Kraftklub vs. The Beats [Feature]

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Kraftklub
 
Als Kraftklub im Zuge ihres aufhörenerregenden Debütalbums »Mit K« vor drei ­Jahren lautstark verkündeten, nicht nach Berlin zu wollen, setzen die fünf Jungs damit plötzlich das als leicht verschnarcht geltende Chemnitz auf die Landkarte für innovative neue Rockmucke. Seither sind die Jungs nicht nur erfolgreich auf den Bühnen des In- und Auslandes (zum Beispiel im kolumbianischen Bogotá) ­unterwegs gewesen, sondern haben gleichzeitig auch fleißig an ihrer zweiten ­Platte ­gearbeitet, die soeben erschienen ist und ganz »In schwarz« daherkommt. Wir haben die Jungs vorab getroffen – ja, in Berlin – und uns mit ihnen durch ein paar Songs diverser Musikerkollegen geskippt.
 

 
AC/DC
Back In Black (1980)
Felix: AC/DC – »Back In Black«! Na, das passt ja perfekt zu unserem Albumtitel. ­Lustigerweise ist genau das einer der ersten Songs, die wir immer zusammen im Proberaum gespielt haben. Jeden Tag einmal. Damals, als es uns beim Musikmachen noch um Spaß ging, ­während wir heutzutage ja nur noch ernste Töne anschlagen. (grinst) In unserem Proberaum hing damals sogar ein Plakat, das der Steffen wunderschön designt hat, auf dem wir zum Tanz in den Proberaum geladen haben – dort haben wir dann diesen Song gespielt, über den mein Kumpel Linus und ich gerappt haben.
 
Warum ausgerechnet dieser Song?
Karl: Der bietet sich voll gut zum Rappen an, so vom Tempo her. Es gibt doch bestimmt ganz viele Rapper, die darauf gerappt haben.
Felix: Ich glaube auch, dass das relativ verbreitet ist. Im Stück »Zu jung« von ­unserem letzten Album haben wir ja an einigen ­Stellen Klassiker der Rock’n’Roll-Geschichte ­verarbeitet und deren Titel ins Deutsche übersetzt. Den Satz »Wir sind zurück in schwarz« kommt bereits in »Zu jung« vor – das ist also ein ganz cleverer Link, den wir damals schon gesetzt haben.
Karl: Als ob wir das damals schon gewusst hätten! (lacht)
Till: Wir wissen ja auch jetzt schon, wie unser drittes Album heißen wird. (grinst)
Felix: Genau – man kann sich auf der neuen Platte bereits auf die Suche nach einem entsprechenden Hinweis machen. (lacht)
 
Warum heißt die Platte denn so? Wenn man sich das Album anhört, erschließt sich der Grund dafür nicht so recht.
Felix: Schwarz ist luxuriös und elegant – genau wie wir!
Karl: Und unsere Bühnen-Outfits sind jetzt schwarz, daher lag das auf der Hand. Wir sind jetzt also nicht mehr in weiß, sondern in schwarz.
Felix: Kraftklub: Nicht mehr »Mit K«, sondern »In schwarz«. (grinst)
Karl: Aber ja trotzdem noch »Mit K«!
 
Diskutiert ihr lange über einen solchen Titel?
Karl: Nein, gar nicht. Wir hatten aber auch einen schönen Arbeitstitel für die Platte.
Felix: Stimmt! Wir hatten vor zwei Jahren mal ein Interview, in dem wir gefragt wurden, wie unser zweites Album heißen wird. Und wie aus der Pistole geschossen haben wir gesagt: »Tiger«! Auf unseren Rechnern ist daher alles noch unter dem Namen »Tiger« abgespeichert.
Till: Aber du hast die Platte ja gehört: Hättest du einen Vorschlag?
 
Ich konnte auch kein ­übergreifendes Thema ­ausmachen. Obwohl ich ­finde, dass es in ­einigen Songs um ­Veränderung geht – ­zugegebenermaßen kein besonders guter Albumtitel.
Felix: Wir könnten die Platte vielleicht »Wind Of Change« nennen! (grinst)
Karl: Der Song kommt in »Zu jung« übrigens auch vor.
 

