Der wahre Kern, Bro // Kommentar zu Marvin Game & Leon Lovelock

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»Das ist der wahre Kern, warum Leute dich kritisieren, Bro. Ganz einfach: Neid und Verbittertheit«, sagt Marvin Game im Interview mit Leon Lovelock, das am Sonntag auf dem Kanal des Fitness-YouTubers erschien (ab Minute 15:30). Er bezieht sich dabei auf unser kürzlich erschienenes Feature »Das Dritte Auge – Deutsche Rapper & Verschwörungstheorien«, das sich kritisch mit Lovelock, seinem YouTube-Format »Komm ins Cafe, wir müssen reden« und den darin besprochenen Themen beschäftigt.

Laut Marvin Game komme diese Kritik von »verbitterten Journalisten«, die es als gescheiterte Rapper nie zu einer größeren Plattform gebracht hätten und nun alles Erfolgreiche diskreditieren würden.

Klar ist, dass während der mehr als 100 Minuten Gesprächszeit auch gute Punkte angebracht werden. Wie Marvin Game nach einer knappen Dreiviertelstunde über den Unterschied zwischen Rassismus und Diskriminierung spricht, ist reflektiert und einleuchtend. Auch die wiederholten Hinweise darauf, sich nicht nur auf der Basis von einseitigen YouTube-Videos zu informieren, mehrere Quellen heranzuziehen und Sachverhalte zu hinterfragen, ist löblich.

Denn genau das tun auch wir. Wir hinterfragen, weil Kritik an der Szene wichtig und notwendig ist. Unsere Kritik hat nichts damit zu tun, dass wir verbittert sind, wenn andere Formate mehr Klicks generieren und mehr Zuschauer haben als wir. Diese Formate sprechen andere Zielgruppen an – wie auch der Kanal von Leon Lovelock – und haben selbstverständlich ihre Daseinsberechtigung.

Grundsätzlich ist Leon Lovelocks Idee, HipHop als Tool zu nutzen, um sich selbst Gehör zu verschaffen, richtig.

Genauso wenig stört es uns, wenn es jemand »aus der Szene« schafft (Marvin Game bei Minute 16:07), sich auch abseits des Rap-Kosmos etwas aufzubauen. Das befürworten wir ausdrücklich. Aber wir haken bei den Sachverhalten nach, die für uns hinterfragt gehören. Wir tun das mit der »starken Meinung« aus einer »richtigen Position« heraus, die wir uns erarbeitet haben und die uns Marvin Game hier abspricht (15:57) – weil unsere Meinung zu seiner nicht passt?

Grundsätzlich ist Leon Lovelocks Idee, HipHop als Tool zu nutzen, um sich selbst »ein Gehör« (sic!) zu verschaffen, richtig. Aber wenn er mit seinem Interview-Format daran interessiert ist, Meinungs- und Informationsvielfalt abzubilden, warum lädt er keine Wissenschaftler oder Experten ein? Vielleicht sogar Leute, die ausnahmsweise mal nicht seiner Meinung sind? Das würde seinen selbst auferlegten Anspruch als »Plattform« sowie der Möglichkeit, sich eigenständig zu informieren, deutlich mehr erfüllen.

Zudem wird Meinungsfreiheit in diesem Gespräch oft als wertungsfreier Raum missverstanden, der keiner Kritik ausgesetzt werden muss. Zu keinem Zeitpunkt wurde Lovelock von Medienseite vorgeworfen, er dürfe sein Format nicht betreiben. Seine Inhalte wurden kritisiert – nicht mehr, nicht weniger. Das ist Meinungsfreiheit. Und die beinhaltet eben auch, dass man wiederum selbst Kritik aushalten muss, ohne tagelang Stinkefinger-Emojis auf Instagram in unsere Richtung zu posten.

Leon Lovelock entspricht nicht dem Stereotyp des wirren Verschwörungstheoretikers, der sich stundenlang amateurhaft zusammengeschusterte Truther-Dokus reinzieht. Genau das ist das Problem.

