meinung sind, sie bekämen nicht den Erfolg, den sie verdient hätten.
In meiner Abiturzeit, die ich auf Kompass ohne Norden beschreibe, war ich sehr verzweifelt. Das Album war entsprechend negativ, erzählte von verschwindenden Freunden und war voll mit Tattoo-Motiv-Lines und Kalendersprüchen. Viele meiner alten Fans haben das als Rückschritt angesehen und als Anbiederung an die breite Pop-Masse gewertet. Dabei hatte ich das Gefühl, meine Geschichten endlich so auf den Punkt gebracht zu haben, dass die Leute sie verstehen.

»Ich hatte nie Angst auf der Straße zu landen, aber ich war müde, von anderen herabgesetzt zu werden.«

»Wieso kam bei dir nie der ganz große Erfolg?«. Auf diese Frage hast du damals geantwortet: »Ich bin eher ein durchschnittlicher vernünftiger Typ aus der Mittelklasse. Ich bin kein Extrem«. Autoren wie Thomas Melle oder Benedikt Wells haben ganze Bücher über die Angst vor dem sozialen Abstieg aus der Mittelklasse geschrieben. Sophie Passmann hat dieses Jahr erst ein Buch über das Gleichsein von Mittelstands-Kids veröffentlicht. Hatte die Ziellosigkeit dieser Zeit etwas mit deiner Mittelstand-Biographie zu tun?
Das war für mich immer ein großes Thema. Als ich Kind war, haben meine Eltern wegen der Berlin-Zulage etwas mehr Geld verdient. Mangel gab es bei uns zuhause nicht. Aber das Vergleichen mit denen, die mehr hatten als ich, war immer da. Aldi-Essen statt Capri-Sonne, Wit-Boy Jeans statt Levis, no-name Turnschuhe statt Jordans, zwei Wochen Dänemark im Jahr statt Skiurlaub. Ich hatte nie Angst auf der Straße zu landen, aber es hat mich müde gemacht, von anderen herabgesetzt zu werden. Alles was ich hatte oder heute habe, dafür habe ich selbst gearbeitet. Neben meinem Studium habe ich geackert wie ein Blöder, hatte immer mindestens zwei bis drei Nebenjobs, habe für Gott und die Welt Alben-Cover designt und Videos geschnitten. Selbst als ich mit Kompass ohne Norden auf der eins der Charts gelandet bin, habe ich nebenher noch für Haftbefehl Videos gegradet. Mein Arbeitstag dauert bis heute an die 16 Stunden Montag bis Sonntag. Nur alle fünf Jahre fahre ich mal in den Urlaub.

Ziellosigkeit ist auch ein Stichwort bei vielen jungen Menschen nach einem Jahr Corona. Du sagtest damals: »Die Suche nach dem richtigen Platz in der Gesellschaft und im Leben. Bei mir begann diese mit 13, aber hält immer noch an. Und das wird bei mir auch noch in 30 Jahren anhalten. Eigentlich müsste ich längst an dem Punkt sein, an dem ich genau weiß, was ich will, aber ich stelle mir immer noch die Frage nach dem Wohin«. Knapp 10 Jahre später, weißt du inzwischen wohin?
Nein, nicht in allen Bereichen. Ich glaube, dass Mittelstands-Kids, die immer funktionieren müssen und sich immer irgendwie durchwurschteln müssen, irgendwann einmal richtig eskalieren. Entweder mit Drogen, mit Beziehungen oder in Form einer völligen beruflichen Ziellosigkeit. Bei mir waren es die Beziehungen und die berufliche Ziellosigkeit. Ich bin heute Vater von drei Kindern und habe früh in meinem Leben lange und intensive Beziehungen durchlebt. Privat weiß ich heute wohin. Denn ich habe eine Familie, um die sich alles dreht, was ich tue. Aber beruflich komme ich noch heute mit Wollpullover und Architekten-Brille in Arztpraxen und schreibe auf den Aufnahmebogen hinter Beruf: »Musiker«. »Was genau spielen sie denn, Klarinette etwa?« kommt dann von der Ärztin zurück. Wenn ich dann »Nein, Rap-Musik« sage, heißt es nur noch »Ach, was!«. Bis heute habe ich keine Peer-Group für mich als Künstler. Irgendwo reinpassen oder ankommen fühlt sich glaube ich anders an.

Viertes Cover // JUICE #161 (2014)

Ein Splitt-Cover mit deinen beiden Signings Errdeka und Olson. Was macht dieses Cover mit dir?
Wir hatten uns damals vom Label aus gewünscht, dass Errdeka das Cover kriegt. Die JUICE Redaktion wollte das damals wahrscheinlich nicht, weil er noch nicht lange genug dabei war. Dann entstand die Idee für ein gemeinsames Cover. Sowohl Errdeka wie auch Olson waren damals gehyped. Zudem glaube ich immer noch, dass Errdekas Album »Paradies« sowohl von den Beats, wie auch von den Texten, eines der krassesten Alben im Deutschrap ist. Olsen ist heute ein sehr erfolgreicher Songwriter.

Gibt es noch Kontakt zwischen euch?
Ich mag beide nach wie vor sehr gern und halte sie für große Talente.

»Erfolg ist wie Gift für viele Freundschaften«

KIZ, Casper, Maeckes & Plan B, Kollegah, Errdeka, Olson – alles Künstler, die du auf deinen Touren oder deinen Labels hattest, bevor sie erfolgreich wurden. Dazu kommen etliche Rapper aus deinem Berliner Umfeld mit denen du durch Royal Bunker, NoPeanuts oder andere Geschäftsbeziehungen Kontakt hattest. Ich weiß, dass du nicht gerne über die sogenannte »Szene« sprichst. Aber nach über 20 Jahren Rap-Karriere könnte man meinen, du seist gut vernetzt…
Es gibt viele Nutz-Beziehungen im Deutschrap. Nicht alle, die öffentlich vorgeben Freunde zu sein, sind es auch. Zudem ist Musik und der daraus erwachsende Erfolg wie Gift für viele wirkliche Freundschaften, die mit der Zeit kaputtgehen. Ich habe meine wirklichen Freundschaften in der Szene immer versucht zu bewahren, indem ich diese eben nicht in gemeinsamen Kollabo-Alben ausgelebt habe oder mich mit ihnen auf Fotos als Bruder inszenierte.

Ich habe dich lange Zeit als einen absoluten Szene-Liebling wahrgenommen. Nach einer Talkrunde auf HipHop.de gab es dann plötzlich Kritik. War das für dich eine neue Erfahrung oder warst du Kritik aus der Szene gewohnt?
Kritik aus der Szene gab es immer, aber hier ging es um etwas anderes. Wenn man wissen will, worum es da ging, dann muss man sich die ganze Diskussion mal in Ruhe anschauen.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein