BEASTIEMANIA
Im Video reißen beide Parteien die Mauer zwischen Rock und Rap, schwarzer und weißer Popkultur nieder, zeigen dem tief verankerten strukturellen Rassismus der Reagan-Regierung den Mittelfinger. »Walk This Way« wird zur erfolgreichsten genreübergreifende Kollaboration aller Zeiten. Und Rubin damit auch zum Hauptverantwortlichen für die späteren (Un-)Genres Crossover und Nu-Metal. Parallel dazu widmet sich der Produzent dem dritten Album der Trash-Metal-Band Slayer: »Reign In Blood« erscheint auf Def Jam, geht in den USA Gold und gilt als Meilenstein der Metal-Szene – der erste Beweis für die Vielseitigkeit von Rubin, die auf dem karrieredefinierenden Mammutwerk seiner Diskografie einen frühen Höhepunkt erreicht, dem mit knapp 10 Millionen Einheiten noch heute meistverkauften Album auf Def Jam: »Licensed To Ill«.
1985 veröffentlicht Def Jam mit »Rock Hard« eine der ersten Singles der Beastie Boys, die damals noch zu viert und als Hardcore-Band durch die Punkszene geisterte. Eine Drummerin passte nicht in Rubins Vision eines Rap-Trios, und so ignoriert er Kate Schellenbach, die ihn später als »sexistisches Arschloch« beschreibt, einfach aus der Band, kleidet Ad-Rock, Mike D und MCA in Adidas-Trainingsanzüge und transformiert die drei Downtown-Dudes zu den ersten Hipster-Rappern. Als Support-Act auf der »Like A Virgin«-Tour von Madonna betritt Rubin als DJ Double R für die Beasties zum letzten Mal die große Bühne. Das Quartett wird jeden Abend ausgebuht. Das hält die selbsterfüllende Prophezeiung, die Rick im Video zu »Fight For Your Right (To Party)« beschwört, nicht auf. Im Gegenteil: Der Clip der Party-Crasher löst ein weltweites Aufbegehren bei gelangweilten Mittelstandskids aus. Auch die Yuppies und Verbindungsprolls, die sie damit eigentlich karikieren, sind plötzlich Fans und die Beasties Superstars wider Willen. Mit pubertärem Humor und weißen Privilegien erreicht das Trio ein Millionenpublikum, wie es später erst wieder Eminem gelingt.
Aus Störgeräuschen, Schweinerock-Samples und dröhnenden Drum Machines strickt Rick Rubin Raps erste ästhetische Blaupause
Wenn Slayer Herzenssache war, ist »Licensed To Ill« eine Familienangelegenheit. Zwei Jahre arbeitet Rick am Debütalbum. Er drückt das Teenage-Riot-Image und wiederwillig das Albumcover gegen die Band durch, übernimmt die kreative Kontrolle, bringt sich beim Texten ein und sorgt für Überraschungsmomente in den Beats. Nach »Fight For Your Right« nehmen nun auch die Popwelt, Radiostationen und vor allem MTV den bärtigen Charakterkopf als Künstler wahr. »Licensed To Ill« steigt im November ’86 als erstes Rapalbum auf Platz Eins der Billboards ein, hält sich anderthalb Jahre in den Top 100 – und macht aus Def Jam ein millionenschweres Geschäft, das die Majors auf den Plan ruft.
Es bleibt das einzige Album, das Rubin für die Beastie Boys produziert. Wegen angeblich unterschlagenen Royalties und Meinungsverschiedenheiten über ein Hollywood-Angebot für den Beasties-Film »Scared Shitless«, der nie zustande kommt, verlässt die Band das Label auf ihrem kommerziellen Peak. Laut Kritikerkanon schreiben die Beasties nie wieder so große Songs wie »No Sleep Til Brooklyn« oder »Brass Monkey«. Der Verlust von Rubin, der dem Trio auf Albumlänge eine Dramaturgie und Dynamik verpasste, bleibt spürbar. Rick bricht die Trennung das Herz. Es sollte ihn nicht mehr lange in New York halten.
AMERICAN RECORDINGS
Zwei Signings setzt Rubin noch durch, bevor er sich aus dem Rap-Rummel zurückzieht. Der Idee, The Fresh Prince & Jazzy Jeff unter Vertrag zu nehmen, steht Simmons noch im Weg, weil ihm die Texte zu ironisch sind. Bei Public Enemy und Slick Rick geht das A&R-Geschick von Rubin indes auf. Als Fan von Chuck D, damals Radio-Host und Solo-Rapper, umwirbt Rick den 26-Jährigen monatelang am Telefon. Chuck fühlt sich zu alt für den Young Man’s Sport, der vom 16-jährigen Schönling LL Cool James dominiert wird, lässt sich nach Monaten erst auf ein Meeting ein. Mit einer ganzen Guerilla-Einheit rückt Chuck D bei Def Jam an – und präsentiert Public Enemy als revolutionäre Paramilitärs, die das Musikgeschäft und gleich die ganze Gesellschaft umwälzen wollen. Die Inszenierung ist perfekt, die Wut real. Die Arbeiten an »Yo! Bum Rush The Show« und »It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back« – zwei astreine Achtzigerklassiker – dirigiert Rick Rubin erstmals (nur) als Executive Producer.
»The Great Adventures Of Slick Rick« ist im Herbst 1988 bereits das fünfte 5-Kronen-Album in der Source für Rubin. Slick erweitert das Storytelling um einige Ebenen: Seine Anekdoten, Jokes und Rollenspiele geben der Subkultur eine neue Erzählform. Mit ihm beginnt das Zeitalter des authentischen Image-Rappers. Während das Def-Jam-Roster zu einem historisch einzigartigen Allstar-Line-Up anwächst, werden die Konflikte im Geschäftskonstrukt immer größer. Russell und Rubin verstehen sich noch gut, haben aber unterschiedliche Vorstellungen, wie das Label ausgerichtet werden soll: Simmons will seine R’n’B-Entdeckung Oran »Juice« Jones breaken, Rick wieder mit Slayer zusammenarbeiten. Simmons setzt auf schnelle Vorschüsse, Rubin will die Rechte an den Masterbändern halten und ist ein kreativer Kontrollfreak. Um die Freundschaft nicht zu gefährden, gibt der Klügere nach. Rubin steigt aus, nicht ohne seine Anteile zu behalten.
Alter Mann — mit Style! Tchaka!!