Marsimoto – Ring der Nebelungen

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marsi-cover

(Four Music/Sony)

Wertung: Fünfeinhalb Kronen

»No idea’s original, there’s nothing new under the sun/It’s never what you do but how it’s done«, rappte Nas einst. Die Weisheit aus den legendären »Lost Tapes« des großen Straßenpoeten aus Queensbridge passte selten so gut wie auf die Quasimoto-Hommage des Marten Laciny. Seit 2006 steckt der Rostocker mit seiner smaragdgrünen Kunstfigur aus den Weiten des Weltalls die Grenzen des im Deutschrap Möglichen kontinuierlich neu ab. Ganz am Anfang, anlässlich »Halloziehnation«, meldete sich laut Legende der große Madlib höchstselbst, um grünes Licht für Marsimoto zu geben. Schöpfer Marteria füllt inzwischen Stadien und hätte jedes Recht, nach den Gold- und Platinverkäufen seiner beiden »ZGIDZ«-Alben die auf der Mainstream-Wiese grasende Pop-Kuh bis zum Umfallen zu melken.

Stattdessen gilt 2015 weiterhin die vor drei Jahren auf »Grüner Samt« definierte Grundsatzfrage zur Realness. Die erneute Suche nach selbiger mündete Anfang des Jahres in einer Green-Berlin-Klassenfahrt nach Jamaika, deren Ergebnis das vierte Marsimoto-Album ist. Dass sich die Reiseteilnehmer (Kid Simius, Nobodys Face, BenDMA, Dead Rabbit, K-Paul und The Krauts) bei der musikalischen Umsetzung ihrer Nebelungen-Saga vom Vibe der Karibikinsel inspirieren ließen, ist so logisch, wie es nicht von der Hand zu weisen ist. Denn Jamaikas breitgefächerte musikalische DNA liefert irgendwo zwischen Roots Reggae, Dub und Dancehall den perfekten Nährboden für den stimmigsten und zugleich vielschichtigsten Marsi-Sound aller Zeiten. Die zahlreichen Klangreferenzen kocht man zu einem clever gewürzten Sound-Eintopf. Und die aus unterschiedlichsten Musikrichtungen stammenden Chefs gehen dabei mit beängstigender Routine und Spliff im Mundwinkel zu Werke, ohne einander in die Quere zu kommen. Garniert werden die Tracks nicht selten mit brachial abschließenden Beat-Switches oder überleitenden Klangabfahrten.

Die energisch vorgetragenen, von lauten Adlibs geprägten Marsi-Verse bilden einmal mehr Marterias Ventil, um mit der basslastig-abgeklärten Erzählweise seines tiefen Timbres zu brechen. Auf »Ring der Nebelungen« befriedigt er dieses Bedürfnis vor allem auf Tracks wie »Illegalize It« oder »Zecken raus«, wenn der grüne Giftzwerg aufgekratzt gegen die gesellschaftlich Geächteten wettert, denen er selbst angehört. Gleichzeitig ist Marsimoto saftig grüne Spielwiese und Schlammpfütze in einem, die dem Ausnahmetexter Marten Laciny alle Freiheiten gewähren, die das Popkorsett des Marteria gelegentlich vermissen lässt. Bedeutet konkret: 44 Minuten Querverweisfeuerwerk voller Doppeldeutigkeiten. Zusätzlich zollt der außerirdische Deutschrapnerd mit abgewandelten Zitaten Wegbereitern à la Advanced Chemistry und Freundeskreis genauso Tribut wie Haftbefehl und weiteren aktuellen Schaffensgefährten. So entpuppt sich »RdN« als Deutschraps Kreisquadratur anno Zwofuffzehn, die Perfektion einer ausgeborgten Idee.

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