 
Linus, der Profi & Bernd Bass
Supermarkt (2007)
Felix: Echt schade, dass aus denen nie was geworden ist. Linus & Bernd Bass – zwei Koryphäen des Deutschraps [Bernd Bass ist das Rap-Alter-Ego von Felix; Anm. d. Verf.]. Auf jeden Fall ist das schon so lange her, dass es mir nicht mehr peinlich ist.
Karl: Das Video dazu ist super: im Supermarkt mit Polizei und Einkaufswagen.
 
Polizei?
Felix: Ja, die kam rum und dachte wohl, wir würden randalieren. Wir waren aber bloß zwanzig Leute, die vorm Supermarkt einen Grill aufgebaut hatten. Und plötzlich kamen da irgendwelche Cops in Kampfmontur an.
Karl: »Lassen Sie sofort ihr Würstchen fallen!« (lacht)
 
Felix, du hast als Bernd Bass ja auch schon Releases vorzuweisen.
Felix: Auf jeden, die CD »Mit Handtuch und Kapuze« zum Beispiel, die ich mit Linus gemacht habe – übrigens auch ein ­großartiger Albumtitel. Auf dem Cover dazu sind wir nackig drauf, nur mit Handtuch und Kapuzenpullover bekleidet. Als es damals noch den Splash Trashwalk mit Falk und Staiger gab, hat Linus ihnen die CD in die Hand gedrückt, und die beiden haben sich daraufhin ordentlich lustig gemacht über die beiden Nackedeis auf dem Cover. (lacht)
 
Wenn die damals schon gewusst hätten …
Till: … dass aus Linus noch mal was wird.
Felix: Der wird übrigens Sportlehrer. Der hat aus seinem Leben also etwas gemacht.
 

 
Westberlin Maskulin
Battlekings (2000)
Felix: (als der Rap einsetzt) Taktlo$$! Westberlin Maskulin! Ich bin aber ein bisschen zu jung dafür – deshalb hält sich meine Zuneigung zu Savas auch in Grenzen. Ich habe ihn eben nicht als Rap-Gott kennengelernt, sondern zuerst seine späteren Sachen mitbekommen, die mir nicht so gefallen haben. Ich bin eher mit Sido und »Maske« sozialisiert worden. Und den ersten Sekte-Sachen.
 
Ihr anderen habt eh nie viel Rap gehört, oder?
Felix: Steffen war großer Chorus86- und DJ-Reckless-Fan. Die kamen leider ein bisschen zu früh. Erst die Atzen haben mit diesem Sound später genau den Zeitgeist getroffen.
 

 
Tefla & Jaleel
Rhythmus Mafiosis (1999)
Das Intro ist ein bisschen lang, sorry. (allgemeines Gelächter)
Felix: Ach, Tefla & Jaleel. Das waren früher die einzigen Rap-Stars, die wir in Chemnitz hatten. Als wir damals noch etwas ­lokalpatriotischer waren, war das wichtig, dass wir aus einer HipHop-Stadt kamen; einer Stadt, die das splash! hatte und Phlatline und eben Tefla & Jaleel. Ich war allerdings damals noch ein bisschen zu jung, um das richtig mitzuerleben – als deren erstes Album »Interview« rauskam, war ich 13.
Steffen: Gab es nicht auch noch den schönen Ralf?
Felix: Ja, aber erst viel später. Der hat so deutschsprachigen Crunk gemacht, aber der war nicht bekannt. Tefla & Jaleel sind auch super Leute. Tino [Jaleel; Anm. d. Verf.] hat ja einen erfolgreichen Merch-Store an den Start gebracht und Sören [Tefla; Anm. d. Verf.] ist weiterhin in der Szene mit seinem Sneaker-Laden präsent. Ich glaube, die legen sogar immer noch auf und machen ihr Ding. Die wirken jedenfalls nicht wie verbitterte HipHop-Opas, die einem ständig vorhalten, dass sie mal berühmt waren.
 

 
Rödelheim Hartreim Projekt
Wenn es nicht hart ist (1994)
Wahrscheinlich seid ihr dafür auch viel zu jung.
Felix: (als der Rap einsetzt) Oh Gott, Hilfe! So etwas habe ich nie gehört! Moses Pelham?
 
Ja, aber mir geht es vor allem um eines der Features (Stelle setzt ein).
Felix: Ist das ZM Jay?
 
Nein, der Typ nannte sich Timo S – das war das erste Mal, dass ich jemanden auf sächsisch habe rappen hören.
Felix: Das macht Ronny Trettmann aber besser. Das hier hätte ich damals schon nicht cool gefunden.
Karl: Von mir gibt’s auch keine Props. Null Kronen.
 

 
AG Geige
Fischleim (1986)
Felix: Sind das die frühen Deichkind?
Till: Nein, die frühen Rammstein.
Felix: Okay, AG Geige, nehme ich an. Ein Künstlerkonglomerat von Tills und meinen Eltern, die sich aber selbst nie als Band bezeichnet haben, sondern als Künstler, die ­zufällig auch Musik gemacht haben. Der Frank Brettschneider, der da auch ­mitgemischt hat, ist heute übrigens ein weltweit anerkannter Elektro-Musiker geworden – sehr avantgardistisch.
Till: Das ist ganz krudes, irres Zeug.
Felix: Aber auch die anderen machen alle ihr Ding und haben sämtliche Überredungs-versuche für ein Comeback stets abgelehnt.
 
Die haben sich bereits 1993 aufgelöst.
Felix: Ja. Und seitdem haben sie nichts ­gemacht, außer Popstars großzuziehen. (grinst)
 
Haben die euch beeinflusst?
Felix: Die Musik unserer Eltern nicht, aber deren Herangehensweise bestimmt. Es gab von deren Seite nie einen Erwartungsdruck, dass wir Jura studieren oder Ärzte werden müssen. Uns wurde stets zugestanden, es mit der Musik zu probieren. Das liegt aber vielleicht auch an diesem Ost-Ding: dass die in einem System großgeworden sind, das in sich zusammengebrochen ist, und keiner wusste, was werden wird. Vielleicht hat ihnen das im Nachhinein ein bisschen Gelassenheit verliehen.
 
Dann habt ihr mit euren Eltern nie ­darüber diskutieren müssen, ob es okay ist, Profimusiker zu werden?
Till: Meinem Vater war es wichtig, dass ich die Realschule fertig mache, aber danach konnte ich machen, was ich will.
Karl: Wir hatten aber auch nicht den Plan, Popstar zu werden. Wir haben Musik ja erst mal nur neben der Schule oder der ­Ausbildung gemacht. Irgendwann waren es aber zu viele Auftritte, sodass ich zum ­Beispiel meine Ausbildung zum Gestaltungs-­technischen Assistenten irgendwann ­abgebrochen habe.
Till: Und ich meine Kellnerlehre – einen Monat vor der Prüfung.
Felix: Du wurdest doch abgebrochen.
Till: Ja, stimmt. Ich hatte bereits zu viele Fehltage wegen irgendwelcher Touren, und deshalb ging das nicht mehr.
 
Was wäre gewesen, wenn die erste Platte niemanden interessiert hätte? Hättet ihr es trotzdem weiter mit der Musik versucht?
Felix: Wir wären trotzdem weiter unterwegs gewesen.
Till: Es wäre ja auch nichts passiert. Wir ­waren ja noch nicht erfolgreich, insofern ­wären wir auch nicht in ein großes Loch ­gefallen. Wir haben ja auch schon vor der ersten Platte in anderen Projekten Musik ­gemacht. Das hat uns einfach Spaß gemacht.
Aber hätten die Konzerte allein zum Leben gereicht?
Felix: In unserem Umfeld sind alle Leute Überlebenskünstler, die mit irgendwas Geld verdienen, um ihr Hobby Musik finanzieren zu können. Wir haben ja auch nicht alles auf eine Karte gesetzt und gesagt, wir hören jetzt mit unseren Jobs auf. Es war bloß nicht mehr miteinander zu vereinbaren.
 

 
Ramones
Blitzkrieg Bop (1976)
Felix: Ein Punk-Klassiker. Den Song haben wir auf Tour immer mit unserer jeweiligen ­Vorgruppe zusammen gespielt – mit ­deren Schlagzeuger und Sänger. Wir haben den schon mit Cannibal Koffer und ­Vierkanttretlager, aber auch schon mit Casper performt.
Karl: Vierkanttretlager haben sogar noch einen deutschen Text dazu geschrieben: »Wir trinken Dosenbier/steh’n nicht auf vor vier!«
Max: Der Song ist halt übelst einfach, den kann jeder spielen. Und: Die »Hey Ho«-Textzeile haben wir natürlich auch schon in »Zu jung« verwurstet.
 
Vor kurzem ist mit Tommy Ramone das letzte Gründungsmitglied der Band verstorben. Macht euch so eine Meldung traurig?
Karl: Ich habe das gar nicht mitbekommen.
Felix: Na ja, es ist natürlich immer traurig, wenn jemand stirbt. Aber ich kannte die ja nicht persönlich. Das geht mir nie sonderlich nahe, wenn irgendwelche Celebrities sterben.
Till: Dee Dee Ramone hatte doch auch mal ein Rap-Projekt unter dem Namen Dee Dee King am Laufen.
Max: Von dem hatten wir lange ein Poster bei uns im Proberaum hängen – von dessen erster Show.
 
Waren die Ramones ein wichtiger ­Einfluss für euch?
Max: Nicht direkt, obwohl ich beim Skaten früher auch Ramones gehört habe. Aber indirekt natürlich, weil die Ramones ganz viele Bands beeinflusst haben, die wir gut finden.
Felix: The Hives werden relativ viel Ramones gehört haben, und wir haben relativ viel The Hives gehört, sodass wir indirekt eben auch ganz viel Ramones gehört haben.
 

 
Beatsteaks
DNA (2014)
Felix: Die Beatsteaks habe ich gerade gestern mal wieder getroffen, das sind ganz feine Kerle. Nach wie vor sind wir denen zu großem Dank verpflichtet, weil die uns 2011 mit auf Tour genommen haben – das hat uns wahnsinnig viel gebracht. Den Sommer danach haben wir auf Festivals gespielt, wo plötzlich nur noch Leute in Beatsteaks-Shirts bei uns vor der Bühne standen.
Felix: Die Beatsteaks sind jedenfalls eine Band, von der wir uns viel abgeguckt haben.
 
Schaut ihr euch immer noch viel von ­anderen Leuten für eure Live-Shows ab?
Felix: Klar, aber nicht mehr so viel wie am Anfang. Wenn wir früher irgendwo gespielt haben, haben wir stets mit Augen groß wie Tellertassen vor der Bühne gestanden und deren Show förmlich aufgesogen. Von Bands wie den Beatsteaks und Fettes Brot haben wir uns aber auch abgeschaut, wie man anständig mit seinen Vorgruppen umgeht: dass die gut behandelt werden, einen ordentlichen Soundcheck machen können und eine Gage bekommen – denn das ist nicht selbstverständlich. Es gibt genug Schweineflitzpiepen, die ihre Vorgruppen auch noch abzocken.
 

 
Karate Andi
Morgen hör ich auf (2013)
Felix: Karate Andi, oder?
Karl: (beeindruckt) Man, du kennst dich ja richtig aus.
Felix: Klar! I’m deep into HipHop! (grinst) Karate Andi ist ein richtig guter Rapper, der mit diesem Aso-mäßigen einen sehr guten Flavor mitbringt. Das macht Spaß. Ich habe »Pilsator Platin« zwar nicht gehört, aber was ich auf Youtube von ihm gesehen habe, das gefällt mir sehr gut. Den finde ich sehr viel besser als viele andere Rap-Newcomer in den letzten Jahren.
 

 
grim104
2. Mai (2013)
Felix: Ach, Zugezogen Maskulin beziehungsweise grim104 mit »2. Mai«. Karate Andi ist zwar besser als viele andere Newcomer, aber Zugezogen Maskulin sind die besten. Erst letztens haben wir uns die in Chemnitz live angesehen – mit zwanzig anderen Leuten.
Karl: Die haben aber trotzdem eine gute Show gemacht.
Felix: Es gibt bei uns in der Stadt ja eine alte Tradition: Immer, wenn Gäste in der Stadt sind, müssen die sich erst mal bewähren und mit Till saufen gehen.
Till: Wodkataufe. (grinst)
Felix: Die waren nach dem Konzert noch auf so einer Studentenparty.
Steffen: Mich haben die aber verwechselt, die haben mich für den Veranstalter gehalten und mir die ganze Zeit Fragen gestellt wegen des Konzerts am nächsten Tag.
Karl: Dieser Veranstalter sieht Steffen aber auch wirklich ähnlich. (lacht)
Felix: Aber diese grim-EP war wirklich etwas, was mich seit langer Zeit mal wieder richtig beeindruckt hat. ◘
 
Foto: Christoph Voy
 
Dieses Interview ist erschienen in JUICE #162 (hier versandkostenfrei nachbestellen).
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