Karate Andi: »Hauptsache es gab genug Gras und der Computer ist nicht abgestürzt« // Interview

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Die JUICE-Redaktion hat Karate Andi bereits umgehauen. Mit seinem slick vorgetragenen Eckkneipen-Rap über ostdeutsche Trinkkultur, Polytoxikomanie und das Lebensgefühl der ­»Generation Andi« hat er uns keine andere Wahl gelassen, als sein Debütalbum »Pilsatör Platin« stante pede mit fünf Kronen zu adeln. Seine intelligent zusammengesponnenen Kneipen­legenden, die er auf einem verdreckten Beat-Teppich von 7Inch zum Besten gibt, ­erinnern bisweilen an eine kreative Kreuzung aus K.I.Z., Deichkind und Haftbefehl, sind letztlich aber dann doch viel zu eigen, als dass man dem »Boss vom Hinterhof« lediglich abgekartetes Bitertum vorwerfen könnte. Wir sagen »Prost!«, lassen den Dom-Perignon-Korken knallen und schrauben den Plastikdeckel vom Tetra-Pak-Wein: So einen findet man schließlich nicht alle Jahre.

Du wohnst seit vier Jahren in Berlin, bist in Göttingen und Kassel aufgewachsen. Wie hast du dort mit dem Musikmachen angefangen?
Letztlich nur aus Langeweile. Wir hatten nichts anderes. Das einzige, was uns Spaß gemacht hat, war die Musik. Manchmal haben wir tagelang nur Tracks gemacht, zwischendurch ein paar trockene Spaghetti ohne Ketchup gegessen, damit wir irgendwas im Magen hatten, und haben dann gleich wieder weitergemacht. Hauptsache es gab genug Gras und der Computer ist nicht abgestürzt, bevor wir abgespeichert hatten. Wir haben all unser Zeug nämlich nur auf einem ranzigen Laptop aufgenommen – über das dort integrierte Mikro.

War das ein loser Verbund von Leuten oder wart ihr eine richtige Gruppe?
Wir waren eine Crew namens Human Traffic. Die gibt es auch noch, besteht mittlerweile aber nur noch aus John Borno und mir. Wir haben echt über alle Arten von Beats gerappt. Als wir alles durch hatten, haben wir über Marvin-Gaye-Instrumentals und über die Mucke von Udo Lindenbergs Panikorchester gerappt – alles, was auch nur ansatzweise einen Rhythmus hatte. Irgendwann haben wir sogar mit verstellten Stimmen wirres Zeug über Rammstein-Instrumentals gespittet. Ganz krankes Zeug, das aber nie jemand zu hören bekommen wird! (lacht)

Hast du nach deinem Umzug in Berlin dann alleine Musik gemacht?
Na ja, ich habe immer mal wieder gefreestylet und ein paar lose Tracks aufgenommen, aber nicht viel. Ich habe mir in dieser Zeit aber kaum aktuelle Rap-Releases angehört, sondern war eher auf Gitarre und Elektro unterwegs. Gustav, der nun auch auf »Pilsatör Platin« vertreten ist, hat mich dann jedoch nach und nach wieder auf den Rap-Film gebracht.

Und dann bist du irgendwann zu »Rap am Mittwoch« gegangen.
Ja. Freunde hatten mir von einem alle zwei Wochen stattfindenden Battle erzählt und meinten, ich als altes Freestyle-Monster solle da doch mal hingehen. Das habe ich getan, und bin dann gleich beim ersten Mal stockbesoffen auf die Bühne getorkelt.

Und? Hast du was gerissen?
Um ehrlich zu sein: Ich weiß es nicht mehr so genau, weil ich so hacke war. Aber von da an habe ich begonnen, mich mit dem Metier der Video-Battles zu beschäftigen. ­Irgendwann war dann das Video von meinem Auftritt online, und die meisten Kommentare dazu waren positiv. Also bin ich wiedergekommen, musste mich aber erst mal da reinfinden.

Was meinst du genau?
Es gibt ja ein Regelwerk für diese Battles, das man kennen muss, um dort bestehen zu können. Und man sollte bestimmte Dinge beachten. Man sollte zum Beispiel immer ein paar Punchlines für die Freestyle-Runden im Hinterkopf haben, man braucht aber ebenso ein paar geschriebene Sachen für die Acapella-Runden. Wenn man da als Rookie hingeht, dann weiß man das natürlich nicht.

Der Sage nach kam bei einem dieser Battles dann der Produzent 7Inch auf dich zu und hat dich in sein Studio eingeladen.
Ja, das war Anfang März. Wir haben uns auf Anhieb super verstanden, ich habe Beats gefeiert, und daher kam schnell die Idee auf, ein ganzes Album zusammen aufzunehmen.

Arbeitest du schnell?
Eigentlich schon. Ich mache lieber fünf Tracks an einem Tag und falle danach ausgelaugt ins Bett, als bloß dröge vor mich hinzudödeln. Beim Song »Morgen hör ich auf« hat 7Inch den Beat in gerade mal zehn Minuten zusammengeschustert, ich habe in einer halben Stunde zwei 16er geschrieben und die Hook gefreestylet. Den Track fanden wir aber trotzdem so geil, dass wir sogar ein »Halt die Fresse«-Video dazu gedreht haben.

Ein Song auf »Pilsatör Platin« heißt »Verschwende deine Jugend«. Hast du das gleichnamige Buch von Jürgen Teipel gelesen?
Nein, das kenne ich nicht. Es gab im Osten mal eine Graffiti-Crew, die immer VDJ gesprüht hat – was eben für »Verschwende deine Jugend« steht. Ich mochte den Satz auf Anhieb.

In dem Stück geht es um Polytoxikomanie, also den Umstand, von mehreren Sucht­mitteln gleichzeitig abhängig zu sein. Hast du selbst auch schon einiges durch?
Nein. Ich nehme keine Drogen und habe nie Drogen genommen. Ich rate auch jedem, der dieses Interview liest, dringend davon ab. Wer einen Joint raucht, hängt kurze Zeit später schon an der Spritze. Das ist Teufelszeug. Ach ja: Mit meinen Texten will ich der Gesellschaft bloß einen Spiegel vorhalten. (lacht)

Auf dem Track singst du zudem: »Könnten mich jetzt meine Eltern sehen, würden sie endlich meine Welt verstehen.« Was halten deine Eltern von der thematischen Aus­richtung deiner Musik?
Ich habe versucht, ihnen zu erklären, worum es in der Musik geht und wie die Texte zu verstehen sind. Glücklicherweise sind meine Eltern sehr tolerant und erkennen das Handwerk dahinter. Die wissen, dass ich das nicht mal eben huschipfuschi aufgenommen habe, sondern dass da sehr viel Arbeit drin steckt; und dass mir das Ganze viel bedeutet.

Nun geht es in Rap-Texten ja auch oft um Mütter – und zwar in einem nicht allzu freundlichen Kontext.
Das stimmt, aber meine Eltern können drüber lachen. Mein Vater meinte kürzlich sogar zu mir: »Ich hab da letztens ein Video von dir gesehen, wo so ein Hampelmann meinte, er würde gerne mal deine Mutter ficken. Da soll der erst mal mit mir ein Wörtchen wechseln …« Das fand ich witzig. Die verstehen also schon, dass es da lediglich um eine Kunstfigur geht.

Auf dem gleichnamigen Stück skizzierst du die »Generation Andi«. Wodurch zeichnet die sich aus?
Die Generation Andi schläft in der Regel bis 16 Uhr, weil sie am Vorabend Wichtigeres zu tun hatte, als zeitig ins Bett zu gehen. Sie hat meistens Husten und Chlamydien, weil sie in irgendwelchen Techno-Clubs unterwegs war und natürlich nicht alleine nach Hause gegangen ist. Außerdem trinkt sie billiges Bier, raucht aber gutes Gras. Ein spezielles Erscheinungsbild gibt es nicht. Viele verdecken aber ihr Gesicht, damit man nicht in ihre Bände sprechenden Augen blicken kann.

Im Stück »Big Trouble« geht es um die BVG. Hast du wirklich so oft Stress mit denen?
Während der Produktionsphase des Albums hatte ich tatsächlich einige Auseinandersetzungen mit der BVG; die Hälfte meines Vorschusses ist fürs Schwarzfahren drauf­gegangen. Die Dreckschweine. Aber mittler­weile sind wir gute Freunde und treffen uns auch mal auf einen Kaffee. Das sind Top-Jungs, und ich finde die Preise mittlerweile auch fair.

Erkennst du Kontrolleure mittlerweile schon von weitem?
Leider werden die immer geschickter. Wenn plötzlich eine dicke Frau im Tigerpulli ihren Scanner aus einer Speckfalte pult und mit sächsischem Akzent fordert »Fahrkarten her!«, dann bin auch ich mit meinem Latein am Ende. Ich finde es aber gut, dass die BVG sich immer etwas Neues überlegt, um uns ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern.

Auf der Platte gibt es Verweise auf Größen wie Big Daddy Kane, ODB und 2Pac, aber auch auf deutsche Acts wie Dynamite Deluxe und Def Benski. Bist du durch deren Kram musikalisch sozialisiert worden?
Auf jeden Fall! Einige Leute meinen, das wäre als Diss gemeint, aber das stimmt nicht.

Bloß 2Pac kann dir einen blowen, wie du in »Goldener Schuss« sagst.
Ach was, auch das ist bloß nett gemeint. In Wirklichkeit mache ich doch Liebes-Rap.

Foto: Presse

Dieser Artikel ist erschienen in JUICE #157 (hier versandkostenfrei nachbestellen).

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