Im weiteren Gesprächsverlauf kommen die beiden auch auf das Schul- und Informationssystem der heutigen Gesellschaft zu sprechen. Hintergrund ist hier, dass unser Autor Skinny im besagten Artikel über Verschwörungstheorien behauptet hatte, jedes Grundschulkind wisse, wer die Pyramiden gebaut habe. Marvin Game fordert: »Bringt den Leuten bei, wie sie sich selbst etwas beibringen können«. Denn aus den Schulbüchern würden Kinder auch »die Lügen über den zweiten Weltkrieg« lernen. In diesem Zusammenhang wäre es interessant zu wissen, was Marvin damit genau meint. Denn ohne Quellen oder Hinweise, was das für »Lügen« sind und wo Marvin sie aufgedeckt haben will, bleibt seine Aussage vollkommen haltlos und wirr. Leon Lovelock kommentiert sie dagegen mit einem doppelten »Danke«.

Wie er selbst nicht müde wird zu betonen, entspricht Leon Lovelock nicht dem Stereotyp des wirren Verschwörungstheoretikers, der sich stundenlang amateurhaft zusammengeschusterte Truther-Dokus reinzieht. Aber genau das ist das Problem. Denn Leon Lovelock ist ein angesagter Lifestyle-YouTuber mit über 370.000 Abonnenten, die teilweise noch nicht volljährig sind. In seiner Position teilweise wissenschaftlich widerlegte Aussagen im Raum stehen zu lassen und zum Misstrauen gegenüber professionell arbeitenden Redaktionen renommierter Medienhäuser aufzurufen, ist mindestens fahrlässig. Auch der Vorwurf, dass die Kritik an Lovelock nicht »aus der Szene« heraus, sondern »von oben herab« käme, ist falsch. Wir nehmen ihm nichts weg und wollen das auch gar nicht. Wir hinterfragen ihn nur – so wie er es auch mit uns tut. Ist das dann kein HipHop mehr?

Peace,
Eure JUICE Crew

11 Kommentare

  1. Bin eigentlich eurer Meinung, nur stößt mir der folgende Satz sauer auf: ‚…zum Misstrauen gegenüber professionell arbeitenden Redaktionen renommierter Medienhäuser aufzurufen, ist mindestens fahrlässig.‘
    Denn sollte ein mündiger Bürger nicht immer Medien(und auch sich selbst) kritisch hinterfragen?

  2. Wieder mal so ein arroganter, von oben herab blickender Kommentar von irgendeinem Juice Redakteur, der sich einbildet die Weisheit gefressen zu haben und meint seine vermeintliche Deutungshoheit beanspruchen zu müssen, um die „niederen Schichten“ zurechtzuweisen. Sich wie ein selbstherrlicher zugezogener Gentrifizierer-Snob zu verhalten und zu meinen, man sei etwas Besseres, weil man den politisch korrekten neoliberalen Duktus eloquent beherrscht und einen akademischen Hintergrund hat – das hat mit gutem Rap-Journalismus nichts zu tun!

  3. Juice eure Zeit ist echt vorbei. Ihr denkt ihr wärt was besseres, doch seit ihr nur letzteres. R.I.P. , diese JUICE Crew

  4. Tut mir leid: Menschen, welche an Verschwörungstheorien glauben, sind entweder dumm oder geben wissentlich Unsinn von sich. Wenn man sich mit Prä-Astronautikern unterhält, kann das durchaus spannend sein – auch wenn am Ende von denen nur Indizien als Untermauerrung für eine verrückte Idee gebracht werden. Dieser ModeFitnessTuber würde aber wohl wegen Substanzlosigkeit sogar von denen ausgelacht werden.

  5. Danke für eure Posts; für mich als Naturwissenschaftsstudent und Rapfan (unter anderem auch von Marvin Games Crue) sind die Videos von Leon Lovelock zwar super unterhaltsam, aber ich sehe auf jeden Fall die Massen-verblödungsgefahr dahinter.

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